Es ist das erste Mal, dass Astronomen die Bewegung eines massiven, Jupiter-ähnlichen Planeten messen konnten, der sehr weit entfernt von seinen Zentralsternen und der sichtbaren Trümmerscheibe das Zentrum umkreist. Diese Scheibe ähnelt unserem Kuipergürtel, der aus kleinen eisigen Objekten jenseits der Neptunbahn besteht.
Das System, in dem sich dieser Gasriese befindet, ist nur 15 Millionen Jahre alt.
Eine extreme Umlaufbahn
Der Exoplanet mit geschätzten 11 Jupiter-Massen und der Bezeichnung HD 106906 b wurde bereits 2013 mit den Magellan-Teleskopen am Las Campanas-Observatorium in Chile entdeckt. Über seine Umlaufbahn wusste man jedoch nichts. Dazu benötigt man sehr genaue Messungen über die Bewegung des Objekts über eine lange Zeitspanne. Das Hubble Weltraumteleskop lieferte diese Daten. Die Astronomen analysierten Daten aus dem Hubble-Archiv über einen Zeitraum von 14 Jahren, die Beweise für die Bewegung des Planeten lieferten.
Der Exoplanet befindet sich extrem weit von seinen hellen und jungen Zentralsternen entfernt – mehr als das 730-fache der Entfernung Erde - Sonne bzw. 10,9 Milliarden Kilometer. Diese große Distanz machte es enorm schwierig, die 15.000 Jahre lange Umlaufbahn in einer so relativ kurzen Zeitspanne zu bestimmen. Der Planet bewegt sich aufgrund der schwachen Anziehungskraft seiner sehr entfernten Zentralsterne nur sehr langsam entlang seiner Umlaufbahn.
Das Team stellte überrascht fest, dass diese abgeschiedene Welt eine extreme Umlaufbahn hat, die gegenüber der Ebene des Doppelsternsystems geneigt und langgestreckt ist, sowie außerhalb der Trümmerscheibe liegt, welche die beiden Zentralsterne umgibt. Die Trümmerscheibe selbst sieht sehr ungewöhnlich aus, möglicherweise aufgrund von Gravitationseinflüssen des eigenwilligen Planeten.
Wie kam er dorthin?
Wie kam der Exoplanet zu einer so fernen und seltsam geneigten Umlaufbahn? Die vorherrschende Theorie ist, dass er sich viel näher an seinen Zentralsternen gebildet hat, ungefähr dreimal so weit wie die Erde von der Sonne entfernt ist. Durch den Widerstand beim Durchwandern der Gasscheibe musst der Planet nach innen in Richtung des Sternpaares wandern. Die Gravitationseffekte der wirbelnden Zwillingssterne warfen ihn dann auf eine exzentrische Umlaufbahn, die ihn fast aus dem System in die Leere des interstellaren Raums geworfen hat. Dann stabilisierte ein vorbeiziehender Stern von außerhalb des Systems die Umlaufbahn des Exoplaneten und verhinderte so, dass er sein Heimatsystem verlassen musste. So eine Plausibilitätserklärung seiner möglichen Geschichte.
Mit Hilfe präziser Entfernungs- und Bewegungsmessungen des Gaia-Vermessungssatelliten der Europäischen Weltraumorganisation wurden im Jahr 2019 tatsächlich solche vorbeiziehenden Sterne von Teammitgliedern identifiziert.
Eine chaotische Scheibe
In einer 2015 veröffentlichten Studie faden Kalas und sein Team, Indizien für einen Vorübergang auch in der Scheibe. Die Trümmerscheibe des Systems ist stark asymmetrisch und nicht kreisförmig. Eine Seite der Scheibe ist relativ zur gegenüberliegenden Seite abgeschnitten, und sie ist auch vertikal verformt.
„Die Idee ist, dass der Planet jedes Mal, wenn er dem Doppelstern am nächsten ist, das Material der Scheibe aufwirbelt“, erklärte De Rosa. „Jedes Mal, wenn der Planet nahe kommt, schneidet er die Scheibe ab und schiebt sie auf einer Seite nach oben. Dieses Szenario wurde mit Simulationen von diesem System mit einem Planeten auf einer ähnlichen Umlaufbahn getestet. Dies war, bevor die Umlaufbahn des Planeten bekannt war.“
Ein Stellvertreter für Planet Neun?
Nach der Neuklassifikation von Pluto als Zwergplanet gibt es 8 Planeten im Sonnensystem. Doch im äußeren Sonnensystem jenseits von Neptun finden sich Spuren eines hypothetischen neunten Planeten. Anders als bei der Auffindung von Neptun liefern die Bahnen der bekannten Planeten aber keine Hinweise zu seiner Auffindung. Aus den transneptunischen Spuren müssen deshalb Hinweise abgeleitet werden, die die Suche zumindest erleichtern. Mehrere Studien haben versucht zumindest die Bahnform und Ausrichtung des hypothetischen Planeten einzuschränken.
Zwergplaneten im Sonnensystem wie Pluto und Eris zeigen stark geneigte langgezogene Umlaufbahnen. Planeten des Sonnensystems bewegen sich auf sehr kreisähnlichen Bahnen.
Die Autoren geben mit dem Planeten und seiner neu bestimmten Bewegung nun ein Beispiel dafür, dass solche extreme Bahnen auch für Planeten in Frage kommen. Die Verbindung mit den anderen bekannten Eigenschaften des Systems und seiner Scheibe erlauben es vielleicht auch Hinweise für ähnliche Planeten unseres Sonnensystems abzuleiten.
Die Ergebnisse des Teams erschienen in der Ausgabe des Astronomical Journal vom 10. Dezember 2020.