Der Sturm, der breiter ist als der Atlantik, entstand auf der Nordhalbkugel des Planeten und wurde 2018 vom Hubble entdeckt. Beobachtungen ein Jahr später zeigten, dass er begann, nach Süden in Richtung Äquator zu driften wo solche Stürme aus dem Blickfeld verschwinden. Doch zur Überraschung der Beobachter entdeckte Hubble im August 2020, dass der Wirbel seine Richtung änderte und wieder zurück in den Norden zog. Obwohl Hubble in den letzten 30 Jahren ähnliche dunkle Flecken verfolgt hat, ist dieses unvorhersehbare atmosphärische Verhalten etwas Neues.
Nicht nur der Sturm war rätselhaft. Hubble entdeckte im Januar dieses Jahres einen weiteren, kleineren dunklen Fleck, der vorübergehend in der Nähe seines größeren Cousins auftauchte. Möglicherweise war er ein Teil des riesigen Wirbels der sich gelöst hatte, weg driftete und bei späteren Beobachtungen nicht mehr zu sehen war.
„Wir freuen uns über diese Beobachtungen, weil dieses kleinere dunkle Fragment möglicherweise Teil des Auflösungsprozesses des dunklen Flecks ist“, sagte Michel H. Wong von der Universität von Kalifornien in Berkeley. „Das ist ein Prozess, der noch nie beobachtet wurde. Wir haben einige andere dunkle Flecken verblassen und verschwinden gesehen, aber noch nie einen Zerfall, obwohl dies in Computersimulationen vorhergesagt wurde.“
Der große Sturm mit einem Durchmesser von 7403 Kilometern, ist der vierte dunkle Fleck, den Hubble seit 1993 auf Neptun beobachtet hat. Zwei weitere dunkle Stürme wurden 1989 von der Raumsonde Voyager 2 entdeckt, als sie nah an diesem fernen Planeten vorbeiflog, aber diese waren verschwunden, bevor Hubble sie beobachten konnte. Seitdem hat nur Hubble die Schärfe und Empfindlichkeit im sichtbaren Licht, um diese Merkmale verfolgen zu können, die nacheinander auftauchten und dann über einen Zeitraum von jeweils etwa zwei Jahren wieder verblassten. Hubble entdeckte diesen letzten Sturm im September 2018.
Tückisches Wetter
Die dunklen Wirbel auf Neptun sind Hochdrucksysteme, die sich in mittleren Breiten bilden und dann Richtung Äquator wandern können. Sie bleiben zunächst aufgrund der Coriolis-Kräfte stabil, die bewirken, dass Stürme auf der Nordhalbkugel aufgrund der Rotation des Planeten im Uhrzeigersinn drehen. (Diese Stürme unterscheiden sich von Hurrikans auf der Erde, die sich gegen den Uhrzeigersinn drehen, da es sich um Tiefdrucksysteme handelt.) Wenn jedoch ein Sturm in Richtung Äquator driftet, schwächt sich der Coriolis-Effekt ab und der Sturm löst sich auf. In Computersimulationen verschiedener Teams folgen diese Stürme einem mehr oder weniger geraden Weg zum Äquator, bis es keinen Coriolis-Effekt mehr gibt der sie zusammenhält. Im Gegensatz zu den Simulationen wanderte der jüngste Riesensturm nicht in die äquatoriale „Todes-Zone“.
Der kleine dunkle Fleck
Die Hubble Beobachtungen zeigten auch, dass die rätselhafte Umkehr des dunklen Wirbels zur gleichen Zeit stattfand, als ein neuer Fleck erschien, der informell „dark spot jr“ genannt wurde. Der neueste Fleck war etwas kleiner als sein Cousin, er hatte einen Durchmesser von etwa 6276 Kilometern. Er befand sich in der Nähe der Seite des dunklen Hauptflecks, die dem Äquator zugewandt ist – jener Ort, an dem einigen Simulationen zufolge eine Störung auftreten würde.
Allerdings war der Zeitpunkt des Auftauchens des kleineren Flecks ungewöhnlich. Als der kleinere Fleck zum ersten Mal zu sehen war, dachten die Astronomen, dass der größere sich geteilt hat. Sie glaubten nicht, dass sich ein weiterer Wirbel gebildet hatte, weil der kleine weiter in Richtung Äquator lag. Er befand sich also in dieser instabilen Region. Aber die Forscher können nicht beweisen, dass die beiden Wirbel zusammenhängen. Es bleibt ein völliges Rätsel.
„Es war auch im Januar, als der dunkle Wirbel seine Bewegung stoppte und sich wieder Richtung Norden bewegte“, sagte Wong. „Vielleicht verhinderte die Ablösung des Fragments, sich weiter in Richtung Äquator zu bewegen.“
Die Forscher analysieren weiterhin Daten um festzustellen, ob Reste des kleinen Flecks bis zum Ende des Jahres 2020 bestehen blieben.
Dunkle Stürme geben immer noch Rätsel auf
Es ist immer noch ein Rätsel, wie diese Stürme entstehen, aber dieser neueste riesige dunkle Wirbel ist der bisher am besten untersuchte. Das dunkle Erscheinungsbild des Sturms könnte auf eine hohe dunkle Wolkenschicht zurückzuführen sein und könnte den Astronomen etwas über die vertikale Struktur des Sturms verraten.
Ein weiteres ungewöhnliches Merkmal des dunklen Flecks ist das Fehlen heller Begleitwolken um ihn herum, die auf Hubble-Bildern zu sehen waren als der Wirbel 2018 entdeckt wurde. Anscheinend verschwanden die Wolken, als der Wirbel seine Reise nach Süden stoppte. Die hellen Wolken bilden sich, wenn der Luftstrom gestört und über den Wirbel nach oben abgelenkt wird, wodurch vermutlich Gase zu Eiskristallen aus Methan gefrieren. Das Fehlen der Wolken könnte Informationen darüber liefern, wie sich die Flecken entwickeln, sagen die Forscher.
Wetteraugen auf den äußeren Planeten
Hubble hat viele von den dunklen Flecken im Rahmen des OPAL-Programms (Outer Planet Atmospheres Legacy) aufgenommen, einem langfristigen Hubble-Projekt unter der Leitung von Amy Simon vom Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland, das jährlich globale Karten von den äußeren Planeten unseres Sonnensystems erstellt, wenn sie bei ihrem Umlauf um die Sonne der Erde am nächsten sind.
Die Hauptziele von OPAL sind Untersuchungen langfristiger saisonaler Veränderungen sowie die Erfassung vergleichsweise vorübergehender Ereignisse wie das Auftreten dunkler Flecken auf Neptun oder möglicherweise auch auf Uranus. Diese dunklen Stürme können so flüchtig sein, dass in der Vergangenheit einige von ihnen, während mehrjähriger Lücken in den Hubble-Neptunbeobachtungen, aufgetaucht und wieder verblasst sein könnten. Das OPAL-Programm stellt sicher, dass die Astronomen keinen weiteren verpassen.
„Ohne Hubble würden wir nichts über diesen neuesten dunklen Fleck wissen“, sagte Simon. „Wir können jetzt den Sturm jahrelang verfolgen und seinen gesamten Lebenszyklus beobachten. Wenn wir Hubble nicht hätten, dann würden wie vielleicht denken, dass der Große Dunkle Fleck, den Voyager 1989 gesehen hat, immer noch auf Neptun vorhanden ist, genau so wie Jupiters Großer Roter Fleck. Und wir hätten auch nichts über die vier anderen Flecken gewusst, die Hubble entdeckt hat.“ Wong hat die Ergebnisse des Teams am 15. Dezember auf der Herbsttagung der American Geophysical Union vorgestellt.
Das Hubble-Weltraumteleskop ist ein Projekt der internationalen Zusammenarbeit zwischen der NASA und der ESA.