Die Raumsonde OSIRIS-REx, die bereits seit fast zwei Jahren den Asteroiden Bennu umkreist, wird noch in diesem Monat, voraussichtlich am 20. Oktober, Proben von der Oberfläche des Asteroiden aufsammeln.
Neue Forschungsergebnisse zeigen Adern aus Karbonit-Materialien in Bennus Felsbrocken sowie Anzeichen von organischen Mineralien, die auf seiner Oberfläche weit verbreitet sind. Die Vielfalt der Gesteinszusammensetzungen auf der Asteroidenoberfläche, seine Schwerkraft und die unausgewogene, rautenförmige Struktur des Asteroidenkörpers legen nahe, dass sich Bennu nach der Kollision zweier Mutterkörper gebildet hat.
Insgesamt liefern die neuen Ergebnisse eine Basis für die Proben, die OSIRIS-REx am 20. Oktober von Bennus Oberfläche aufsammeln wird. Wenn alles nach Plan verläuft, wird die Raumsonde diese Proben voraussichtlich 2023 auf die Erde zurückbringen und damit nicht nur genauere Kenntnisse über einen Asteroiden erhalten, der relativ nahe an unserem Planeten vorbeifliegt, sondern auch einen Blick auf die ersten zehn Millionen Jahre nach der Entstehung der Sonne werfen können.
Beim Prozess der Planetenbildung schuf das frühe Sonnensystem auch viele kleine Trümmer, die niemals zu einer großen Welt wurden. Viele dieser Reste haben die gleichen Signaturen wie Planetenbausteine, schafften es aber nicht zu einem fertigen Planeten. Viele von ihnen drifteten zum Asteroidengürtel, aber einige wurden zur frühen Erde zurückgeschleudert und lagerten Wasser auf der Oberfläche des damals trockenen Planeten ab.
„Weil Bennu vom Asteroidengürtel in eine die Erde kreuzende Bahn migrierte, ist er ein Paradebeispiel dafür, wie Material von weiter draußen im Sonnensystem auf die frühe Erde geliefert werden konnte“, sagte Amy Simon, Forscherin am Goddard Flight Center in Maryland. Simon ist die Autorin von einem der sechs Artikel über Bennu, die vor kurzem in den Zeitschriften Science und Science Advances veröffentlicht wurden.
„Die zahlreichen Hinweise auf Karbonate/organische Stoffe und hydratisierte Mineralien auf Bennu stützen das Argument, dass Asteroiden und Kometen die notwendigen Bausteine für das Leben auf der Erde und auch auf andere Planeten gebracht haben könnten“, sagte Simon.
In den letzten zwei Jahren hat OSIRIS-REx genügend Bilder von Bennu gesammelt, um die Oberfläche kartieren zu können. Variationen in Farbe und Albedo (Helligkeit) bieten Einblicke in die Oberfläche des Asteroiden und zeigen, wie sie sich im Laufe der Zeit verändert hat.
Bennu wird als Trümmerhaufen-Asteroid bezeichnet, der aus lockerem Gestein besteht das nur durch die Gravitation zusammengehalten wird, nachdem ein Objekt auf seinem ursprünglichen Mutterkörper eingeschlagen hat. Die Wissenschaftler konnten feststellen, dass es Unterschiede in Farbe und Albedo bei den Felsblöcken und Kratern gibt, so dass der Asteroid aus zwei unterschiedlichen Populationen von Felsblöcken besteht.
Laut Daniella DellaGiustina, eine Planetenwissenschaftlerin an der Universität von Arizona, ist die führende Hypothese für das Auftreten dieser separaten Populationen, dass der ursprüngliche Asteroid mehrere separate Zonen enthielt, die unterschiedlichen geologischen Prozessen unterworfen waren. Als Bennu nach dem Impakt, der dieses Objekt zerschmetterte, sich wieder sammelte, stammte das aufgesammelte Material aus mindestens zwei dieser Zonen, sagte DellaGiustina.
OSIRIS-REx hat auch mehrere kleine Felsbrocken entdeckt, deren Zusammensetzung dem Asteroiden Vesta, dem zweitgrößten Objekt im Asteroidengürtel, in vielerlei Hinsicht ähnlich ist. Diese Felsbrocken könnten Einblicke in das Objekt geben, das Bennus Mutterkörper zerstört hat. „Wir glauben, dass diese Gesteine von einem Fragment der Vesta stammen, das mit Bennus Mutterkörper kollidierte und Bennu bei seiner Entstehung einverleibt wurde“, sagte DellaGiustina.
Bennu hat auch eine überraschende Menge an kohlenstoffreichen Materialien, darunter Karbonate und organischen Materialien. Karbonate sind anorganische Mineralien, während die organischen Stoffe Kohlenstoff in komplexeren Formen enthalten. Die Kartierung der Wellenlängen des von Bennu reflektierten Lichts kann Hinweise auf seine Zusammensetzung liefern. Frühere Beobachtungen hatten bereits das Vorhandensein von hydratisierten Schichtsilikaten oder Tonen auf der Oberfläche des Asteroiden festgestellt. Jetzt zeigt die neue Forschung, dass organische und anorganische Materialien Bennus Äußeres bedecken.
Laut Simon trägt von Bennu eine breite Mischung von Signalen in sich, die das Ergebnis von Variationen in der Zusammensetzung, unterschiedlicher Verwitterung, von Altersunterschieden, einer Vielzahl von Partikelgrößen oder einer Kombination aus allem sein könnte.
„Während ein globales Spektrum eines Asteroiden möglicherweise ein dominierendes Merkmal zeigen, ist es wahrscheinlich, dass alle Asteroiden auch Variationen auf ihrer Oberfläche aufweisen“, sagte Simon. Dies könnte erklären, warum komplexe C-Typ Asteroiden, die mit Bennu assoziiert sind, eine Vielzahl von Signaturen aufweisen.
„Der wahre Test wird darin bestehen, die zurückgebrachten Bennu-Proben zu analysieren und genau zu untersuchen, wie die Partikel variieren“, sagte Simon.
Ein anderes Forscherteam untersuchte die physikalischen Eigenschaften von Bennus Felsbrocken mit Hilfe von thermischen Infrarotdaten, um deren Oberflächenrauheit und thermische Trägheit (das Maß dafür, wie langsam sich die Temperatur eines Objekts ändert) zu bestimmen. Beide werden als Muster für die physikalischen Eigenschaften einer Planetenoberfläche verwendet.
In Zusammenarbeit mit seinen Kollegen stellte Ben Rozitis von der Open University in Großbritannien fest, dass sich Bennus Felsbrocken nach Festigkeit in zwei Typen einteilen lassen. Die zerbrechlichsten dieser Felsbrocken würden einen Fall durch die Atmosphäre eines Planeten wahrscheinlich nicht überleben, was darauf hindeutet, dass Meteoriten dieses Typs, die auf die Erde geschleudert werden, niemals den Boden erreichen würden. Die zerbrechlichen Felsbrocken haben ein geringes Reflexionsvermögen und eine hügelige Textur sowie eine geringere thermische Trägheit als Asteroiden vom C-Typ.
Die festeren Felsbrocken sind reflektierender, mit eckige Seiten und Anzeichen auf wasserreiche Mineralablagerungen in ihren Rissen. Obwohl diese Felsbrocken auch eine geringere Wärmeleitfähigkeit als ähnliche Meteoriten haben, kommen ihre Anzahl den Messungen von CM-Typ-Asteroiden, die im Labor durchgeführt wurden, nahe.
Rozitis und sein Team kamen zu dem Schluss, dass andere erdnahe Objekte wahrscheinlich Felsbrocken enthalten, die denen auf Bennu ähneln und nicht den kleineren und feinkörnigen Regolith-Material. Sie vermuten auch, dass jene Materialproben die von OSIRIS-REx gesammelt und zur Erde gebracht werden, Teile jener Felsbrocken enthalten werden, die einen Sturz durch die Atmosphäre nicht überleben würden.
„Wir erwarten daher, dass OSIRIS-REx mit Analysematerial zurückkehrt, dass sich derzeit nicht in einer der Meteoritensammlungen auf der Erde befindet“, schrieben die Autoren in ihrem Artikel.
Die Karte zeigte auch, dass Bennus Oberfläche auf überraschende Weise verwittert ist. Die Exposition durch geladene Teilchen, die von der Sonne und dem Mikrometeoriten-Regen stammen, kann wichtige Auswirkungen auf Weltraumobjekte haben. Auf dem Mond und auf Asteroiden haben Wissenschaftler herausgefunden, dass ihr Aufprall die Oberfläche verdunkelt, wodurch das Sonnenlicht in längeren Wellenlängen reflektiert wird. Aber bei Bennu geschieht etwas Unerwartetes. Der Asteroid wird heller und seine Felsbrocken reflektieren kürzere Wellenlängen. „Etwas an Bennu ist ganz anders als auf anderen planetaren Oberflächen, die wir beobachtet haben“, sagte DellaGiustina.
In den frühen Tagen des Sonnensystem, als es erst wenige Millionen Jahre alt war, schmolz die Wärme radioaktiver Elemente das Wassereis und ermöglichte es dem Wasser, mit dem Gestein des Mutterkörpers zu interagieren und es zu verändern. Der rasche Zerfall dieser Elemente bedeutet, dass die Veränderung vor der Kollision, die Bennus Mutterkörper zerstörte, erfolgt sein musste.
Dieses Wasser hat höchstwahrscheinlich die Adern aus Mineralien erzeugt, die in einigen von Bennus Felsbrocken zu sehen sind. Ähnliche Adern sind laut Hannah Kaplan, die auch bei Goddard tätig ist, bei Meteoriten zu sehen, aber sie reichen nur von Mikrometern bis zu Millimetern in Länge und Breite, während Bennus Adern 3 bis 15 Zentimeter breit und bis zu 1,5 Meter lang sind. „Die Adern auf Bennu sind daher viel größer als jene auf Meteoriten, die wir haben, sagte Kaplan.
Obwohl OSIRIS-REx in Nightingale, jener Region wo die Probenentnahme stattfinden soll, keine Felsbrocken mit Adern entdeckt hat, schließt dies laut Kaplan die Möglichkeit nicht aus, dass es da kleinere an Karbonat reiche Fragmente geben kann. Sie erwartet jedenfalls Hinweise auf Karbonaten in dem Material, das zur Erde gebracht wird.
Obwohl Bennu mehrere Zusammensetzung-Merkmale mit CM- und CI-Meteoriten teilt, stellten Kaplan und ihre Kollegen fest, dass sich das dominierende Material in den Frakturen von bekannten Meteoriten unterscheidet. Es ist möglich, dass ein Blick auf Bennu von weitem andere Merkmale zeigt als die, die in einzelnen Meteoriten erfasst wurden. Es ist ein Unterschied zwischen der Untersuchung eines Berges oder eines Felsens auf diesem Berg; Bennu ist der Berg, während Meteoriten eher wie einzelne Felsbrocken sind.
„Von einem einzigen Felsbrocken kann man viele Informationen bekommen – der Berg besteht größtenteils aus Granit und ist sehr alt – aber man könnte die Tatsache übersehen, dass auch Bäume in der Nähe sind“, sagte Kaplan.
Bennus Trümmerhaufenformation verleiht ihm eine spitze Form. Als sich das Material durch Gravitation zusammenballte, begann es szu rotieren. Der daraus resultierende Asteroid wölbte sich in der Mitte und wurde in Richtung der Pole schlanker. Bennu weist auf seiner Nordhalbkugel auch vier Hügelketten auf, die von Norden nach Süden verlaufen.
Neben der Kartierung der Oberfläche konnten die Wissenschaftler von OSIRIS-REx auch ein 3D-Modell von Bennu bis zu einer Auflösung von 20 cm erstellen. Es wurde festgestellt, dass sich zwei der vier Hügelketten durch den Äquator und in die hohen südlichen Breiten erstrecken und Teile aller vier Hügelketten im Süden vorhanden sind. In der südlichen Region bedeckt Material die Hügelketten und macht sie für das bloße Auge unsichtbar.
Die nördlichen und südlichen Regionen haben auch unterschiedliche Areale. Südlich des Äquators gibt es weiträumige dunklere Areale im Übergang zwischen der geneigten südlichen Kappe und der flacheren Äquatorregion. In den nördlichen Gegenden existieren weniger solcher Regionen und die meisten sind mit verstreutem Material verbunden, die als Steinschläge oder Felsstürze identifiziert wurden.
„Die Unterschiede, die wir zwischen der nördlichen und der südlichen Hemisphäre von Bennu festgestellt haben, deuten auf grundlegende Unterschiede, sowohl bei den Oberflächeneigenschaften als auch bei unterirdischen Strukturen hin“, schrieben die Autoren unter der Leitung von Michael Daly, einen Planetenwissenschaftler an der Universität York in Kanada, in ihrem Artikel.
Die verschwindenden Hügelketten könnten auf ein Rotationsversagen in Bennus Vergangenheit hinweisen. Als das sich drehende Material kollabierte, blieb das Material aus dem die Hügelketten bestanden im Wesentlichen ganz und zerbröckelte nicht. Ihr Bildung hätte zu topografischen Veränderungen geführt, welche die Störung weiter fortgesetzt hätten, als sich der Asteroid nach der Kollision oder später in seinem Leben wieder sammelte. Auf der südlichen Hemisphäre verhinderten große Felsbrocken, dass sich das Material ausbreitete. Auf der nördlichen Hemisphäre hingegen konnte sich das Material bewegen und Hügelketten freilegen.
Letztes Jahr gaben Forscher bekannt, dass Bennu Staub von seiner Oberfläche bläst. Unter der Leitung von Daniel Scheeres von der Universität von Colorado in Boulder, verwendeten die Forscher dieses weggeblasene Material und die Raumsonde selbst, um Bennus Schwerkraft zu messen. Durch die Modellierung, wie beide die Auswirkungen der Schwerkraft fühlen, konnten die Forscher indirekt das Innere des Asteroiden untersuchen. Der Staub und Schutt in der Umlaufbahn zeigte, dass Bennu eine Vielzahl an Materialien enthält, die unterschiedlich auf die in der Umlaufbahn befindlichen Teilchen wirken, je nachdem, wo sie sich über der Oberfläche des Asteroiden befinden. In den Regionen am Äquator und im Zentrum sind die Materialien weniger dicht als an den Polen.
Früher vermuteten Forscher, dass die äquatoriale Ausbuchtung das Ergebnis der Rotation sein könnte, wenn Material zum Äquator wandert und sich dort absetzt. Gravitationsbeobachtungen bestätigen, dass dies der Fall ist. Das ist auch ein Hinweis darauf, dass das wandernde Material poröser ist als dass sich dort befindende Material, was zu einer geringeren Dicht führt, selbst wenn sich mehr Material dort absetzt.
Das Zentrum des Asteroiden ist ebenfalls von geringer Dichte, und es wurde bereits vermutet, dass dies das Ergebnis seiner schnellen 4,3-stündigen Rotation ist. Durch den Vergleich der heutigen Rotationsrate mit der vorgeschlagenen Rotationsrate, die erforderlich wäre, um Bennu von einem Trümmerhaufen in einen Asteroiden umzuwandeln, stellten die Forscher fest, dass sich das Zentrum, das eine geringere Dicht als erwartet aufweist, möglicherweise früh im Leben des Asteroiden gebildet hat. Die Größe der Ausbuchtung und der weniger dichten Region, die beide mit einer Periode schneller Rotation übereinstimmen (als sich Bennu im Hauptasteroidengürtel befand), stehen im Gegensatz zum jüngeren Ursprung der äquatorialen Hügelketten.
„Die Massenverteilung von Bennu, basierend auf der Analyse des gemessenen Schwerefeldes, weist sowohl auf derzeit aktive Prozesse als auch auf ein Ereignis in der Vergangenheit hin“, schrieben Scheeres und seine Kollegen.