Unmittelbar nach der Entstehung der Planeten vor mehr als 4,5 Milliarden Jahren war unsere kosmische Nachbarschaft ein chaotischer Ort. In großer Anzahl strömten Kometen, Asteroiden und sogar Protoplaneten auf das innere Sonnensystem zu und einige stürzten auf ihrem Weg in die Erde. Diese Einschläge waren so heftig, dass sie die Gesteine der Planetenoberfläche zum Schmelzen brachten.
Jetzt hat ein Team unter der Leitung des Geologen Stephen Mojzsis von der Universität von Colorado in Boulder einen neuen Zeitplan für diese Periode in der Geschichte unseres Planeten aufgestellt.
In einer vor kurzem veröffentlichten Studie beschäftigten sich die Forscher mit dem Phänomen der „Riesenplanetenmigration“. Gemeint ist das Stadium in der Entwicklung des Sonnensystems, in welchem sich die größten Planeten aus noch ungeklärten Gründen von der Sonne zu entfernen begannen. Basierend auf den Daten von Asteroidenmeteoriten und neuen dynamischen Computermodellen schätzt die Gruppe, dass dieses das Sonnensystem verändernde Ereignis vor 4,48 Milliarden Jahren stattfand – viel früher, als einige Wissenschaftler zuvor vorgeschlagen hatten.
Die Ergebnisse, so meint Mojzsis, könnten Wissenschaftlern wertvolle Hinweise geben, wann Leben auf der Erde entstanden sein könnte.
„Wir wissen, dass die Migration von Riesenplaneten stattgefunden haben muss, um die aktuelle Struktur der Umlaufbahnen des äußeren Sonnensystems erklären zu können“, sagte Mojzsis, Professor am Institut für geologische Wissenschaften. „Aber bis zu dieser Studie wusste niemand, wann es passiert ist.“
Imbrium-Becken
Dies ist eine Debatte, die zumindest teilweise ihren Ursprung im Apollo-Weltraumprogramm hat.
Als die Astronauten Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre auf der der Erde zugewandten Seite des Mondes landeten, sammelten sie viele Steine. Aber diese geologischen Proben waren rätselhaft: Viele schienen nicht älter als 3,9 Milliarden Jahre alt zu sein, hunderte Millionen Jahre jünger als der Mond.
Um die scheinbar anachronistischen Zeiten für die Gesteine zu erklären, schlugen einige Forscher vor, dass unser Mond – und die Erde – zu jener Zeit von einer großen Anzahl von Kometen und Asteroiden getroffen wurden. Sie nannten diesen Anstieg von Einschlägen passenderweise die „späte Mondkatastrophe“.
Es gab nur ein Problem mit dieser Theorie, fügte Mojzsis hinzu. Als Wissenschaftler die Muster der Krater auf dem Mond, dem Mars und dem Merkur untersuchten, konnten sie keine Beweise für einen solchen Anstieg finden.
Es stellte sich heraus, dass jener Teil des Mondes, auf dem die Astronauten landeten, sehr ungewöhnlich ist“, sagte Mojzsis. Diese Region wurde von einem großen Impakt heimgesucht, der das Imbrium-Becken verursachte, welches etwa 3,9 Milliarden Jahre alt ist und von dem fast alle Proben stammen, welche die Astronauten gesammelt haben.
Aus diesem Grund beschlossen die Forscher, sich andere Daten zu holen und haben das Alter von auf die Erde gestürzten Meteoriten in einer umfassenden Datenbank zusammengestellt.
„Die Oberflächen der inneren Planeten wurden bis vor etwa 4 Milliarden Jahren sowohl durch Einschläge als auch durch lokale Ereignisse extensiv umgearbeitet“, sagte der Co-Autor der Studie, Ramon Brasser, vom Earth-Life Science Institut in Tokio. „Das gleiche gilt aber nicht für die Asteroiden, ihre Geschichte reicht noch viel weiter zurück.“ Das Team entdeckte, dass sie, egal wie viel sie auch suchten, keinen einzigen Meteoriten oder Klumpen aus Planetengestein finden konnten, der ein katastrophales Bombardement-Ereignis erkennen ließ, das jünger als etwa 4,5 Milliarden Jahre war. „Die 3,9 Milliarden Jahre, welche die Mondproben dominierten, waren bei den Meteoriten nirgends zu sehen“, sagte Brasser.
Das Team fand dafür nur eine Erklärung: Das Sonnensystem muss kurz vor diesem "Stichtag" einem schweren Bombardement ausgesetzt gewesen sein. Mojzsis erklärte, dass die Mondproben zwar nur 3,9 Milliarden Jahre alt zu sein schienen, ihr radioaktives Alter jedoch höchstwahrscheinlich "zurückgesetzt" wurde. Dies sei wahrscheinlich auf ein Schmelzen zurückzuführen, das durch einen schweren Einschlag verursacht wurde, der ungefähr zur gleichen Zeit wie die Migration stattgefunden haben muss, so Mojzsis.
Planeten in Bewegung
Mojzsis und seine Kollegen glauben, dass die Migration von Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun die schweren Einschläge verursachte.
Er erklärte, dass diese Riesenplaneten wahrscheinlich viel enger beisammen waren als heute. Mit Hilfe von Computersimulationen konnte sein Team nachweisen, dass diese Objekte vor etwa 4,48 Milliarden Jahren begannen, sich an ihre gegenwärtigen Orte zu begeben. Dabei wurden Trümmer in ihrem „Kielwasser“ zerstreut und ein Teil davon landete auf der Erde und den damals noch jungen Mond.
„Die Bombardement-Geschichte des Sonnensystems begann mit den Kometen, die in das innere Sonnensystem eindrangen. Dabei haben sie das Alter der Erd- Mond- und Marskruste zurückgesetzt“, sagte Mojzsis. Die nächste Welle bestand aus Planetesimalen, die von der Bildung der inneren Planeten übrig geblieben waren. Die letzte Gruppe die ankam, waren die Asteroiden, die heute immer noch auf uns zukommen.“
Die Ergebnisse, fügte er hinzu, öffnen eine neue Möglichkeit für die Entwicklung des Lebens auf der Erde. Aufgrund der Ergebnisse des Teams war unser Planet möglicherweise bereits vor 4,4 Milliarden Jahren ruhig genug, um lebende Organismen zu unterstützen. Die ältesten bekannten fossilen Formen sind heute nur 3,5 Milliarden Jahre alt.
„Die einzige Möglichkeit, die Erde vollständig zu sterilisieren bestünde darin, die komplette Kruste auf einmal zu schmelzen,“ sagte Mojzsis. Wir haben gezeigt, dass dies seit Beginn der Migration der Riesenplaneten nicht mehr passiert ist.“