Die Milchstraße beherbergt 8.292 kürzlich entdeckte Sternströme – alle mit Namen Theia. Aber Theia 456 ist etwas Besonderes.
Ein Sternstrom hat – im Unterschied von Sternhaufen – ein seltenes lineares Muster. Nach der Kombination mehrerer vom Gaia-Weltraumteleskop erfasster Datensätze stellte ein Team von Astrophysikern fest, dass alle 468 Sterne von Theia 456 gleichzeitig geboren wurden und sich in der gleichen Richtung über den Himmel bewegen.
„Die meisten Sterne in einem Haufen entstehen zur gleichen Zeit“, sagte Jeff Andrews, Astrophysiker an der Northwestern University und Mitglied des Teams. „Das Spannende an Theia 456 ist, dass es sich nicht um eine kleine Ansammlung von Sternen handelt. Theia 456 ist lang und ausgedehnt. Es gibt relativ wenig Sternströme in der Nähe die jung und so weit verstreut sind.“
Andrews präsentierte diese Forschung während einer virtuellen Pressekonferenz auf dem 237. Treffen der American Astronomical Society. „Theia 456: A New Stellar Association in the Galactic Disk“. Das Treffen fand am 15. Januar im Rahmen einer Sitzung über „The Modern Milky Way“ statt.
Andrews ist Postdoktorand am Northwestern Center for Interdisciplinary Exploration and Research in Astrophysics (CIERA). Er führte diese Arbeit mit den Astrophysikern Marcel Agüeros und Jason Curtis von der Columbia University, Julio Chanamè von der Pontifica Universidad Catolica, Simon Schuler von der University of Tampa sowie Kevin Covey und Marina Koukel von der Western Washington University durch.
Während Forscher seit langem wissen, dass sich Sterne in Gruppen bilden, sind die meisten bekannten Haufen kugelförmig. Erst vor kurzem haben Astrophysiker begonnen, neue Muster am Himmel zu finden. Sie glauben, dass lange Stränge von Sternen einst enge Haufen waren, die allmählich von Gezeitenkräften auseinandergerissen wurden und sich ausdehnten.
Aufgrund der Weiterentwicklung der Instrumente, der Technologie und der Fähigkeit Daten auszuwerten, hat man festgestellt, dass Sterne in mehr Strukturen existieren als in Klumpen. „Sie bilden oft Ströme von Sternen über den Himmel. Obwohl wir seit Jahrzehnten davon wissen, beginnen wir erst jetzt, versteckte Stern-Ströme zu finden“, sagte Andrews.
Theia 456 erstreckt sich über mehr als 500 Lichtjahre und ist einer dieser verborgenen Ströme. Da er sich in der galaktischen Ebene der Milchstraße befindet, geht er leicht vor dem Hintergrund von 400 Milliarden Sternen verloren. Die meisten Sternströme werden an anderer Stelle im Universum gefunden – mit Teleskopen, die nicht auf die Milchstraße gerichtet sind.
„Wir neigen dazu, unsere Teleskope in andere Richtungen zu fokussieren, weil es da einfacher ist Dinge zu finden“, sagte Andrews. „Jetzt fangen wir an, diese Sternströme in der Galaxie selbst zu finden. Es ist wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Oder, in diesem Fall, eine Welle in einem Ozean zu finden.“
Diese Strukturen zu identifizieren und zu untersuchen ist eine datenwissenschaftliche Herausforderung. Algorithmen für künstliche Intelligenz durchkämmten riesige Datensätze von stellaren Daten um diese Strukturen zu entdecken. Dann entwickelte Andrews Algorithmen, um diese Daten mit bereits vorhandenen Katalogen zu vergleichen, in denen die Eisenhäufigkeit in Sternen dokumentiert ist.
Andrews und sein Team fanden heraus, dass die 468 Sterne in Theia 456 ähnliche Eisenhäufigkeiten aufwiesen, was bedeutet, dass diese Sterne vor 100 Millionen Jahre aller Wahrscheinlichkeit nach zur gleichen Zeit entstanden sind. Um diesen Befund weiter zu untermauern, untersuchten die Forscher einen Datensatz aus Lichtkurven, der erfasst, wie sich die Helligkeit der Sterne im laufe der Zeit ändert. „Dies kann verwendet werden, um zu messen, wie schnell sich die Sterne drehen“, sagte Agüeros, „Sterne gleichen Alters sollten ein deutliches Muster in ihren Rotationsraten zeigen.“
Mit Hilfe von Daten des Transiting Exoplanet Survey Satellite der NASA und dem Zwicky Transient Facility, die beide Lichtkurven von Sternen der Theia 456 Assoziation erzeugten, konnten Andrews und seine Kollegen feststellen, dass die Sterne in diesem Strom das gleiche Alter haben.
Das Team stellte außerdem fest, dass sich die Sterne von Theia 456 gemeinsam in die gleiche Richtung bewegen.
"Wenn man weiß, wie sich die Sterne bewegen, dann kann man zurückverfolgen, woher die Sterne kamen", sagte Andrews. „Als wir die Uhr rückwärts drehten, kamen sich die Sterne immer näher. Wir glauben also, dass all diese Sterne gleichzeitig geboren wurden und einen gemeinsamen Ursprung haben.“