Centaurus und Chimera, beide Missionen wollen Zentauren aus nächster Nähe untersuchen.
Diese Objekte – welche die Charakteristika von Asteroiden als auch von Kometen aufweisen und daher sogenannte Hybriden sind – haben Astronomen schon lange fasziniert. Ein Teil dieses Interesses läuft einfach auf Neugierde hinaus: Über Zentauren ist wenig bekannt, da noch nie eine Raumsonde einen Zentauren besuchte.
Aber das wird möglicherweise nicht mehr lange so bleiben. Die NASA evaluiert zwei geplante Zentaur-Missionen für einen potenziellen Start Mitte der 2020er Jahre über das Discovery-Programm, das kostengünstige Robotererkundungs-Missionen entwickelt. (Niedrige Kosten sind natürlich relativ: Discovery-Missionen sind auf 500 Millionen Dollar begrenzt, ausgenommen sind die Trägerrakete und die operativen Kosten der Mission.)
„Die Zentauren rücken ins Blickfeld“ sagte Alan Stern, vom Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder, Colorado. „Die Tatsache, dass es zwei konkurrierende Zentaur-Missionen gibt, zeugt von einer grundlegenden Veränderung.“ Alan Stern, der der Projektleiter der New Horizons Mission ist, leitet Centaurus, eine der beiden neuen Discovery-Kandidaten. Das andere Zentauren-Konzept, Chimera, wird von Walter Harris vom Lunar und Planetary Laboratorium der Universität von Arizona geleitet.
„Abgesandte des Kuiper-Gürtels
Zentauren leben im Reich der Riesenplaneten in der Nachbarschaft von Jupiter und Saturn und sind wahrscheinlich auch in deren Nachbarschaft entstanden, verbrachten aber den größten Teil ihres Lebens im Kuipergürtel, einem Ring eisiger Objekte jenseits von Neptuns Umlaufbahn.
Forscher glauben, dass vor langer Zeit eine Reihe von Gravitations-Stößen die Zentauren dorthin geschleudert hatte und eine Reihe weiterer gravitativer Ereignisse in jüngerer Zeit sie wieder näher an die Sonne heranbrachte – vor etwa einigen Millionen Jahren oder so. Die Umlaufbahnen der Zentauren sind dynamisch instabil, daher können diese Objekte noch nicht sehr lange auf ihren aktuellen Positionen sein. Tatsächlich ist die Bezeichnung „Zentaur“ wahrscheinlich in den meisten Fällen ein kurzlebiger Übergang zwischen einem Kuipergürtel-Objekt und einem Kometen der Jupiter-Familie (JFC), sagen die Astronomen.
„Wir können uns Zentauren als Abgesandte des Kuipergürtel vorstellen“, sagte Stern. Zentaur-Missionen sind daher Abkürzungen zu dieser Region, und fügte hinzu: „Sie bieten die Möglichkeit, den Kuipergürtel aus geringerer Entfernung zu erkunden.
Die Erforschung des Kuipergürtels hat bei jenen Forschern Priorität, die versuchen, die Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems zusammen zu fassen. Objekte in diesen dunklen und eisigen Tiefen haben sich durch Sonneneinstrahlung kaum verändert und bewahren sich dieses primitive Material seit sehr langer Zeit.
„Das sind wundervolle Zeitkapseln“ sagte Stern.
„Dank New Horizons haben wir bereits erste gute Eindrücke von KBOs gewonnen. Die Raumsonde flog im Juli 2015 am berühmtesten Bewohner dieser Region, dem Zwergplaneten Pluto, vorbei und flog am 1. Januar dieses Jahres, während einer verlängerten Mission, am viel kleineren KBO 2014 MU69 (informell als Ultima Thule bekannt) vorbei.
Diese beiden Vorbeiflüge, die bislang nur KBOs betroffen haben, öffneten den Wissenschaftlern die Augen über die Vielfalt und Komplexität dieses weit entfernten Gebietes. Zum Beispiel entdeckte New Horizons auf dem 2375 Kilometer großen Pluto hohe Wassereisberge und weite Ebenen aus Stickstoffeis. Ferner stellte die Sonde fest, dass der 32 Kilometer große Ultima Thule aus zwei Teilen besteht, von denen ein Teil eine seltsame Pfannkuchen-Form besitzt.
Eine Zentauren-Erforschung
Centaurus würde auf den Forschungsarbeiten aufbauen, mit denen New Horizons begann. (New Horizons hätte noch genug Treibstoff um noch einen KBO anzufliegen, falls die NASA einer weiteren Verlängerung der Mission zustimmt, sagte Stern.)
Centaurus würde am 50 km großen Schwassmann-Wachmann-1 (SW1) und am 225 km großen Chiron vorbeifliegen und auch weitere Zentauren aufsuchen. Das Team ist derzeit noch nicht in der Lage, die geplante Anzahl an Vorbeiflügen nennen zu können, sagte Stern.)
Die solarbetriebene Mission wird Einblicke bieten in KBOs von bisher unerforschter Größenklasse – größer als Ultima Thule, aber kleiner als Pluto. Und SW1 und Chiron sind beide faszinierend, sagte Stern.
Zum Beispiel ist SW1 unglaublich aktiv und hat durchschnittlich sieben Mal im Jahr starke kometenartige Ausbrüche. Es ist unklar, was genau diese Ausbrüche verursacht; sie treten viel zu häufig auf, als dass sie durch Erwärmung bei Annäherung an die Sonne verursacht werden können. (SW1 benötigt mehr als 14 Erdenjahre für eine komplette Umkreisung der Sonne.)
„Chirons Attribute sind noch eindrucksvoller; er ist der zweitgrößte Zentaur, der etwa 2000-mal so voluminös und vermutlich um ein Vielfaches massereicher ist als MU69 und auch häufig eine Koma zeigt“ sagte Kelsi Singer, stellvertretende Leiterin bei Centaurus, ebenfalls vom SwRI.
„Darüber hinaus haben Sternbedeckungen gezeigt, dass Chiron auch dichte Ringe oder Staubstrukturen aufweist,“ fügte das Team hinzu. Keine Mission hat diese rätselhaften Phänomene bisher an irgendeinem anderen Objekt untersucht.
Die NASA hat zwei Startfenster für die in Betracht gezogenen Discovery-Kandidaten vorgesehen: 2025-2026 oder 2028-2029. Centaurus könnte in beiden Fenstern starten, sagte Stern. Der erste Vorbeiflug der Mission würde Anfang bis Mitte der 2030er Jahre stattfinden, und die Begegnungen mit den Zentauren würde bis in die 2040er Jahre andauern.
Für das Centaurus-Missionskonzept sei die Zeit entscheidend, fügte er hinzu. Das Team ist bestrebt, an Chiron vorbei zu fliegen, wenn sich der Zentaur im Perihel seiner Bahn befindet. Um dies zu schaffen und auch SW1 (und andere Zentauren) zu erreichen, ist ein Start im Zeitraum zwischen 2026 und 2029 erforderlich – oder man muss wegen der Orbital-Dynamik fast ein halbes Jahrhundert auf das nächste günstige Startfenster warten, sagte Stern.
Fokussieren auf SW1
Chimera würde einen anderen Ansatz verfolgen und sich ausschließlich auf SW1 konzentrieren. Die solarbetriebene Sonde würde im Fenster 2025-2026 starten und das kuriose Objekt mindestens zwei Jahre aus der Umlaufbahn untersuchen.
Mit den einzigartigen Daten könnte man mehrere Ausbrüche aus nächster Nähe untersuchen.
Um solche Informationen zu bekommen, ist eine Orbital-Mission zu SW1 die einzige Möglichkeit die wir kennen, sagte Harris.
Und so wie bei Centaurus sei es auch bei Chimera unerlässlich im nächsten Fenster zu starten, fügte er hinzu.
„Die Umlaufbahnen der Zentauren bieten nur einmal oder zweimal in einem Jahrhundert die Gelegenheit zu einem Treffen“ sagte Harris. „Wenn wir es diesmal nicht schaffen, wird es 50 Jahre dauern, bis sich wieder so eine Gelegenheit bietet. Darüber hinaus gibt es keine Garantie, dass SW1 in 50 Jahren noch aktiv sein wird.
Das Objekt wurde 1974 von Jupiter in seine derzeitige fast kreisförmige Umlaufbahn befördert, sagte Harris, und SW1 wird so um die Zeit des möglichen Eintreffens von Chimera eine weitere Begegnung mit dem Gasriesen haben. Daher könnte der Zentaur auf eine größere elliptische Umlaufbahn gezwungen werden, auf der SW1 vielleicht weniger dramatische Ausbrüche haben wird.
Auf längere Sicht wird SW1 wahrscheinlich zu einem Kometen der Jupiter-Familie. Dies wird vermutlich in den nächsten tausend Jahren geschehen, sagte Harris.
Im Januar 2020 wird bekannt gegeben welche Missionen in die engere Auswahl kommen.