Der Gasriese Neptun ist weiter entfernt als Uranus, dennoch sind sich ihre Oberflächentemperaturen bemerkenswert ähnlich.
Als die Raumsonde Voyager 2 Neptun im Jahr 1989 erreichte, nur 12 Jahre nachdem sie ihre historische Reise durch das Sonnensystem begann, entdeckte die Sonde sechs neue Monde, machte die ersten Bilder von den Planetenringen und bemerkte einen besonders heftigen Sturm.
Der Sturm war eine Überraschung. Auf der südlichen Hemisphäre herrschte ein Wirbelwind gegen den Uhrzeigersinn von bis zu 2414 km/h – der stärkste der jemals gemessen wurde. Die Astronomen nannten ihn den Großen Dunklen Fleck, der mit der Zeit wieder verschwand. Als fünf Jahre später Astronomen mit dem Hubble Weltraumteleskop den Planeten beobachteten, wollten sie unbedingt wissen, warum diese Winde so extrem sind.
Sie waren auch über ein anderes Problem perplex: Voyager 2 deckte auf, dass Neptun wärmer ist als Uranus, obwohl er weiter von der Sonne entfernt ist. Wie der Physiker Brian Cox in seiner BBC-Dokumentation „Die Planeten“ ausführte: „Die Quelle dieser zusätzlichen Wärme ist ein Rätsel. Aber bedeutet dies, dass wir ein doppeltes Rätsel haben und kann das eine Rätsel helfen, das andere Rätsel auf irgendeine Weise zu erklären?
Bevor wir uns diesen beiden Fragen zuwenden, müssen wir uns zunächst ansehen, was unter „wärmer“ zu verstehen ist. Da Neptun ein Gasriese ist, können wir die globale Durchschnittstemperatur auf Bodenniveau nicht so testen, wie wir es auf der festen Erdoberfläche können. Da Neptuns Kern vermutlich klein ist, müssen Temperaturmessungen in großer Höhe durchgeführt werden. Das Problem ist, in welcher Höhe?
Das Problem mit der Temperatur
„Wir können die Temperatur nur in den äußersten Schichten messen“ sagte Michael Wong, ein Planetenwissenschaftler an der Universität von Kalifornien in Berkeley. Dabei stellten wir fest, dass Neptun nicht wirklich wärmer ist als Uranus – beide Planeten haben im wesentlichen die gleiche Temperatur. Da Neptun jedoch weniger Sonnenlicht bekommt da er weiter von der Sonne entfernt ist, sollte dies nicht der Fall sein.
Was diese Ähnlichkeit in der Temperatur nahe legt ist, dass Neptun mehr Wärme in Bezug auf die Wärmeabgabe hat im Vergleich zu der Wärmemenge die er von der Sonne absorbiert. „Die Messungen von der Raumsonde Voyager 2 zeigten, dass Neptun mehr als doppelt soviel Wärme abgibt, als er von der Sonne absorbiert, während Uranus dies nicht tut“, sagte Anthony Del Genio vom Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA. Und hier werden die Dinge unglaublich faszinierend.
Das liegt daran, dass Neptun in diesem Fall nicht ungewöhnlich ist. Auch Jupiter und Saturn emittieren fast doppelt soviel Wärme als sie von der Sonne bekommen, aber Uranus nicht, sagte Del Genio. „Uranus ist der komische Typ.“
„Die Progression der Temperatur von Planeten wenn sie weiter von der Sonne entfernt sind zeigt, dass Jupiter der wärmste Gasriese ist, Saturn der nächste und dann kommt Neptun. Uranus ist derjenige, der nicht am richtigen Ort ist,“ sagte Del Genio. „Dieses ungewöhnliche Ergebnis hängt jedoch damit zusammen, dass Uranus keine wesentliche innere Wärmequelle besitzt.“ Neptun findet einen Weg, sich auf das Niveau von Uranus aufzuwärmen, während dieser keine andere Wärmequelle hat als die Sonne.
Aber woher kommt die Wärme? Wahrscheinlich stammt sie von der Geburt des Planeten als er sich beim Zusammenziehen erhitzte.
Wärmeeruptionen bei Gasplaneten?
Interessanterweise kann bei Uranus keinen Wärmeüberschuss gemessen werden. Er gibt genau soviel Energie ab wie er von der Sonne bekommt. Eine Reihe von Vorschlägen wurden bereits gemacht um das zu erklären: Ein riesiger Impakt könnte die Achse des Uranus gekippt und gleichzeitig zu der Wärmeanomalie geführt haben. Oder die Einstrahlung der Sonne die bei Uranus abwechselnd auf den Äquator und einen der Pole erfolgt, könnte den Transport der Wärme aus dem Inneren an die Oberfläche stören.
Tollefson schlägt nun vor, dass Uranus und Neptun ihre Wärme nicht zu allen Zeiten gleichmäßig abgeben. „Es besteht die Möglichkeit, dass die Wärme nicht gleichmäßig aus dem Inneren des Planeten freigesetzt wird, sondern dass der Planet „rülpst“ (burp).“ Uranus wäre demnach in einer Ruhephase und Neptun hätte gerade einen Wärmeausbruch.
„Bei den Gasriesen kann es zu einer erheblichen Menge an Helium-Regen kommen, was die freigesetzte Wärme verändert. Bei Uranus und Neptun ist es möglich, dass sie unterschiedlich alt sind, oder noch wahrscheinlicher, dass Uranus jenes Ereignis, welches ihn in eine Seitenlage brachte, seine innere Struktur veränderte und seine innere Wärme dadurch schneller freigesetzt wurde,“ sagte Simon.
Und auch die ohne Zweifel sehr heftigen Winde könnten etwas mit der Temperatur zu tun haben. „Wir haben lange darüber spekuliert, ob die Kälte von Neptun und Uranus mit den nahezu reibungslosen Bedingungen zusammen hängen und so schnellere Winde ermöglichen,“ sagte Heide Hammel, eine Planeten-Wissenschaftlerin, welche die beide Planeten ausgiebig untersucht hat und Mitglied des Imaging-Teams von Voyager 2 war.
Damit meinte sie, dass es auf der neptunischen Landschaft keine Berge, Hügel und andere Landschaftsformen gibt, die den Wind bremsen. Aber gibt es einen Zusammenhang zwischen den Stürmen und der internen Wärmequelle? „Wahrscheinlich“, sagte Hammel, aber es gibt auch ein empfindliches Gleichgewicht zwischen der inneren Wärme und dem einfallenden Sonnenlicht.“
Aufgrund der langen Zeitskalen ist es schwierig, diese Effekte zu quantifizieren. „Ein Jahr auf Neptun dauert 165 Erdjahre, also hatten wir noch kein Chance, den Planeten während eines Großteils seines saisonalen Zyklus mit modernen Instrumenten zu untersuchen,“ sagte Hammel. „Wir brauchen viel Geduld und Vertrauen in vergangene und zukünftige Generationen von Planetenforschern, um die Atmosphäre der äußeren Planeten zu untersuchen.“
„Ich denke, dass die Sonnenenergie die größere Menge an Energie liefert als die Windenergie, denn auf der Erde wissen wir schon lange, dass jene Menge an Energie die von der Sonne kommt und in der Atmosphäre in kinetische Energie umgewandelt wird viel größer ist. Das heißt, Windenergie ist nur ein kleiner Teil,“ sagte Del Genio.
„Die Erde ist eine sehr ineffiziente Wärmemaschine und gibt nicht viel her. Ein Grund ist, dass sie eine feste Oberfläche hat, welche die Windenergie durch Reibung abschwächt, während dies bei Gasriesen nicht der Fall ist. Dies ist ein Grund, warum Gasriesen viel stärkere Winde haben als die Erde.
Warum sind Neptuns Winde so stark?
„Winde werden wahrscheinlich in tieferen Schichten erzeugt, die das Sonnenlicht nicht durchdringen kann. Wahrscheinlich werden sie aus einer Kombination von innerer Wärme und Rotation erzeugt,“ sagte Simon und warf die Frage auf, warum Uranus und Neptuns Winde nicht übereinstimmen, da sie ähnliche Rotationszeiten haben. „Es sagt uns, dass es zwischen den beiden Planeten Unterschiede geben muss, entweder was die innere Wärme betrifft, oder es liegt an etwas anderem,“ sagte Simon.
„Die Winde auf Uranus können mit 900 km/h und Neptuns Winde mit 2400 km/h wehen. Auf beiden Planeten sind die Winde extrem schnell und erreichen Spitzengeschwindigkeiten, welche die Winde auf Jupiter übertreffen,“ sagte Tollefson. Laut NASA kann Jupiters Großer Roter Fleck Spitzengeschwindigkeiten von rund 600 km/h erreichen. Aber Tollefson meinte auch, dass innere Wärme allein nicht die Windgeschwindigkeiten auf Uranus erklären können, da Uranus keine zusätzliche innere Wärme erzeugt.
Die innere Struktur der Planeten – ihre Masse, die Größe ihrer Kerne und radialen Dichteprofile – ist äußerst wichtig für das Verstehen der Winde wie wir sie sehen. Wie die Winde entstehen und wie tief sie in die Planetenschichten hinein reichen sind Fragen, die für Jupiter und Saturn dank der Raumsonden Cassini und Juno derzeit schon weitgehend beantwortet werden können. Dies liegt an den sehr guten Gravitations-Daten, welche die Forscher schon erhalten haben und die es möglich machten, dass gute Modelle von der inneren Struktur dieser beiden Planeten erstellt werden können.
Computersimulationen legen nahe, dass die Winde der Gasriesen auf geringe Tiefen in den oberen Schichten ihrer Atmosphäre beschränkt sind. Dies könnte darauf hindeuten, dass die schnellen Winde die wir auf Uranus und Neptun beobachten, zumindest teilweise auf latente Wärmeabgabe durch Kondensation von Materialien wie z. B. Wasser zurück zu führen ist.
Del Genio stellt auch die derzeit verfügbaren Daten in Frage. Er erklärt, dass wir, wenn wir die Winde messen, nur auf eine bestimmte Höhe blicken. „Die Winde in anderen Höhenlagen könnten langsamer oder schneller sein,“ sagte Del Genio. „Wir wissen es nicht, weil wir noch nie Sonden in die Atmosphäre der beiden äußeren Gasriesen gesendet haben.“
Was Neptun und Uranus zeigen ist, dass Planeten die sich unter ähnlichen Bedingungen bildeten, zwei Extreme liefern können. Simon sagte, das hilft uns, die Modelle der Planeten-Entstehung zu überdenken und Hinweise auf die Entstehung des Sonnensystems zu finden. Sie sollten uns auch helfen zu verstehen, wie so fern von der Sonne der tiefere Kreislauf von Gasriesen funktioniert.