Im vergangenen Dezember entdeckten Wissenschaftler einen „aktiven“ Asteroiden im Asteroidengürtel, der sich zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter befindet. Der Asteroid, bekannt unter der Bezeichnung 6478 Gault, schien zwei Staubspuren zu hinterlassen – ein aktives Verhalten, das normalerweise mit Kometen in Verbindung gebracht wird, bei Asteroiden jedoch selten zu finden ist.
Während Astronomen immer noch über die Ursache von Gaults kometenähnlicher Aktivität rätseln, berichtete jetzt ein Team vom MIT, dass der Asteroid beim Wechsel der Farbe im Nahen-Infrarotspektrum von rot zu blau beobachtet wurde. Es ist das erste Mal, dass Wissenschaftler einen die Farbe verändernden Asteroiden in Echtzeit beobachteten.
„Das war eine sehr große Überraschung“, sagte Michael Marsset, Postdoc an MITs Department of Earth, Atmospheric and Planetary Sciences, (EAPS). „Wir glauben, wir haben beobachtet, wie der Asteroid seinen rötlichen Staub in den Weltraum verloren hat, und wir sehen die darunter liegenden, frischen blauen Schichten des Asteroiden.“
Marsset und seine Kollegen haben auch bestätigt, dass der Asteroid aus Felsgestein ist – ein Beweis dafür, dass der Schweif des Asteroiden, obwohl er wie ein Komet aussieht, durch einen völlig anderen Mechanismus verursacht wird, da Kometen nicht steinig sind, sondern eher wie lose Schneebälle aus Eis und Staub bestehen.
„Meines Wissens ist es das erste Mal, dass wir ein Gesteinsobjekt sehen das Staub abgibt, ein bisschen wie ein Komet“ sagte Marsset. „Das bedeutet, dass sich wahrscheinlich der Mechanismus der hier für die Staubemission verantwortlich ist, von Kometen und den meisten anderen aktiven Hauptgürtel-Asteroiden unterscheidet.“
Marsset und seine Kollegen, darunter EAPS Research Scientistin Francesca DeMeo und Professor Richard Binzel, haben vor kurzem ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Astrophysical Journal Letters veröffentlicht.
Ein Fels mit zwei Schweifen
Die Astronomen entdeckten 6478 Gault erstmals 1988 und benannten ihn nach dem Planetengeologen Donald Gault. Bis vor kurzem galt das Weltraumgestein mit einer Größe von rund 4 km als relativ durchschnittliches Objekt, welches zusammen mit Millionen anderer Gesteinsbrocken und mit Staub in der Region des Asteroidengürtels die Sonne umkreist.
Im Januar wurden auf Aufnahmen von 6478 Gault, die von verschiedenen Observatorien, darunter dem Hubble Weltraumteleskop, gemacht wurden, zwei schmale, kometenähnliche Schweife hinter dem Asteroiden gesichtet. Die Astronomen schätzten, dass sich der längere Schweif über eine Länge von 800 000 Kilometern erstreckt, während der kürzere nur etwa ein Viertel so lang ist. Sie schlossen daraus, dass die Schweife aus zig Millionen Kilogramm Staub bestehen müssen, der vom Asteroiden aktiv in den Weltraum ausgestoßen wird. Aber wie? Die Frage weckte das Interesse an Gault, und Studien haben seitdem frühere Fälle ähnlicher Aktivität des Asteroiden zutage gefördert.
„Wir kennen ungefähr eine Million Objekte zwischen Mars und Jupiter und ungefähr 20 die im Asteroidengürtel aktiv sind“, sagte Marsset. „Das ist also sehr selten.“
Er und seine Kollegen machten sich im März auf die Suche nach Antworten auf Gaults Aktivitäten, nachdem sie sich die Beobachtungszeit der Infrarot-Teleskop-Einrichtung (IRTF) am Mauna Kea gesichert hatten. Über zwei Nächte beobachteten sie den Asteroiden und teilten das einfallende Licht des Asteroiden mit einem hochpräzisen Spektrographen in verschiedene Frequenzen oder Farben auf, deren relative Intensität den Wissenschaftlern eine Vorstellung von der Zusammensetzung eines Objekts vermitteln kann.
Aufgrund ihrer Analyse stellte das Team fest, dass die Oberfläche des Asteroiden hauptsächlich aus Silikat besteht, einem trockenen, felsigen Material, das den meisten anderen Asteroiden ähnelt und vor allem den meisten Kometen überhaupt nicht.
Kometen kommen typischerweise von den weit kälteren Rändern des Sonnensystems. Wenn sie sich der Sonne nähern, sublimiert jedes Oberflächeneis sofort oder verdampft zu Gas, wodurch der charakteristische Schweif des Kometen entsteht. Da Marssets Team herausgefunden hat, dass 6478 Gault ein trockenes, steiniges Objekt ist, bedeutet dies, dass es wahrscheinlich durch einen anderen aktiven Mechanismus Schweife aus Staub erzeugt.
Eine frische Veränderung
Als das Team den Asteroiden beobachtete, stellte es zu seiner Überraschung fest, dass der Felsbrocken im Nahen Infrarot seine Farbe von rot zu blau änderte. „Wir haben in so kurzer Zeit noch nie eine solche dramatische Veränderung erlebt“, sagte Co-Autorin DeMeo.
Die Wissenschaftler sagten, dass sie wahrscheinlich den Oberflächenstaub des Asteroiden gesehen haben, der über Millionen von Jahren der Sonne ausgesetzt war und in den Weltraum ausgestoßen wurde. Darunter befindet sich eine frische, weniger bestrahlte Oberfläche, die bei Wellenlängen im Nahen Infrarot blau erscheint.
„Interessanterweise muss nur eine sehr dünne Schicht entfernt werden, um eine Änderung im Spektrum festzustellen“, sagte DeMeo. „Die Schicht könnte so dünn sein wie eine einzelne Schicht von Körnern, die nur ein Mikrometer dick ist.“
Was könnte den Asteroiden dazu veranlassen die Farbe zu wechseln? Das Team und andere Gruppen die 6478 Gault studieren, glauben, dass der Grund für die Farbverschiebung und die kometenähnliche Aktivität des Asteroiden auf den gleichen Mechanismus zurückzuführen ist: auf eine schnelle Rotation. Der Asteroid dreht sich möglicherweise so schnell, dass durch die bloße Zentrifugalkraft Staubschichten von seiner Oberfläche weggerissen werden. Die Forscher schätzen, dass eine kurze Rotationsperiode von etwa zwei Stunden dazu nötig ist.
„Ungefähr 10 Prozent der Asteroiden drehen sich sehr schnell, das heißt mit einer Rotationsperiode zwischen zwei bis drei Stunden. Das liegt höchstwahrscheinlich daran, dass die Sonnenstrahlung die Umdrehungszeiten beschleunigt“ sagte Marsset.
Dieses Drehphänomen ist als YORP-Effekt bekannt (oder Yarkovsky-O "Keefe-Radzievskii-Paddack-Effekt, benannt nach den Wissenschaftlern die diesen Effekt entdeckt haben), der sich auf der Wirkung der Sonnenstrahlung auf kleine Körper bezieht, z. B auf Asteroiden: Während Asteroiden den größten Teil dieser Strahlung zurück in den Weltraum reflektieren, wird ein Teil dieser Photonen absorbiert und als Wärme wieder abgegeben und der Himmelskörper erhält einen winzigen Rückstoß. Da Asteroiden aber unregelmäßig geformt sind, wird auch die Strahlung unregelmäßig zurückgeworfen, was über Millionen von Jahren dazu führt, dass sich Asteroiden beginnen schneller zu drehen.
Astronomen haben in der Vergangenheit den YORP-Effekt bei einer Handvoll Asteroiden beobachtet. Um zu bestätigen, dass ein ähnlicher Effekt auf 6478 Gault einwirkt, müssen Forscher seinen Spin durch Lichtkurven erfassen – Messungen der Helligkeit des Asteroiden über einige Zeit.
Die Herausforderung wird darin bestehen, durch den beträchtlichen Staubschwanz des Asteroiden zu sehen, der wichtige Teile des Lichts des Asteroiden verdecken kann.
Marssets Team und andere Gruppen planen, den Asteroiden zu untersuchen wenn er das nächste Mal am Himmel sichtbar wird, um weitere Hinweise auf Aktivitäten zu erhalten.