Mit Hilfe von Daten des ESA-Satelliten Gaia haben deutsche Astronomen einen neuen offenen Sternhaufen in der Milchstraße entdeckt. Der neu gefundene Cluster mit der Bezeichnung Gaia 8 besteht aus etwa 100 Sternen, zu denen höchstwahrscheinlich auch den Veränderlichen Beta Lyrae gehört. Die Entdeckung wurde am 10. September in einem Artikel auf dem arXiv-Pre-Pint-Server veröffentlicht. → Gaia 8: Discovery of a star cluster containing beta Lyraeand of a larger old (extinct) star formation complex surrounding it.
Offene Haufen, die aus der gleichen riesigen Molekülwolke gebildet werden, sind Gruppen von Sternen, die durch Gravitation lose aneinander gebunden sind. Bisher wurden mehr als 1000 von diesen Haufen in der Milchstraße entdeckt, und Wissenschaftler suchen immer noch nach weiteren. Die Erweiterung der Liste bekannter offener Haufen in der Galaxis könnte für ein besseres Verständnis über die Entstehung und Entwicklung der Milchstraße von entscheidender Bedeutung sein.
Vor kurzem berichtete Ulrich Bastian von der Universität Heidelberg über die Entdeckung eines neuen offenen Haufens in der Milchstraße. Basierend auf den Daten von Gaia Data Release 2 (DR2) identifizierte er Dutzende von Sternen um Beta Lyrae, die wahrscheinlich mit dem Veränderlichen gravitativ verbunden sind.
„Die Überprüfung der relevanten Daten in DR2 ergab überraschenderweise einen offenen Sternhaufen mit etwa 100 Mitgliedern, zu denen β Lyrae offensichtlich gehört“, schrieb Bastian in seinem Artikel.
Laut der Studie enthält Gaia 8 etwa 100 Sterne und ist auf Beta Lyrae zentriert. Die Ergebnisse legen nahe, dass der neuentdeckte Cluster zu einem größeren alten Sternentstehungskomplex gehört. Dieser Komplex umfasst höchstwahrscheinlich zwei bereits bekannte Sternhaufen (ASCC 100 und Stephenson 1) und ein ausgedehntes Streufeld von Sternen.
Bastian geht davon aus, dass β Lyrae ein Mitglied von Gaia 8 ist, da einige Ergebnisse diese Annahme zu bestätigen scheinen. Zum Beispiel ist der Cluster perfekt auf β Lyrae zentriert, was darauf hindeutet, dass er das bei weitem massereichste Mitglied dieses Haufens ist. Darüber hinaus stimmt die Eigenbewegung von Gaia 8 voll und ganz mit der Bewegung von β Lyrae überein, deren Daten vom ESA-Satelliten Hipparcos stammen und die mittlere Parallaxe der Kandidatenmitglieder entspricht praktisch dem Hipparcos-Wert für diesen Veränderlichen.
β Lyrae selbst ist ein interessantes Ziel für Beobachtungen, da er helfen könnte einige astrophysikalischen Rätsel zu lösen. Das System ist der Prototyp eines Bedeckungs-Veränderlichen, dessen Lichtkurve sich kontinuierlich ändert. Die kontinuierliche Änderung der Helligkeit ist eine Folge des geringen Abstands in einem engen Doppelsternsystem, bei dem Gezeitenkräfte die Sterne verformen und es zu einem Massentransfer und gelegentlich auch zu einer Akkretionsscheibe um den Masse empfangenden Begleiter kommt.
Studien, wie die von Bastian, könnten die Natur von β Lyrae und anderen Objekten dieser Art näher beleuchten. Eine weitere Untersuchung des Gaia 8-Clusters könnte ebenfalls hilfreich sein, um das Wissen über solche Veränderlichen zu erweitern.
„Die wissenschaftliche Motivation für genauere Untersuchungen wird durch das astrophysikalische Interesse an β Lyrae selbst gegeben sein. Die Verwendung präziser Mehrfarben-Photometrie in Kombination mit hochwertiger Spektroskopie an einer kleinen Anzahl heller Einzelsterne im Haufen, oder Asteroseismologie von nur einem oder zwei hellen Mitgliedern könnten solide Schätzungen über das Alters und die Metallizität des Clusters liefern, was wiederum eine sehr nützliche Hilfe für eine verbesserte astrophysikalische Interpretation von β Lyrae und ähnlicher Veränderlicher sein könnte," schloss Bastian.