Unter Verwendung von Radardaten aus der Raumsonde Cassini wird in einer vor kurzem veröffentlichten Studie ein neues Szenario vorgestellt, in dem erklärt wird, warum einige mit Methan gefüllte Seen auf dem Saturnmond Titan von steilen Rändern umgeben sind, die mehrere hundert Meter hoch sind. Die Modelle deuten darauf hin, dass durch Erwärmung von Stickstoff Explosionen entstanden sind, die Becken in der Mondkruste verursachten.
Titan ist, außer der Erde, der einzige planetare Körper in unserem Sonnensystem von dem bekannt ist, dass er stabile Flüssigkeit auf seiner Oberfläche hat. Aber statt wie auf der Erde Wasser aus Wolken zu regnen und Seen und Meere zu füllen, sind es auf Titan Methan und Ethan – Kohlenwasserstoffe, die wir als Gase betrachten, die sich jedoch im kalten Klima des Titan wie Flüssigkeiten verhalten.
Die meisten existierenden Modelle, die den Ursprung der Titanseen darstellen, zeigen flüssiges Methan, das des Mondes Grundgestein aus Eis und feste organische Verbindungen auflöst und Reservoire in die Landschaft fräst, die sich mit der Flüssigkeit füllen. Dies könnte möglicherweise der Ursprung eines Sees auf Titan sein, der scharfe Grenzen aufweist. Auf der Erde werden Gewässer, die sich durch Auflösen des umgebenden Kalksteins auf ähnliche Weise gebildet haben, als Karst-Seen bezeichnet.
Die neuen alternativen Modelle für einige der kleineren Seen (mit einem Durchmesser von mehreren zehn Kilometern) stellen diese Theorie auf den Kopf: Diese schlägt vor, dass sich Taschen mit flüssigem Stickstoff in der Titankruste erwärmten, der zu einem explosivem Gas wurde und so zur Entstehung von Kratern führte, welche sich dann mit flüssigem Methan füllten. Die neue Theorie erklärt, warum einige der kleineren Seen, die sich in der Nähe des Titan-Nordpols befinden, wie z. B. Winnipeg Lacus, der in der Radarbildgebung sehr steile Ränder aufweist die über den Meeresspiegel ragen – nicht mit dem Karst-Modell zu erklären sind.
Die Radardaten wurden vom Cassini-Orbiter während des letzten Vorbeiflugs am Titan gesammelt, als sich die Raumsonde vor zwei Jahren auf ihr finales Eintauchen in die Saturn-Atmosphäre vorbereitete. Ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung von Giuseppe Mitri von der italienischen Universität G d'Annunzio war überzeugt, dass das Karst-Modell nicht mit dem übereinstimmt, was sie in diesen neuen Bildern sahen.
„Der Rand steigt an, aber der Karst-Prozess funktioniert in umgekehrter Weise“, sagte Mitri. „Wir haben keine Erklärung, die zu einem Karst-Seebecken passt. In Wirklichkeit stimmt die Morphologie eher mit einem Explosionskrater überein, bei dem der Kraterrand vom ausgestoßenen Material aus dem inneren des Kraters gebildet wird. Es ist ein völlig anderer Prozess.“
Die in Nature Geosciences am 9. September veröffentlichte Arbeit greift auf andere Titan-Klimamodelle zurück, die zeigen, dass der Mond im Vergleich zu früheren Titan-“Eiszeiten“ möglicherweise warm ist.
Während der letzten halben oder ganzen Jahrmilliarde auf Titan hat Methan in seiner Atmosphäre als Treibhausgas gewirkt und den Mond relativ warm gehalten – obwohl er nach Erdmaßstäben immer noch sehr kalt ist. Wissenschaftler haben lange geglaubt, dass der Mond Epochen der Abkühlung und Erwärmung hinter sich hat, da das Methan durch den Einfluss der Sonnenstrahlung vermindert und wieder vermehrt wurde.
In den kälteren Perioden dominierte Stickstoff die Atmosphäre, regnete nieder und durchlief einen Kreislauf in der Eiskruste, um sich in Becken direkt unter der Oberfläche zu sammeln, sagte der Cassini-Wissenschaftler und Co-Autor Jonathan Lunine von der Cornell Universität in Ithaka, New York.
„Diese Seen mit steilen Kanten, Wällen und erhöhten Rändern wären ein Wegweiser für Perioden in Titans Geschichte, in denen sich flüssiger Stickstoff auf der Oberfläche und in der Kruste befand“, bemerkte Lunine. Selbst eine lokale Erwärmung hätte ausgereicht, um den flüssigen Stickstoff in Dampf umzuwandeln, der sich schnell ausdehnt und einen Krater ausbläst.
„Dies ist eine völlig andere Erklärung für die steilen Ränder um diese kleinen Seen, was ein großes Rätsel war“, sagte Linda Spilker, eine Wissenschaftlerin des Cassini Projekts beim JPL. “Während Wissenschaftler weiterhin den Schatz der Cassini-Daten durchsuchen, werden wir immer mehr Puzzleteile zusammenfügen können. In den nächsten Jahrzehnten werden wir das Saturn-System immer besser verstehen.“