Im Juni wurde der „Comet Interceptor“ im Rahmen des Cosmic-Vision-Programms der ESA als neue Mission der Schnell- oder F-Klasse ausgewählt. Bestehend aus drei Raumsonden, wird es die erste sein, die einen wirklich unberührten Kometen oder ein interstellares Objekt besucht, das gerade seine Reise ins innere Sonnensystem beginnt.
Die Mission wird zu einem bisher noch unentdeckten Kometen reisen und an dem ausgewählten Ziel vorbeifliegen, wenn es sich der Erdumlaufbahn nähert. Dabei werden drei Raumsonden simultane Beobachtungen von mehreren Punkten rund um den Kometen durchführen und ein 3D-Profil eines „dynamisch neuen“ Objekts erstellen, das noch ursprüngliches Material aus der Entstehungszeit des Sonnensystems enthält.
„Ursprüngliche oder dynamisch neue Kometen sind völlig unbekannt und bieten ein überzeugendes Ziel für die Erforschung durch Raumsonden aus nächster Nähe, um die Vielfalt und Entwicklung der Kometen besser zu verstehen“, sagte Günther Hasinger, ESA-Direktor für Wissenschaft.
„Die großen wissenschaftlichen Erfolge von Giotto und Rosetta – unsere Vorgänger-Missionen zu Kometen – sind konkurrenzlos, aber jetzt ist es an der Zeit, auf ihren Erfolgen aufzubauen und einen makellosen Kometen zu besuchen oder sich auf das nächste 'Oumuamua-ähnliche interstellare Objekt vorzubereiten.
Was ist eine F-Klasse Mission?
Comet Interceptor ist eine 'fast', oder F-Klasse Mission. 'Schnell' bezieht sich auf die Implementierungszeit mit einer Gesamtentwicklungsdauer von der Auswahl bis zur Startbereitschaft von etwa acht Jahren. Missionen der F-Klasse, die eine Startmasse von weniger als 1000 kg haben, teilen sich den Flug in den Weltraum mit einer Mission der Mittelklasse und nutzen den zusätzlichen Platz auf Trägerraketen und den Schub zum Lagrange-Punkt L2 im Sonne-Erde-System, der liegt von der Sonne aus gesehen 1,5 Millionen Kilometer 'hinter' der Erde.
Der Comet Interceptor soll 2028 als Beifahrer mit ESAs Raumsonde ARIEL starten, einem Weltraumteleskop, das als vierte mittelgroße Mission im Rahmen des Cosmic Vision Programms starten soll. ARIEL soll mit Hilfe der Transitmethode die Atmosphären von etwa 1000 Exoplaneten untersuchen. Beide Missionen werden zum Lagrangepunkt L2 reisen und von dort aus wird der Comet Interceptor mit seinem eigenen Antriebssystem zum ausgewählten Ziel weiterreisen.
Das Auswahlverfahren war ebenfalls schnell. Nach der Aufforderung zur Einreichung im Juli 2018 gab es von Weltraumforschern 23 Vorschläge. Anschließend wurden sechs Teams aufgefordert, ihre Vorschläge detaillierter auszuarbeiten. Unter ihnen wurde im Juni 2019 der Comet Interceptor vom Wissenschaftskomitee ausgewählt.
„Wir danken der Gemeinschaft der Weltraumwissenschaftler für ihre hervorragenden Vorschläge, die ein breites Spektrum neuartiger Themen abdeckten, die im Rahmen der Richtlinien für die F-Klasse untersucht werden könnten“, sagte Direktor Hasinger.
„Diese Art von innovativer Mission wird eine wichtige Rolle bei der Ergänzung des Wissenschaftsprogramm der ESA spielen, da wir die nächsten Jahrzehnte der wissenschaftlichen Erforschung unseres Universums planen. Wir sind auch froh, dass wir die 'fast mission' Philosophie beim Comet Interceptor aufrecht erhalten konnten, die wir innerhalb eines Jahres nach der Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen ausgewählt haben.“
Was ist neu am Comet Interceptor?
Der Comet Interceptor besteht aus drei Raumsonden. Die zusammengesetzte Raumsonde wartet in L2 auf ein geeignetes Ziel und reist dann gemeinsam, bevor sich die drei Module einige Wochen vor dem Abfangen des Kometen trennen. Jedes Modul ist mit einer komplementären Nutzlast ausgestattet, die unterschiedliche Perspektiven des Kometenkerns und seiner Gas- Staub- und Plasma-Umgebung abbildet. Solche Mehrfachmessungen verbessern die 3D-Informationen, die zum Verständnis der dynamischen Natur eines unberührten Kometen erforderlich sind, während er mit der sich ständig ändernden Sonnenwindumgebung interagiert.
Die Instrumentierung der Mission wird auf das Erbe anderer Missionen zurückgreifen, darunter ist eine Kamera, die auf der Kamera des ExoMars Trace Gas Orbiter basiert, sowie Staub- Feld- und Plasma-Instrumente und ein Massenspektrometer, wie sie auf ESAs Raumsonde Rosetta mitgeflogen sind.
Frühere Kometenmissionen, darunter die bahnbrechenden ESA-Raumsonden Giotto und Rosetta, trafen kurzperiodische Kometen. Hierbei handelt es sich um Kometen mit Umlaufzeiten von weniger als 200 Jahren, die sich in jüngster Zeit aufgrund ihrer kurzen Umlaufzeiten mehrmals der Sonne genähert haben und dadurch erhebliche Veränderungen erfuhren: Rosettas Komet 1P/Churyumov-Gerasimenko umkreist die Sonne einmal alle 6,5 Jahre und der Komet 1P/Halley, der 1986 von Giotto und anderen Raumschiffen besucht wurde, kehrt alle 76 Jahre ins innere Sonnensystem zurück.
Comet Interceptor ist anders, weil er auf einen Kometen abzielt, der zum ersten Mal das innere Sonnensystem besucht – vielleicht aus der riesigen Oortschen Wolke, von der angenommen wird, dass sie die äußersten Bereiche des Sonnensystems umgibt. Ein solcher Komet besteht aus Material, das sich seit den frühesten Tagen des Sonnensystems nicht verändert hat. Die Mission wird daher einen neuen Einblick in die Entwicklung der Kometen bringen, die von der Peripherie des Sonnensystems nach innen wandern.
Ein anderes Beispiel für ein potenzielles Ziel ist ein interstellarer Eindringling aus einem anderen Sternensystem wie der berühmte 'Oumuamua, der 2017 auf einer stark geneigten Umlaufbahn an unserer Sonne vorbeiflog. Ein interstellares Objekt aus der Nähe zu studieren, würde eine Chance bedeuten, Kenntnisse über die Entstehung und Entwicklung kometenähnlicher Objekte anderer Sternensystemen zu bekommen.
In der Vergangenheit wurden „neue“ Kometen nur einige Monate bis Jahre bevor sie die Sonne passierten entdeckt. Dies ist zu kurzfristig, um eine Weltraummission zu planen, zu bauen und zu starten und in den Weltraum zu senden, um zu einem bestimmten Objekt zu reisen, bevor es sich wieder von der Sonne entfernt.
Dank der jüngsten Fortschritte bei bodengestützten Vermessungen, kann der Himmel tiefer gescannt und eine längere Sichtbarkeit gewährleistet werden. Pan-STARRS ist derzeit die produktivste Kometen-Entdeckungsmaschine. Mehr als die Hälfte aller neuen Kometen pro Jahr wurden durch Pan-STARRS entdeckt. Das Large Synoptic Survey Teleskop, das derzeit in Chile gebaut wird, wird den Katalog der neuen Kometen erheblich erweitern.
In jedem Fall muss das Ziel für den Comet Interceptor während der Missions-Vorbereitung noch nicht bekannt sein. Die Raumsonde kann im Weltraum auf eine geeignete Kometen-Begegnung warten und ihre Mission voraussichtlich innerhalb von fünf Jahren nach dem Start abschließen.