Als die Raumsonde Cassini in ihrem letzten Jahr in die Saturnringe eintauchte, lieferte sie nach neuen Analysen detaillierte Informationen über die komplexe Funktionsweise der Saturnringe.
Obwohl die Mission im Jahr 2017 endete, fließen der Wissenschaft noch immer neue Erkenntnisse von den gesammelten Daten zu. Ein neuer Artikel, der am 13. Juni 2019 in Science veröffentlicht wurde, beschreibt die Ergebnisse von vier Cassini-Instrumenten, welche die Hauptringe am genauesten beobachteten.
Zu den Ergebnissen zählen feine Details von Strukturen, die von den in den Ringen eingebetteten Massen geformt wurden. Neue Karten zeigen, wie sich Farben, Chemie und Temperatur bei den Ringen ändern.
Wie ein Planet, der sich im inneren einer Scheibe aus protoplanetarem Material im Aufbau befindet, interagieren winzige Monde, die in die Saturnringe eingebettet sind, (in der Reihenfolge ihrer Entdeckung mit A bis G bezeichnet) mit den Teilchen um sie herum. Auf diese Weise liefert der Artikel einen weiteren Beweis dafür, dass die Ringe ein Fenster in die astrophysikalischen Scheibenprozesse sind, die unser Sonnensystem formen.
Die Beobachtungen vertiefen auch das Verständnis der Wissenschaftler für das komplexe Saturn-System. Wissenschaftler schließen daraus, dass am äußeren Rand der Hauptringe eine Reihe von ähnlichen, durch Aufprall verursachten Streifen im F-Ring dieselbe Länge und Ausrichtung haben, was darauf hindeutet, dass sie wahrscheinlich durch eine Reihe von Impaktoren verursacht wurden, die alle gleichzeitig auf den Ring aufprallten. Dies zeigt, dass der Ring durch Materialströme geformt wurde, die den Saturn umkreisen und nicht beispielsweise durch Kometen-Abfälle (die sich um die Sonne bewegen) die zufällig auf die Ringe prallen.
„Diese neuen Details, wie die Monde die Ringe auf verschiedene Weise gestalten, bieten einen Einblick in die Entstehung des Sonnensystems, wo sich auch Scheiben unter dem Einfluss von darin eingebetteten Massen entwickeln“, sagte der Hauptautor und Cassini-Wissenschaftler Matt Tiscareno vom SETI-Institut in Mountain View, Kalifornien.
Geheimnisse die bleiben
Gleichzeitig sind neue Rätsel aufgetaucht und alte Rätsel haben sich mit den neuesten Forschungen vertieft. Die Nahaufnahmen der Ringe haben drei unterschiedliche Texturen erkennen lassen – klumpig, glatt und streifig – und haben deutlich gemacht, dass diese Texturen scharf begrenzt auftreten. Aber warum? An vielen Stellen sind die Ringe nicht mit jenen Ringcharakteristika verbunden, welche die Wissenschaftler bisher identifiziert haben.
„Dies sagt uns, dass so wie die Ringe aussehen nicht nur davon abhängt, wie viel Material vorhanden ist“, sagte Tiscareno. „Die Partikel müssen auch noch andere Eigenschaften haben, was möglicherweise Auswirkungen darauf hat, was passiert, wenn zwei Ringpartikel kollidieren und voneinander abprallen. Aber bis jetzt wissen wir noch nicht, was es ist.“
Die analysierten Daten wurden während der engen Umlaufbahnen (Dezember 2016 bis April 2017) und dem Grande Finale (April bis September 2017) gesammelt, als Cassini knapp über den Wolken des Saturn flog. Da der Raumsonde der Treibstoff ausging, hat das Missionsteam die Sonde im September 2017 gezielt in die Atmosphäre des Planeten stürzen lassen.
Cassinis Visible and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) deckte ein weiteres Rätsel auf. Das Spektrometer, welches die Ringe im sichtbaren Licht und im nahen Infrarotlicht abbildete, identifizierte ungewöhnlich lichtschwache Wassereisbänder im äußersten Teil des A-Rings. Das war eine Überraschung, denn es ist bekannt, dass dieser Bereich stark reflektierend ist, was normalerweise ein Zeichen für weniger kontaminiertes Eis und damit stärkere Wassereisbänder wäre.
Die neue Spektralkarte gibt auch Aufschluss über die Zusammensetzung der Ringe. Während Wissenschaftler bereits wussten, dass Wassereis der Hauptbestandteil ist, schlossen die Spektralkarten nachweisbare Ammoniak- und Methan-Eisbestandteile aus. Aber es werden auch keine organischen Verbindungen gesehen – eine Überraschung angesichts des organischen Materials, das Cassini entdeckt hat und das vom D-Ring in die Saturn-Atmosphäre fließt.
„Wenn organische Substanzen in großen Mengen vorhanden wären – zumindest in den Hauptringen A, B und C – würden wir sie sehen“, sagte Phil Nicholson, Cassini VIMS-Wissenschaftler an der Cornell University in Ithaca, New York. „Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass sie ein wichtiger Bestandteil der Hauptringe sind.“
Die Forschung signalisiert den Beginn der nächsten Ära der Cassini-Wissenschaft, sagte Jeff Cuzzi vom Ames Research Center der NASA, der seit den 1970er Jahren Saturnringe untersucht.
„Wir sehen jetzt viel mehr, aber es ergeben sich auch neue und interessante Rätsel“, sage Cuzzi. Wir befinden uns gerade in der nächsten Phase, in der neue und detaillierte Modelle der Ringentwicklung erstellt werden – einschließlich der neuen Entdeckung aus Cassini-Daten, dass die Ringe viel jünger als Saturn sind.“