Ist die Erde der einzige bewohnbare Planet im Universum oder gibt es irgendwo weitere Orte, die das Leben unterstützen? Und wenn ja, wie könnten diese aussehen? Um diese grundlegenden Fragen zu beantworten, suchen Wissenschaftler im All nach Exoplaneten: Ferne Welten, die andere Sterne außerhalb unseres Sonnensystems umkreisen.
Bisher sind mehr als 4000 Exoplaneten bekannt, von denen die meisten Einzelsterne wie unsere Sonne umkreisen. Jetzt hat Dr. Markus Mugrauer, ein Astrophysiker von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, viele neue Mehrfach-Sternsysteme mit Exoplaneten entdeckt und charakterisiert. Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass das Vorhandensein mehrerer Sterne den Entstehungs- und Entwicklungsprozess von Planeten beeinflusst. Die Studie von Mugrauer vom Astrophysikalischen Institut und Universitäts-Sternwarte der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde jetzt in der Fachzeitschrift "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht.
Gaia liefert präzise Daten
„Mehrfachsternsysteme kommen in unserer Milchstraße sehr häufig vor“, erklärt Dr. Markus Mugrauer. „Wenn solche Systeme Planeten besitzen, so sind sie für die Astrophysik von besonderem Interesse, weil sich die Planetensysteme darin fundamental von unserem Sonnensystem unterscheiden können.“ Um mehr über diese Unterschiede zu erfahren, suchte der Mugrauer mehr als 1.300 bekannte Sterne, bei denen Exoplaneten gefunden wurden, nach Begleitsternen ab. Dabei griff er auf die präzisen Daten des Weltraumteleskops Gaia zurück, das von der ESA betrieben wird.
So gelang es ihm, bei Planetenmuttersternen mit bis zu 1.600 Lichtjahren Abstand zur Sonne insgesamt rund 200 Begleitsterne nachzuweisen. Mithilfe der Daten konnte Mugrauer die entdeckten Begleitsterne und ihre Systeme zudem genauer charakterisieren. Er fand heraus, dass es sowohl enge Systeme mit Entfernungen von nur 20 Astronomischen Einheiten (AE) gibt – was in unserem Sonnensystem ungefähr der Entfernung zwischen Sonne und Uranus entspricht – als auch Systeme mit Sternen, die mehr als 9.000 AE von einander entfernt sind.
Rote und Weiße Zwerge
Die Begleitsterne variieren auch in Bezug auf Masse, Temperatur und Entwicklungsstadium. Die massereichsten unter ihnen haben die 1,4 fache Masse unserer Sonne, während die masseärmsten nur 8 Prozent der Sonnenmasse haben. Die meisten Begleitsterne sind massearme, kühle Zwergsterne die schwach rötlich leuchten. Es wurden jedoch auch acht weiße Zwerge unter den Begleitsternen identifiziert. Ein weißer Zwerg ist der ausgebrannte Kern eines sonnenähnlichen Sterns, der nur etwa so groß wie unsere Erde, aber halb so massereich wie unsere Sonne ist. Diese Beobachtungen zeigen, dass Exoplaneten tatsächlich die letzte Evolutionsstufe eines sich nahe befindlichen, einst sonnenähnlichen Sterns überleben können.
Doppel-, Dreifach- und Vierfachsternsysteme mit Exoplaneten
Bei der Mehrzahl der in der Studie nachgewiesenen Sternsysteme mit Exoplaneten handelt es sich um Doppelsterne. Es konnten aber auch rund zwei Dutzend hierarchische Dreifachstern- und sogar ein Vierfachsternsystem detektiert werden. Im untersuchten Abstandsbereich zwischen ca. 20 und 10.000 AE verfügen insgesamt 15 Prozent der untersuchten Sterne über mindestens einen Begleitstern. Diese Häufigkeit ist nur etwa halb so groß, wie sie bei sonnenähnlichen Sternen im Allgemeinen erwartet wird. Zudem weisen die detektierten Begleitsterne einen ca. fünfmal größeren Abstand auf als in gewöhnlichen Systemen.
„Diese beiden Faktoren zusammengenommen könnten darauf hindeuten, dass der Einfluss mehrerer Sterne in einem System den Prozess der Planetenbildung sowie die weitere Entwicklung ihrer Umlaufbahnen stört“, sagte Mugrauer. Die Ursache hierfür könnte zunächst die Wirkung der Gravitation eines Sternbegleiters auf die Gas- und Staubscheibe sein, in der sich Planeten um ihren Mutterstern bilden. Später beeinflusst die Gravitation des Sternbegleiters die Bewegung der Planeten um ihren Mutterstern.
Markus Mugrauer möchte das Projekt weiter verfolgen. Auch in Zukunft würde die Vielzahl neu entdeckter planetarer Muttersterne mit Hilfe von Daten der Gaia-Mission untersucht und die entdeckten Begleitsterne genau charakterisiert werden. „Zudem werden wir die Resultate mit den Ergebnissen einer internationalen Beobachtungskampagne kombinieren, die wir aktuell zum selben Thema am Paranal-Observatorium der Europäischen Südsternwarte in Chile durchführen“, fügte Mugrauer hinzu. „Damit können wir dann den genauen Einfluss der stellaren Multiplizität auf die Entstehung und Entwicklung von Planeten untersuchen.“
Mit der Verbesserung der Nachweismethoden für Exoplaneten sind deren Sterne zum limitierenden Faktor des allgemeinen Verständnisses von Planeten geworden. Alle Methoden zur Vermessung von Exoplaneten ermitteln die Eigenschaften relativ zu jenen der Muttersterne. So wird die Masse im Bezug auf die Masse des Stern bestimmt, der Planetenradius relativ zum Radius des Sterns. Die Alter von Planeten werden aus den Altern ihrer Sterne abgeleitet. Dabei wird die sogenannte Asteroseismologie immer wichtiger, weshalb die ESA-Mission PLATO erstmals gleichzeitig Planeten - und Sterneigenschaften auf Prozent genau bestimmen wird. Ebenso wichtig ist es das Umfeld des Sterns zu kennen. Handelt es sich um einen Einzelstern oder hat der Stern neben den Planeten auch stellare Begleiter. In dem Fall ergeben sich aus den Eigenschaften der stellaren Begleiter Grenzen der Stabilität für die Planeten und Konsequenzen für die Entstehungsprozesse des Systems. Außerdem bieten Doppel - und Mehrfachsysteme die genaueste Möglichkeit Sterneigenschaften zu bestimmen - so können etwa die Massen der Sterne aus ihrer gegenseitigen Anziehung bestimmt werden. Die Arbeit von Markus Mugrauer liefert deshalb einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Systeme von Planeten und Sternen da die Komponenten (die Sterne) des Systems vollständiger erfasst und damit ein Gesamtbild des Systems aus Planeten und Sternen entstehen kann.
→ Search for stellar companions of exoplanet host stars by exploring the second ESA-Gaia data release (M. Mugrauer)