Norbert Herz (1858-1927)
Norbert Herz wurde am 11. Dezember 1858 in Olmütz (Mähren) als Sohn eines Arztes geboren. Er erhielt zunächst Unterricht von seinem Vater und maturierte später mit Auszeichnung an der Realschule in Troppau. Danach studierte er an der Technischen Hochschule und an der Universität in Wien Mathematik, Astronomie und Geodäsie. Nachdem er 1879 die Lehramtsprüfung abgelegt hatte, war er ein Jahr lang an einer Oberrealschule und am 1. Oktober 1880 trat er als astronomischer Rechner in das Gradmessungsbüro bei Theodor R. v. Oppolzer ein. Am 1. Jänner 1881 übersiedelte er als Assistent an die Technische Hochschule. Sein Doktorat erwarb er am 15. Juli 1882 in Heidelberg
[Ref. 1.) a und b].
Am 20. Juli 1886 heiratete Norbert Herz die Volksschullehrerin Gabriele Blaschke, eine hochintelligente Frau. Theodor v. Oppolzer war Trauzeuge
[Ref. 2.), S. 12]. Das Paar hatte vier Kinder. Die drei Söhne, Norbert, Wilhelm, Theodor und eine Tochter Gabriele. Ihr Sohn Norbert starb bereits 1911 im Alter von 16 Jahren.
Über Oppolzer kam es 1883 zum ersten Kontakt zwischen Norbert Herz und Moriz von Kuffner. Sehr an Wissenschaften interessiert, wollte sich Kuffner von Herz weiter ausbilden lassen. Und Herz der bereits Pläne für den Bau einer Sternwarte ausgearbeitet hatte, schaffte es Kuffner für seine Idee zu begeistern. Bereits im Herbst 1883 erfolgten die ersten Vorbesprechungen zum Bau der Privatsternwarte und deren Einrichtung
[Ref. 3.)]
Von 1884 bis 1891 war Herz der erste Direktor der Kuffner-Sternwarte. Zu seinen Hauptaufgaben zählten die Inbetriebnahme des Großen Refraktors und des Meridiankreises. Herz berichtete später über die innige freundschaftliche Beziehung zwischen ihm und Moriz von Kuffner, der ihm sogar die Sternwarte als Geschenk angeboten hatte, was Herz allerdings ablehnte. Doch bereits 1885 traten erste Verstimmungen ein
[Ref. 4.)]. Im Jahr 1891 kam es schließlich zum offenen Bruch und Herz verließ die Sternwarte. Wie schwer ihm das gefallen sein muss, ist nachzuvollziehen. Herz plante und leitete den Bau und seinem Verdienst ist es zuzuschreiben, dass diese Sternwarte eine so hervorragende Einrichtung erhielt.
1893 wanderte Herz nach Amerika aus und arbeitet unter Simon Newcomb im Nautical Almanac Office. Nachdem Newcomb aufgrund der Staatsbürgerschaft von Herz angegriffen wurde, kehrte Herz wenige Monate später nach Wien zurück und beschloss seinem Leben eine neue Wendung zu geben.
Ab 1895 studierte er in Wien und Heidelberg Medizin. 1899 schloss er seine Studien in Heidelberg mit den Rigorosen ab. Zum zweiten Mal reiste er 1900 nach Amerika, in der Hoffnung, dort eine Arztpraxis eröffnen zu können. In Detroit bestand er zwar das dafür vorgeschriebene Examen mit Auszeichnung, da es ihm aber nach 10 Monaten immer noch nicht gelungen war eine eigene Praxis zu eröffnen, musste er aus finanziellen Gründen erneut zurück nach Wien.
Herz der 1887 aus der israelitischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten war, konvertierte 1900 zum katholischen Glauben
[Ref. 5.) S. 246] und trat in den Staatsdienst ein. Nach einer kurzen Zeit als Vertretungslehrer für Mathematik und Physik am Staatsgymnasium im 8. Bezirk in Wien, wurde er 1901 Professor an der Oberrealschule im 15. Bezirk und ab 1907 Professor an der Franz Joseph-Realschule im 13. Bezirk.
Neben dieser Tätigkeit habilitierte sich Herz 1904 dann noch für Astronomie und Geodäsie und lehrte als Privatdozent an der Universität. 1911 legte er seine Dozentur allerdings wieder zurück, nachdem sein ehemaliger Assistent an der Kuffner Sternwarte
Samuel Oppenheim den Ruf als Ordinarius für theoretische Astronomie erhielt. Herz hatte seinen Freund Oppenheim 1888 an die Kuffner Sternwarte geholt. Doch auch diese Freundschaft ging in die Brüche, nachdem Oppenheim ihm in den Rücken gefallen sein soll. Herz hatte Kuffner bereits Vorschläge zur Anschaffung eines Heliometer gemacht. Doch laut Herz soll Oppenheim Moriz von Kuffner erklärt haben, dass ein Heliometer unnötig sei und er sich stattdessen einen 14 zölligen Refraktor wünsche. Nicht nur Oppenheim, auch andere Kollegen aus Wien sollen versucht haben seine Pläne zu durchkreuzen
[Ref. 4.) S. 15]. Mit Gegenwind war allerdings zu rechnen. Herz der sich noch nicht habilitiert hatte, wurde schließlich bereits als 26jähriger Direktor einer Sternwarte und war dabei ein wirklich konkurrenzfähiges Institut aufzubauen. Damit hatte er sicher keinen leichten Stand in akademischen Kreisen. Kuffner entschied sich jedenfalls letztlich für das Heliometer.
Bis 1913 war Herz Professor an der Franz Josep-Realschule. Dann wurde er in den Ruhestand versetzt.
Während des Weltkrieges arbeitete er als Arzt in Kriegsgefangenenlagern. Nach dem Krieg bemühte er sich vergeblich um eine Stelle als Universitätslehrer.
Norbert Herz starb in bescheidenen Verhältnissen, von seiner Frau getrennt am 31. Jänner 1927 in Wien nach einem Schlaganfall. Er hinterließ seine drei Kinder und drei Enkelkinder. Seine Frau Gabriele starb 1931. Sein Sohn Wilhelm, ein Bergingenieur, starb am 17. April 1927, im Alter von nur 39 Jahren in Bochum. Sein Sohn Theodor wurde Arzt. Er arbeitete bis 1938 in Piesendorf (Salzburg). Am 1. Juni 1938 wurde "nichtarischen" Ärzten der Kassenvertrag gekündigt, auch Theodor Herz. Am 30. September 1938 erfolgte in Salzburg ein Berufsverbot für jüdische Ärzte. Theodor Herz emigrierte nach Argentinien. Die Tochter von Norbert Herz soll in Rio de Janeiro verheiratet gewesen sein.
Norbert Herz war eine hoch begabte und sicher auch schwierige Persönlichkeit. Leopold Andres schrieb im Nachruf auf Norbert Herz: "Sein lebhaftes, impulsives Temperament brachte es mit sich, dass er im Leben manchen Reibungen begegnete, was auch mitbestimmend gewesen sein mag, dass er in der wissenschaftlichen Laufbahn nicht zu jener hohen Lehrstellung gelangte, zu welcher er wissenschaftlich ohne jeden Zweifel berufen war."
[Ref. 1.) b, S. 3]
Tatsächlich war Norbert Herz nicht nur ein hervorragender Astronom. Neben einer zukunftsweisenden Konzeption für die Kuffner Sternwarte hinterließ er der Wissenschaft ein reiches Erbe. Er verfasste unter anderem ein Lehrbuch über Kartenprojektion, eines zur Physik und ein weiteres über Wahrscheinlichkeits- und Ausgleichsrechnungen. Weiters schrieb er ein umfassendes Werk zur Geschichte der astronomischen Bahnbestimmung, das noch heute zitiert wird.
Norbert Herz hielt auch etliche Vorträge im "Wissenschaftlichen Club" der 1876 gegründet wurde und an der Wiener Urania. Zudem verfasste er viele populärwissenschaftliche Aufsätze, wie etwa
➤ "Meteorologische Beobachtungen auf Gebirgstouren" in der Österreichischen Touristenzeitung 1888 (ANNO).
Auswahl an Publikationen:
- ➤ Bahnbestimmung des Planeten Kriemhild in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe, Band 92, Jahrgang 1885, Zweite Abteilung, 1886 (archive.org)
- ➤ Bahnbestimmung des Planeten Ida in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe, Band 92, Jahrgang 1885, Zweite Abteilung, 1886 (archive.org)
Die beiden Kleinplaneten Kriemhild und Ida wurden von Johann Palisa entdeckt und von Moriz von Kuffner benannt.
- ➤ Entwicklung der Differentialquotienten der geozentrischen Coordinaten nach zwei geocentrischen Distanzen in einer elliptischen Bahn in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe, Band 92, Jahrgang 1885, Zweite Abteilung, 1886 (archive.org)
- ➤ Lehrbuch der Landkartenprojektionen, Leipzig, 1885 (archive.org)
- ➤ Geschichte der Bahnbestimmung von Planeten und Kometen, Teil 1, Leipzig, 1887 (Göttinger Digitalisierungszentrum)
- ➤ Geschichte der Bahnbestimmung von Planeten und Kometen, Teil 2, Leipzig, 1894 (Göttinger Digitalisierungszentrum)
- Publicationen der v. Kuffner'schen Sternwarte in Wien (Ottakring), 1889-1892
- ➤ Über die Alphonsinischen Tafeln und die im Besitze der k. k. Hofbibliothek in Wien befindlichen Handschriften derselben in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe, Band 102, Abteilung IIa, 1893 (archive.org)
- ➤ Über eine unter den Ausgrabungen auf Rhodos gefundene astronomische Inschrift in: Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe, Band 103, Abteilung IIa, 1894 (archive.org)
- Keplers Astrologie, Wien 1895
- Kritische Beiträge zur Lehre von der Lymphbewegung, Dissertation, Heidelberg, 1899
- Wahrscheinlichkeits- und Ausgleichsrechnung, Sammlung Schubert, 1900
- Die Fortschritte der Naturwissenschaften im 19. Jh., Wien, 1902
- Geodäsie. Eine Darstellung der Methoden für die Terrainaufnahme, Landesvermessung und Erdmessung, Leipzig, 1905
- Lehrbuch der mathematischen Geographie, Wien, 1906
- Sternkatalog für die Zone von 6 ° - 10° südliche Deklination, 1906 und 1907. (Berlin, Akademische Abhandlungen)
- Die Eiszeiten und ihre Ursachen, Leipzig, 1909
- Photogrammetrie, Stereoskopie und Stereophotogrammetrie, Wien, 1912
- Lehrbuch der Physik, Leipzig/Wien, 1913
- Allgemeine Theorie zentrierter Linsensysteme, Leipzig/Wien, 1924
- Die Stellung von Elsaß -Lothringen im Westfälischen Frieden, Wien, 1925
- Dokumente zur Ethik des 20. Jahrhunderts, Wien, 1926
Quellen:
1.) a) ➤ Astronomische Nachrichten, Vol. 230, 1927, H. Kobold
1.) b)
➤ Österreichische Zeitschrift für Vermessungswesen, Nr.1 Jahrg. XXV., 1927; "Professor phil. et med. Dr. Norbert Herz" von Oberst d. R. Ing. Leopold Andres
2.) Die Kuffner-Sternwarte, Werner W. Weiss, Wiener Bezirkskulturführer, Jugend und Volk, Wien-München, Wien 1984
3.) Publicationen der v. Kuffner'schen Sternwarte in Wien, Band 1, 1889 von Dr. Norbert Herz,
4.) Fragmente zu einer Geschichte astronomischen Mäcenatenthums in Österreich, von Dr. Norbert Herz, 1892
5.) "...meldet den Austritt aus dem mosaischen Glauben" 18000 Austritte aus dem Judentum in Wien, 1868-1914: Namen – Quellen – Daten von Anna L. Staudacher, 2009