Neue Forschungen, die von einem Astronomen der Universität von Warwick geleitet wurde, haben das erste bestätigte Beispiel eines Doppelsternsystems gefunden, bei dem die protoplanetare Scheibe in eine Position gekippt ist, die über die Umlaufbahnebene dieser Sterne hinausragt. Das internationale Astronomen-Team verwendete das Atacama Large Millimeter/Sub-Millimeter-Array (ALMA), um hochaufgelöste Bilder von dieser, einem Asteroidengürtel gleichenden großen Scheibe zu bekommen.
Das Gesamtsystem zeigt den ungewöhnlichen Anblick eines dicken Reifens aus Gas und Staub, der sich rechtwinklig zur binären Sternbahn bewegt. Bisher gab es diese Konfiguration nur in den Köpfen der Theoretiker, aber die ALMA-Beobachtung beweist, dass polare Scheiben existieren und möglicherweise sogar relativ häufig sind.
Das neue Forschungsergebnis wurde am 14. Januar 2019 von Dr. Grant M. Kennedy, der an der Fakultät für Physik an der Universität von Warwick (Department of Physics and Centre for Exoplanets and Habitability) arbeitet, im Journal Nature Astronomy unter dem Titel „A circumbinary protoplanetary disc in a polar configuration“ veröffentlicht.
Dr, Grant M. Kennedy sagte: „Gas- und Staubscheiben sind um fast alle jungen Stern zu sehen, und wir wissen, dass mindestens ein Drittel der Sterne Planeten bilden. Einige dieser Planeten sind letztendlich falsch ausgerichtet im Bezug zum Spin des Sterns. Ich fragte mich, ob dies in einem Doppelsternsystem möglich sein sollte, hatten aber bis jetzt keine Anhaltspunkte für falsch ausgerichtete Scheiben, in denen sich Planeten bilden könnten.“
Dr. Kennedy und seine Forscherkollegen verwendeten ALMA, um die Ausrichtung des Gas- und Staubrings in diesem System festzulegen. Die Umlaufbahn des Doppelsternsystems war schon durch frühere Beobachtungen bekannt, bei denen festgestellt wurde, wie sich die Sterne zueinander bewegen. Durch die Kombination dieser beiden Informationen konnten sie feststellen, dass der Staubring mit einer vollkommen polaren Umlaufbahn übereinstimmt. Dies bedeutet, dass, während sich die Sterne in einer Ebene umkreisen wie zwei Pferde, die auf einem Karussell herumlaufen, sich die sie umgebende Scheibe rechtwinklig zu den Sternbahnen befindet, so wie ein Riesenrad mit einem Karussell in der Mitte.
Dr. Grant M. Kennedy fügte hinzu: „Das aufregendste an dieser Entdeckung ist vielleicht, dass die Scheibe einige der gleichen Signaturen aufweist, die wir auch im Staubwachstum von protoplanetaren Scheiben um einzelne Sterne sehen. Wir nehmen an, dass die Planetenbildung in diesen polaren Umlaufscheiben zumindest beginnen kann. Wenn die Vollendung des Planetenentstehungsprozesses eintreten sollte, kann es passieren, dass es eine ganze Population von umlaufenden Planeten gibt, die fehl ausgerichtet sind. Solche Planeten müssen wir noch finden.“
Wenn ein Planet am inneren Rand des Staubrings vorhanden wäre, würde von dessen Oberfläche aus der Ring selbst als breites Band zu sehen sein, das sich fast senkrecht vom Horizont erhebt. Die polare Konfiguration bedeutet, dass sich die Sterne scheinbar in die Planetenebene hinein und aus dieser wieder heraus bewegen, wodurch die Objekte manchmal zwei Schatten werfen. Die Jahreszeiten in solchen Systemen wären ebenfalls unterschiedlich. Auf der Erde variieren sie während des ganzen Jahres, während der Planet die Sonne umkreist. Ein Planet auf einer polaren Umlaufbahn hätte auch Jahreszeiten die variieren, da unterschiedliche Breitengrade mehr oder weniger durch die binäre Umlaufbahn beleuchtet werden.
Co-Autor Dr. Daniel Price fügte hinzu: „Früher dachten wir, dass sich andere Sonnensysteme genauso wie das unsere entwickeln würden, mit Planeten die in der gleichen Richtung um eine einzige Sonne kreisen. Aber mit den neuen Bildern sehen wir eine wirbelnde Scheibe aus Gas und Staub, die zwei Sterne umkreist. Es ist ziemlich überraschend zu entdecken, dass diese Scheibe sich im rechten Winkel zur Umlaufbahn der beiden Sterne bewegt.
Erstaunlicherweise wurden zwei weitere Sterne gesichtet, die diese Scheibe umkreisen. Wenn also in diesem System Planeten geboren werden sollten, gäbe es vier Sonnen am Himmel.