Das der Stern Beteigeuze periodisch seine Helligkeit ändert, wurde bereits in den 1830er Jahren von John Herschel festgestellt. Heute wissen wir, dass sich der Stern in zwei Zyklen regelmäßig ausdehnt und zusammenzieht und dabei heller und dunkler wird. Im Oktober 2019 verdunkelte sich der Stern jedoch dramatisch und wurde noch schwächer. Bis Mitte Februar 2020 hatte der rote Überriese im Sternbild Orion mehr als zwei Drittel seiner Leuchtkraft verloren. Dieser plötzliche Helligkeitsverlust, der zuerst nur mit Teleskopen, später auch mit bloßem Auge von der Erde aus beobachtbar war, stellte die Astronomen vor ein Rätsel. Neue Beobachtungen des Hubble-Weltraumteleskops der NASA/ESA sowie des robotischen STELLA-Teleskops des Leibniz-Instituts für Astrophysik Potsdam (AIP) liefern nun eine mögliche Erklärung für das Phänomen.
Aufgrund neuer Hubble-Beobachtungsdaten, hat ein internationales Forscherteam jetzt eine Staubwolke als wahrscheinliche Ursache für die Verdunklung ausgemacht. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass der Stern eine ungeheure Menge heißes Plasma von der Sternoberfläche ausstieß, das in den Weltraum geschleudert wurde. Das Material kühlte ab und die so entstandene riesige Staubwolke blockierte das Licht von etwa einem Viertel der Sternoberfläche. Im April 2020 hatte Beteigeuze wieder seine normale Helligkeit erreicht.
Mehrere Monate von spektroskopischen Hubble-Beobachtungen im Ultraviolettlicht, die im Januar 2019 begannen, ergaben eine aufschlussreiche Zeitleiste, die wichtige neue Hinweise auf den Mechanismus hinter der Verdunkelung liefert. Hubble sah im September, Oktober und November 2019 dichtes, erhitztes Material, das sich durch die Atmosphäre des Sterns bewegte. Im Dezember beobachteten mehrere bodengebundene Teleskope, wie die Helligkeit des Sterns auf seiner Südhalbkugel abnahm.
"Mit Hubble sahen wir, wie das Material die sichtbare Oberfläche des Sterns verlässt und sich durch die Atmosphäre bewegt, bevor sich der Staub bildet, der den Stern zu verdunkeln scheint", sagt die leitende Forscherin Andrea Dupree, stellvertretende Direktorin des Zentrums für Astrophysik | Harvard & Smithsonian. "Wir konnten den Effekt einer dichten, heißen Region im südöstlichen Teil des Sterns sehen, die sich nach außen bewegt. Dieses Material war zwei- bis viermal heller als die normale Helligkeit des Sterns. Und dann, etwa einen Monat später, verdunkelte sich die Südhalbkugel von Beteigeuze auffallend, als der Stern schwächer wurde. Wir halten es für möglich, dass eine dunkle Wolke aus dem von Hubble entdeckten Ausstoß resultierte.“
Hubble-Spektren, die Anfang und Ende 2019 sowie im Jahr 2020 aufgenommen wurden, untersuchten die äußere Atmosphäre des Sterns durch Messung der Spektrallinien von ionisiertem Magnesium. Von September bis November 2019 haben die Forscher Material gemessen, das von der Oberfläche des Sterns in seine äußere Atmosphäre gelangt. Dieses heiße, dichte Material wurde über die sichtbare Oberfläche von Beteigeuze hinausgeschleudert. In dieser Entfernung - es sind Millionen Kilometer vom Stern - kühlte sich das Material genügend ab, um Staub zu bilden, sagten die Forscher.
Obwohl Dupree die Ursache des Ausbruchs nicht kennt, hält sie es für wahrscheinlich, dass der Ausbruch mit dem Pulsationszyklus des Sterns zusammenhängt und dadurch begünstigt wurde. Dieser setzte sich während des gesamten Ereignisses normal fort, wie Beobachtungen im sichtbaren Licht gezeigt haben.
Die Hubble-Beobachtungen wurden ergänzt, durch Geschwindigkeitsmessungen der äußeren Schichten von Beteigeuze mit dem STELLA-Teleskop des AIP auf Teneriffa. „STELLA beobachtete den Stern bereits seit 2006 praktisch in jeder klaren Nacht“, erklärt Klaus Strassmeier, Co-Autor der Studie und Direktor am AIP. Die Wissenschaftler setzten STELLA ein, um Veränderungen in der Geschwindigkeit des Plasmas auf der Sternoberfläche zu messen, während es im Laufe des Pulsationszyklus auf- und abstieg. Als das heiße Material aufstieg, dehnte sich der Stern in seinem Zyklus zur gleichen Zeit aus. Die Pulsation, die sich von Beteigeuze nach außen hin ausbreitete, hat möglicherweise dazu beigetragen, das ausströmende Plasma durch die Atmosphäre zu treiben.
„Hätte ein großer und sehr kühler Sternfleck die Verdunklung verursacht, wären die Geschwindigkeiten des Plasmas nicht der Pulsation, sondern der Rotation des Sterns gefolgt. Diese ist übrigens sehr langsam und beträgt viele Jahre. Sie hätte daher nicht zeigen können, was STELLA beobachtete, und schon gar nicht eine Umkehrung der Geschwindigkeit des Plasmas, als der Stern am schwächsten war“, schließt Strassmeier.
Dupree schätzt, dass in den drei Monaten des Ausbruchs etwa die zweifache der üblichen Menge an Material aus der südlichen Hemisphäre verloren ging. Beteigeuze verliert, wie alle Sterne, ständig an Masse, in diesem Fall erreichten die Spitzenwerte der Verlustraten das bis zu 30 Millionenfache der Sonne.
Da dieser Stern sein Leben in einer Supernova-Explosion beenden wird, glauben einige Astronomen, dass diese plötzliche Verdunklung einen Vorboten der Supernova darstellen könnte. Der Stern ist relativ nahe, etwa 725 Lichtjahre entfernt, so dass das Verdunklungsereignis nach Beteigeuze-Zeit um das Jahr 1300 stattgefunden hätte, da sein Licht die Erde erst jetzt erreicht.