Wissenschaftler fanden einen Staubring in der Umlaufbahn des Merkur und mögliche Hinweise auf eine bisher unentdeckte Asteroiden-Population in einer koorbitalen Umlaufbahn mit Venus.
So wie sich Staub in Ecken und entlang von Bücherregalen ansammelt, sammelt sich Staub auch im Weltraum. Dort sammelt sich jedoch der Staub oft in Form von Ringen. Mehrere Staubringe umkreisen die Sonne, und diese Ringe folgen oft den Umlaufbahnen der Planeten, deren Schwerkraft den Staub anzieht, während er auf dem Weg ins Zentrum des Sonnensystems ist.
Der Staub besteht aus zerkleinerten Überresten aus der Entstehung des Sonnensystems vor etwa 4,6 Milliarden Jahren – Trümmern von Asteroiden-Kollisionen oder Teilchen von ausgasenden Kometen. Staub ist im gesamten Sonnensystem verteilt, sammelt sich jedoch an grobkörnigen Ringen in den Umlaufbahnen von Erde und Venus, Ringen, die mit Teleskopen von der Erde aus zu sehen sind. Durch die Untersuchung dieses Staubs – woraus er besteht, woher er kommt und wie er sich durch den Raum bewegt – suchen Wissenschaftler nach Hinweisen auf die Entstehung der Planeten und die Zusammensetzung von allem, was wir im Sonnensystem sehen.
Zwei aktuelle Studien berichten über neue Entdeckungen von Staubringen im inneren Sonnensystem. Eine Studie verwendete NASA-Daten, um Beweise für einen Staubring um die Sonne in der Umlaufbahn Merkurs zu ermitteln. Eine zweite Studie der NASA meint die wahrscheinliche Quelle des Staubrings in der Umlaufbahn von Venus identifiziert zu haben; einer Gruppe von bisher unentdeckt gebliebenen Asteroiden die nahe an der Venusbahn die Sonne umkreisen.
Ein weiterer Ring um die Sonne
Guillermo Stenborg und Russel Howard, beide Sonnenforscher am Naval Research Laboratory in Washington, DC, wollten eigentlich keinen Staubring finden. „Wir haben ihn zufällig entdeckt“, sagte Stenborg lachend. Die Wissenschaftler fassten ihre Ergebnisse in einem Artikel zusammen, der am 21. November 2018 in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wurde.
Sie beschreiben die Hinweise für einen feinen Schleier aus kosmischem Staub, der einen etwa knapp 15 Millionen Kilometer weiten Ring um die Umlaufbahn von Merkur bildet, der etwa 4,850 Kilometer breit ist.
Ironischerweise stießen die beiden Wissenschaftler auf den Staubring, während sie nach Hinweisen auf eine staubfreie Region in der Nähe der Sonne suchten. Die mächtige Hitze der Sonne sollte nach einer jahrzehntealten Vorhersage in bestimmten Entfernungen den Staub verdampfen und dabei den gesamten Raum „reinigen“. Wenn sie wüssten, wo diese Grenze liegt, könnten Wissenschaftler die Zusammensetzung des Staubs und die Entstehung von Planeten im jungen Sonnensystem vielleicht besser erklären.
Bisher wurde aber kein Beweis für einen staubfreien Raum gefunden. Dies liegt aber zum Teil daran, dass es schwierig wäre, ihn von der Erde aus zu erkennen. Ganz gleich, wie die Forscher von der Erde aus beobachten, der gesamte Staub zwischen uns und der Sonne steht im Weg und brachte sie auf die Idee, dass der Weltraum in der Nähe der Sonne staubiger ist, als er es tatsächlich ist.
Stenborg und Howard dachten, dass sie dieses Problem umgehen könnten wenn sie ein Modell erstellen, das auf Bildern des Satelliten STEREO – kurz für Solar and Terrestrial Relations Observatory – basiert.
Letztendlich wollten die beiden Forscher ihr neues Modell in Vorbereitung auf die Parker Solar Probe der NASA testen, die derzeit eine hoch elliptische Umlaufbahn um die Sonne fliegt und in den nächsten sieben Jahren immer näher an den Zentralstern heran fliegt. Sie wollten ihre Technik auf die Bilder anwenden, die Parker zur Erde senden wird und sehen, wie sich der Staub in der Nähe der Sonne verhält.
Wissenschaftler haben noch nie mit Daten gearbeitet, die so nahe der Sonne gesammelt wurden. Die Modelle von Stenborg und Howard liefern einen entscheidenden Kontext, um die Beobachtungen der Parker Solar Probe zu verstehen und Hinweise zu erhalten, in welcher Weltraumumgebung sich die Sonde befindet - in einer blitzblanken oder rußigen.
Auf STEREO-Bildern tauchen zwei Arten von Licht auf: Licht von der leuchtenden äußeren Atmosphäre der Sonne – der Korona und Licht, das von all dem Staub reflektiert wird, der durch den Weltraum schwebt. Das Sonnenlicht, dass von dem Staub reflektiert wird der langsam die Sonne umkreist, ist etwa 100 Mal heller als koronales Licht.
„Wir sind nicht wirklich „Staub-Menschen“, sagte Howard, der auch der leitende Wissenschaftler für die Kameras von STEREO und Parker Solar Probe ist, welche die Korona fotografieren. „Der Staub in der Nähe der Sonne zeigt sich deutlich auf den Aufnahmen und im allgemeinen haben wir diese weggeworfen. Sonnenwissenschaftler wie Howard, welche die Sonne untersuchen um beispielsweise das bevorstehende Weltraumwetter vorhersagen, einschließlich gigantischer Explosionen von Sonnenmaterial, welches die Sonne manchmal in unsere Richtung sendet, haben jahrelang Techniken entwickelt, um die Effekte dieses Staubes zu beseitigen. Erst wenn die Verschmutzung durch den Staub entfernt wurde, konnten sie klar erkennen was die Korona macht.
Die beiden Wissenschaftler bauten ihr Modell auch für andere, um den lästigen Staub auf STEREO- und Parker Solar Probe-Bildern zu beseitigen, aber die Vorhersage von staubfreiem Raum blieb in ihrem Hinterkopf. Wenn sie eine Möglichkeit finden würden, die beiden Arten von Licht zu trennen und den Staub zu isolieren, könnten sie herausfinden, wie viel Staub wirklich vorhanden ist. Die Feststellung, dass das gesamte Licht auf einem Bild nur von der Korona stammt, könnte darauf hindeuten, dass sie endlich staubfreiem Raum gefunden haben.
Merkurs Staubring war ein Glücksfund, eine Entdeckung, die Stenborg und Howard während der Arbeit an ihrem Modell gemacht hatten. Als sie ihre neue Technik auf die STEREO-Bilder anwendeten, bemerkten sie ein Muster mit erhöhter Helligkeit entlang der Umlaufbahn von Merkur – also mehr Staub – auf den Bildern, die sie sonst weggeworfen hätten.
„Es war keine isolierte Sache“, sagte Howard. „Überall um die Sonne herum, unabhängig von der Position der Raumsonde, war die Staubhelligkeit oder -dichte um fünf Prozent erhöht. Das besagte, dass etwas da war, das sich rund um die Sonne erstreckt.“
Wissenschaftler hätten nie gedacht, dass es einen Ring entlang der Umlaufbahn von Merkur geben könnte, weshalb er bis jetzt unentdeckt geblieben ist, sagte Stenborg. „Die Forscher dachten, dass Merkur im Gegensatz zur Erde oder Venus zu klein und zu nahe an der Sonne sei, um einen Staubring einzufangen“, sagte er. „Sie erwarteten, dass der Sonnenwind und die Magnetkräfte der Sonne überschüssigen Staub aus der Umlaufbahn von Merkur blasen würden.“
Trotz der unerwarteten Entdeckung mit dem empfindlichen neuen Werkzeug in ihrer Tasche sind die Forscher immer noch an der staubfreien Zone interessiert. Während die Parker Solar Probe die Erforschung der Korona fortsetzt, kann ihr Modell anderen helfen, Staub zu entdecken der sich in der Nähe der Sonne befindet.
Eine bisher unentdeckte Asteroiden-Gruppe?
Es ist nicht das erste Mal, dass Wissenschaftler einen Staubring im inneren Sonnensystem gefunden haben. Vor 25 Jahren entdeckten Forscher, dass die Erde die Sonne mit einem riesigen Staubring umkreist. Andere entdeckten einen ähnlichen Ring in der Nähe der Venus-Umlaufbahn, als sie 2007 Archivdaten der deutsch-amerikanischen Helios-Raumsonden verwendeten, der dann im Jahr 2013 mit STEREO-Daten bestätigt wurde.
Seitdem haben Wissenschaftler festgestellt, dass der Staubring im Erdorbit größtenteils aus dem Asteroidengürtel stammt, in dem die meisten Asteroiden des Sonnensystems zu finden sind. Diese felsigen Objekte prallen ständig aufeinander und produzieren Staub, der von der Schwerkraft der Sonne angezogen wird, es sei denn, die Schwerkraft der Erde zieht den Staub in die Erdumlaufbahn.
Zuerst schien es wahrscheinlich zu sein, dass der Staubring der Venus sich wie der Staubring der Erde aus jenem Staub gebildet hat, der an anderer Stelle im Sonnensystem erzeugt worden ist. Aber als Goddards Astrophysiker Petr Pokorny den Staub modellierte, der sich vom Asteroidengürtel Richtung Sonne bewegt, erzeugte seine Simulation einen Ring, der den Beobachtungen des Erdrings entsprach – aber nicht den der Venus.
Aufgrund dieser Diskrepanz fragte er sich, wenn der Staub nicht aus dem Asteroidengürtel stammt, woher kommt dann der Staub in der Venus-Umlaufbahn? Nach einer Reihe von Simulationen basierend auf denkbaren Szenarien die aber alle nicht funktionierten, entschieden Pokorny und sein Forschungspartner Marc Kuchner, ihre eigene Staubquelle zu modellieren. Aufgrund dieser Simulationen kamen sie letztlich zu dem Schluss, dass der Staub von einer Gruppe noch unentdeckter Asteroiden stammen müsste, welche die Sonne auf der Venusbahn umkreisen. Sie publizierten ihre Arbeit am 12. März 2019 in The Astrophysical Journal Letters.
„Ich denke, das aufregendste an diesem Ergebnis ist, dass es auf eine neue Population von Asteroiden hindeutet, die wahrscheinlich Anhaltspunkte liefern könnten, wie sich das Sonnensystem gebildet hat“, sagte Kuchner. Wenn Pokorny und Kuchner sie beobachten könnten, dann könnte diese Asteroidenfamilie Licht auf die frühe Geschichte der Erde und der Venus werfen. Mit den richtigen Werkzeugen könnten die Asteroiden auch Hinweise auf die chemische Vielfalt des Sonnensystems liefern.
Da der Venus-Staubring über eine größere Umlaufbahn verteilt ist, ist er wesentlich größer als der neu entdeckte Ring bei Merkur. Er ist ungefähr 25,6 Millionen Kilometer weit und 9,6 Millionen Kilometer breit und mit Staub übersät, dessen größte Körner ungefähr die Größe von jenen in grobem Sandpapier haben. Der Ring ist etwa 10 Prozent dichter als der ihn umgebende Raum. Trotzdem ist er diffus – wenn man den gesamten Staub im Ring zusammen packen würde, bekäme man einen Asteroiden mit einem Durchmesser von etwa 3 Kilometern.
Mit einem Dutzend verschiedener Modellierung-Werkzeuge, modellierte Pokorny alle Staubquellen die ihm einfielen und suchte nach einem Venusring, der den Beobachtungen entspricht. In der Liste jener Quellen die er ausprobiert hatte, finden sich alle kleinen Objekte im Sonnensystem: Hauptgürtelasteroiden, Oort-Cloud-Kometen, Halley-Typ-Kometen, Jupiter-Kometen und jüngste Kollisionen im Asteroidengürtel.
„Aber keiner von ihnen hat funktioniert“, sagte Kuchner. „Also haben wir angefangen, unsere eigenen Staubquellen aufzubauen.“
Vielleicht, so dachten die beiden Wissenschaftler, kam der Staub von Asteroiden, die viel näher an der Venus sind als der Asteroidengürtel. Es könnte eine Gruppe von Asteroiden geben, welche die Sonne mit Venus umkreisen, bleiben aber weit weg vom Planeten, oft auf der anderen Seite der Sonne. Eine solche Gruppe von Asteroiden in der Venus-Umlaufbahn hätte bis jetzt unentdeckt bleiben können, da es schwierig ist, erdgebundene Teleskope in diese Richtung zu drehen, so nahe an die Sonne.
Koorbitale Asteroiden sind ein Beispiel für das, was als Resonanz bezeichnet wird, ein Umlaufbahn-Muster, das verschiedene Umlaufbahnen miteinander verbindet, je nachdem, wie sich ihre Gravitationseinflüsse treffen. Pokorny und Kuchner modellierten unterschiedliche Gruppen von Asteroiden mit verschiedenen Resonanzen: Die einzige Gruppe die Sinn machte war jene Gruppe mit einer 1:1 Resonanz. Das heißt, Venus und potenzielle Asteroiden teilen sich die Umlaufbahn und haben die gleich Umlaufzeit um die Sonne.
Nachdem sie eine hypothetische Lösung gefunden hatten die funktionierte, konnten es die Forscher nicht dabei belassen. „Wir waren der Meinung, dass wir diese Asteroidenpopulation entdeckt haben, mussten es aber beweisen, sagte Prokorny.
Sie mussten zeigen, dass die Existenz dieser Asteroiden im Sonnensystem Sinn macht. Es wäre unwahrscheinlich, dass Asteroiden in diesen speziellen, kreisförmigen Umlaufbahnen in der Nähe der Venus von anderen Orten, wie dem Asteroidengürtel, kamen. Ihre Hypothese wäre schlüssiger, wenn die Asteroiden seit Beginn des Sonnensystems dort gewesen wären.
Die Wissenschaftler erstellten ein weiteres Modell, diesmal mit einer Anzahl von 10.000 Asteroiden in der Nähe der Venus-Umlaufbahn. Dann ließen sie die Simulation durch die 4,5 Milliarden Jahre lange Geschichte des Sonnensystems laufen, wobei die Gravitationseffekte aller Planeten berücksichtigt wurden. Als das Modell die Gegenwart erreichte, hatten etwa 800 von den 10.000 Asteroiden den Test überlebt.
Pokorny hält dies für eine optimistische Überlebensrate. Es deutet einiges darauf hin, dass sich Asteroiden in der Nähe der Venus-Umlaufbahn im Chaos des frühen Sonnensystems gebildet haben könnten und dass es heute noch einige davon gibt, die den Staubring in der Nähe speisen.
Der nächste Schritt ist zu versuchen, diese schwer fassbaren Asteroiden zu entdecken. „Wenn es welche gibt, sollte es möglich sein sie zu finden“, sagte Pokorny. Ihre Existenz könnte mit dem Hubble Weltraumteleskop oder vielleicht mit STEREO-Bildern nachgewiesen werden. Dann könnten die Wissenschaftler weitere Fragen beantworten: Wie viele davon gibt es und wie groß sind sie? Verlieren sie ständig Staub oder gab es nur ein Zerfalls-Ereignis?
Staubringe um andere Sterne
Die Staubringe von Merkur und Venus sind uns relativ nahe, aber Wissenschaftler haben viele Staubringe bei fernen Sternsystemen entdeckt. Große Staubringe sind leichter zu erkennen als Exoplaneten und könnten dazu verwendet werden, um auf das Vorhandensein sonst verborgener Planeten und sogar auf deren Umlaufbahnen zu schließen.
Die Interpretation extrasolarer Staubringe ist jedoch nicht einfach. „Um Staubringe um andere Sterne zu modellieren und genau interpretieren zu können, müssen wir zunächst die Physik des Staubes in unserem eigenen Sonnensystem verstehen“, sagte Kuchner. Durch die Untersuchung benachbarter Staubringe um Merkur, Venus und Erde, wo der Staub die dauerhaften Auswirkungen der Schwerkraft im Sonnensystem nachzeichnet, könnten Wissenschaftler helfen, Techniken entwickeln, um die Staubringe in der Nähe und in der Ferne besser interpretieren zu können.
→ Evidence for a Circumsolar Dust Ring Near Mercury's Orbit
→ Co-orbital Asteroids as the Source of Venus's Zodiacal Dust Ring