Die Turiner Skala
Was ist die Turiner Skala?
Die Turiner Skala ist eine "Richter-Skala" zur Klassifizierung neu entdeckter
➤ Asteroiden und
➤ Kometen in Hinblick auf ihre mögliche Einschlagsgefahr für die Erde. Diese Skala soll als Kommunikations-Werkzeug zwischen Astronomen und der Öffentlichkeit dienen um eine seriöse Einschätzung der Gefahr naher Vorbeiflüge von Asteroiden und Kometen im Laufe des 21. Jahrhundert zu gewährleisten.
Warum wird die Turiner Skala benötigt?
Wenn eine neuer Asteroid oder Komet entdeckt wird ist eine genaue Vorhersage, wo das Objekt sich in den nächsten Monaten, Jahren oder Jahrzehnten befinden wird, noch nicht präzise möglich. Diese Unsicherheit ist um so größer, wenn die Beobachtungen die zur Entdeckung führten, nur einen kurzen Bahnbogen beschreiben so dass es einen - wenn auch kleinen - Unsicherheitsfaktor bei den Messungen geben könnte.
Glücklicherweise sind die Anfangsberechnungen für die meisten Objekte ausreichend und zeigen, dass innerhalb des nächsten Jahrhunderts keine gefährlich engen Begegnungen mit der Erde stattfinden. Trotzdem kann für einige Objekte die im 21. Jahrhundert relativ nahe vorbei fliegen, eine Kollision mit der Erde nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Wie arbeitet die Turiner Skala?
Die Turiner Skala klassifiziert die Objekte von 0 bis 10, wobei bei einem Asteroiden oder Kometen mit dem Wert "0" gar keine oder eine nur geringfügige Chance auf eine Kollision mit der Erde besteht. (Null wird auch für solche Objekte verwendet die so klein sind, dass sie beim Eindringen in die Erdatmosphäre verglühen und daher keine Gefahr darstellen). Ein Objekt mit dem Wert "10" impliziert dagegen, dass eine Kollision sicher zu erwarten ist und dass der Impaktor groß genug ist, um eine globale Katastrophe auszulösen.
Die Turiner Skala ist farbkodiert von Weiß über Gelb zu Orange und Rot. Jede Farbe steht für spezielle Bewertung der Gefahr.
Weiße Zone: Ereignisse haben keinerlei Konsequenzen |
0 |
Die Wahrscheinlichkeit einer Kollision ist gleich Null, oder es besteht so gut wie keine Chance, dass ein Zufallsobjekt der gleichen Größe in den nächsten Jahrzehnten die Erde treffen könnte. Diese Kennzeichnung gilt auch für jene Objekte die so klein sind, dass im Fall einer Kollision ausgeschlossen werden kann, dass sie die Erdoberfläche intakt erreichen. |
Grüne Zone: Ereignisse bedürfen sorgfältiger Beobachtung |
1 |
Eine routinemäßige Neuentdeckung, für die ein Vorbeiflug vorhergesagt wird, die aber keine ungewöhnliche Gefahr darstellt. Aktuelle Berechnungen ergeben, dass eine Kollision extrem unwahrscheinlich ist. Weitere Beobachtungen führen höchstwahrscheinlich zu einer Rückstufung auf Level 0. |
Gelbe Zone: Aufmerksamkeit von Astronomen erforderlich. |
2 |
Eine durch ausgedehnte routinemäßige Suchprogramme gemachte Entdeckung eines Objekts mit einem etwas engeren, aber nicht ungewöhnlichen, Vorbeiflug an der Erde. Während die Aufmerksamkeit der Astronomen gefordert ist, besteht kein Anlass für öffentliche Aufmerksamkeit, da eine konkrete Bedrohung sehr unwahrscheinlich ist. Weitere Beobachtungen werden aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Rückstufung auf Level 0 führen. |
3 |
Eine nahe Begegnung, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1% oder größer zu einer Kollision mit lokaler Zerstörung führt. Weitere Beobachtungen werden vermutlich zu einer Rückstufung auf Level 0 führen. Wenn allerdings die Begegnung weniger als ein Jahrzehnt entfernt ist, verdient sie die Aufmerksamkeit von offizieller Seite und der Öffentlichkeit. |
4 |
Eine nahe Begegnung, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 % oder größer zu einer Kollision mit regionaler Verwüstung führt. Weitere Beobachtungen führen aller Wahrscheinlichkeit zu einer Rückstufung auf Level 0. Falls die Begegnung weniger als ein Jahrzehnt entfernt ist, verdient sie die Aufmerksamkeit von offizieller Seite und der Öffentlichtkeit. |
Orange Zone: Bedrohliche Ereignisse |
5 |
Eine nahe Begegnung die eine ernste aber noch unsichere Bedrohung regionaler Verwüstung darstellt. Astronomen müssen unbedingt ermitteln, ob die Kollision stattfinden wird oder nicht. Wenn die Begegnung weniger als ein Jahrzehnt entfernt ist, wäre es empfehlenswert, von staatlicher Seite einen Notfallplan zu erstellen. |
6 |
Eine enge Begegnung mit einem großen Objekt, die eine ernste aber unsichere globale Bedrohung darstellt, Es ist dringend erforderlich, dass Astronomen ermitteln, ob die Kollision eintreten wird oder nicht. Wenn die Begegnung weniger als drei Jahrzehnte entfernt ist, wäre ein staatlicher Notfallplan gerechtfertigt. |
7 |
Eine sehr enge Begegnung mit einem großen Objekt, die eine ernste aber unsichere globale Katastrophe in diesem Jahrhundert darstellt. Für eine solch immense Bedrohung wäre ein internationaler Notfallplan gerechtfertigt, insbesondere um schnell und schlüssig festzustellen, ob eine Kollision eintreten wird oder nicht. |
Rote Zone: Sichere Treffer |
8 |
Eine sicher eintretende Kollision, die eine lokale Zerstörung an Land oder einen Tsunami im nahen Küstenbereich auslöst. Solche Ereignisse finden auf der Erde durchschnittlich einmal zwischen 50 bis 1000 Jahren statt. |
9 |
Eine sicher eintretende Kollision, die bei einem Einschlag an Land eine regionale große Zerstörung auslöst und bei einem Einschlag im Ozean einen großen Tsunami. Solche Ereignisse finden durchschnittlich einmal zwischen 10 000 bis 100 000 Jahren statt. |
10 |
Eine sicher eintretende Kollision die eine globale klimatische Katastrophe auslösen kann und die Zukunft unserer Zivilisation wie wir sie kennen bedroht, wobei es egal ist, ob der Einschlag an Land oder im Ozean stattfindet. Solche Ereignisse finden durchschnittlich einmal in 100 000 Jahren oder seltener statt. |
Mit Hilfe der Skala kann nun jedem Objekt, abhängig von Größe, Geschwindigkeit und der Wahrscheinlichkeit dass es die Erde trifft ein Wert zwischen 0 und 10 zugeteilt werden. Ein Objekt mit mehreren nahe Vorbeiflügen erhält - bezogen auf den jeweiligen Vorbeiflug - eine Bewertung für jede Annäherung. Wenn bei einem Objekt kein ganzzahliger Wert ermittelt werden kann, erfolgt die Einstufung in die nächste höhere Stufe, da es weder Dezimalzahlen noch Bruchzahlen gibt.
Kann sich der Turiner-Skala -Wert eines Objekts ändern?
Ja! Es ist wichtig zu beachten, dass sich der Wert für ein Objekt, das z. B. zuerst mit "1" oder größer eingestuft wurde, im Laufe der Zeit ändern kann. Die Änderung kann aufgrund genauerer Meßergebnisse erfolgen oder weil das Objekt durch eine Änderung seiner Bahn keine Gefahr mehr für die Erde darstellt. Die meisten neuentdeckten Objekte werden letztendlich bei einer Neueinstufung in der Kategorie "0" landen. Wenn ein Objekt schon anfangs in der Kategorie "0" eingestuft wurde, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich sein Wert im Laufe der Zeit noch ändert.
Wie kam die Turiner Skala zu ihrem Namen?
Die Turiner Skala wurde von Professor Richard Binzel vom Massachusetts Institut of Technology entwickelt. Die erste Version unter dem Namen "A Near-Earth Objekt Hazard Index" wurde 1995 auf einer Konferenz der Vereinten Nationen vorgestellt und von Binzel später in einem Proceeding veröffentlicht. (Bericht der New Yorker Akademie der Wissenschaften, Band 822, 1997)
Eine überarbeitete Version vom "Hazard Index" wurde im Juni 1999 in Turin/Italien bei einer internationalen Konferenz über erdnahe Objekte vorgestellt. Die Konferenzteilnehmer waren mit dieser überarbeiteten Version einverstanden und nannten sie "Turiner Skala" zur Erinnerung an den Geist guter internationaler Zusammenarbeit der bei dieser Konferenz herrschte und in der Hoffnung, dass diese "Richter-Skala" zur Verdeutlichung beiträgt, wie groß bzw. wie klein die tatsächliche Gefahr ist, die von erdnahen Objekten ausgeht.
In Anlehnung an folgende Publikation, wurde die Turiner Skala im Jahr 2005 nochmals überarbeitet:
Morrison, D., Chapman, C. R., Steel, D., and Binzel R. P. "Impacts and the Public: Communicating the Nature of the Impact Hazard" In Mitigation of Hazardous Comets and Asteroids,(M.J.S. Belton, T.H. Morgan, N.H. Samarasinha and D.K. Yeomans, Eds), Cambridge University Press, 2004.
2. Februar 2002/SP
Aktualisiert: August 2014/SP
➤ Quelle (JPL/NASA)
➤ Sentry: Earth Impact Monitoring (JPL/NASA)