Neue Daten vom Weltraumteleskop Hubble und anderer Observatorien zeigen, dass sich der kleine Asteroid so schnell dreht, dass er Material abwirft und zu zerbrechen droht.
Auf den Bildern vom Hubble sind zwei schmale, kometenartige Schweife aus Staub-Trümmern zu sehen, die vom Asteroiden (6478) Gault weg strömen. Jeder Schweif stellt eine Episode dar, in welcher der Asteroid sanft Material abwirft – ein wichtiger Beweis dafür, dass Gault langsam auseinander fällt.
Der 1988 entdeckte 4 km große Asteroid wurde immer wieder beobachtet, aber der Trümmerschweif ist der erste Hinweis auf seine Zersetzung. Gault ist 344 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Die Astronomen schätzen, dass derartige Ereignisse unter den 800.000 bekannten Asteroiden zwischen Mars und Jupiter selten sind und nur ungefähr einmal pro Jahr auftreten.
Wenn ein Asteroid sich aufzulösen beginnt haben Astronomen die Möglichkeit, die Zusammensetzung dieses Objekts zu studieren, und zwar ohne dass sie eine Raumsonde hin senden müssten.
„Wir mussten nicht zum Asteroiden Gault fliegen“ erklärte Olivier Hainaut von der Europäischen Südsternwarte in Deutschland, einem Mitglied vom Gault-Beobachtungsteam. „Wir mussten nur das Bild von den Staub-Schweifen ansehen und wir konnten alle Staubkörner nach Größe sortiert erkennen. Alle großen Staubkörner (etwa so groß wie Sandpartikel) befinden sich nahe am Objekt und die kleinsten Staubkörner (etwa so groß wie Mehlstaub) sind am weitesten entfernt, weil sie durch den Druck des Sonnenwinds am schnellsten weg gedrängt werden.“
Gault ist erst der zweite Asteroid, dessen Zerfall deutlich mit dem als YORP-Effekt bezeichneten Prozess in Zusammenhang steht. YORP steht für „Yarkovsky-O´Keefe-Radzievskii-Paddack“, das sind die Namen jener vier Wissenschaftler, die zu diesem Konzept beigetragen haben. Der YORP-Effekt entsteht, wenn Sonnenlicht einen Asteroiden erwärmt und die thermische Strahlung ungleichmäßig abgegeben wird. Dadurch entsteht ein kleiner Drehmoment der dazu führen kann, dass sich der Asteroid kontinuierlich schneller dreht. Wenn die daraus resultierende Zentrifugalkraft die Schwerkraft zu überwinden beginnt, wird die Oberfläche des Asteroiden instabil und Erdrutsche können Staub und Geröll mit einigen Kilometern pro Stunde oder mit der Geschwindigkeit eines flanierenden Menschen in den Weltraum treiben. Die Forscher schätzen, dass sich die Rotationsgeschwindigkeit von Gault schon seit mehr als 100 Millionen Jahren langsam verändert.
Die jüngste Aktivität von Gault wurde zu einer astronomischen Forensik-Untersuchung verwendet, an der Teleskope und Astronomen auf der ganzen Welt teilgenommen haben. All-Sky-Vermessungen, Bodenteleskope und weltraumgestützte Einrichtungen wie das Hubble bündelten ihre Anstrengungen um diese Entdeckung zu ermöglichen.
Der erste Anhaltspunkt war die zufällige Entdeckung des Staubschweifs, der am 5. Januar 2019 vom 'Asteroid Terrestrial Impact Last Alert System' (ATLAS) auf Hawaii beobachtet wurde. Der Schweif wurde auch in Archivdaten vom Dezember 2018 von ATLAS und dem Panoramic Survey Telescope und Rapid Response System (Pan-STARRS) Teleskopen auf Hawaii entdeckt. Mitte Januar wurde ein zweiter, kürzerer Schweif von dem Canada–France–Hawaii Telescope auf Hawaii und dem Isaac Newton-Teleskop in Spanien sowie von anderen Beobachtern bemerkt. Eine Analyse beider Schweife legt nahe, dass die beiden Staubereignisse um den 28. Oktober und 30. Dezember 2018 stattfanden.
Folgebeobachtungen mit dem William Herschel Teleskop und ESAs optischer Bodenstationen auf La Palma und Teneriffa (Spanien) sowie dem Himalayan Chandra-Teleskop in Indien haben eine zweistündige Rotationsperiode für das Objekt festgestellt. Dies ist nahe der kritischen Geschwindigkeit, an der ein loser „Trümmerhaufen“ Asteroid beginnt sich aufzulösen.
„Gault ist das beste Beispiel für einen schnellen Rotator der an der Zwei-Stunden-Grenze liegt“ sagte Jan Kleyna von der Universität von Hawaii in Honolulu.
Eine Analyse von der Umgebung des Asteroiden durch Hubble ergab keine Anzeichen von weiteren verteilten Trümmern, was die Möglichkeit einer Kollision mit einem anderen Asteroiden ausschließt.
Die schmalen Schweife des Asteroiden deuten darauf hin, dass der Staub in kurzen Stößen freigesetzt wurde, die zwischen einigen Stunden und wenigen Tagen dauerten. Diese plötzlichen Ereignisse schleuderten so viele Trümmer weg, dass ein „Schuttball“ von etwa 150 Metern Durchmesser entstehen würde, wenn man den Schutt zusammenpressen könnte. Die Schweife verblassen in wenigen Monaten, wenn sich der Staub im interplanetaren Raum verteilt hat.
Auf der Grundlage von Beobachtungen des Canada–France–Hawaii Telescope schätzen die Astronomen, dass sich der längere Schweif über 800.000 Kilometern erstreckt und eine Breite von 4.800 Kilometer hat. Der kürzere Schweif ist ungefähr 200.000 Kilometer lang.
Bisher wurden erst ein paar Dutzend aktive Asteroiden gefunden. Astronomen haben jetzt vielleicht die Möglichkeit mehr von ihnen zu entdecken, da Observatorien wie Pan-STARRS und ATLAS, die den gesamten Himmel scannen, erweiterte Vermessungsfunktionen haben. „Asteroiden wie Gault können der Entdeckung nicht mehr entgehen“, sagte Hainaut.
Die Forscher hoffen, Gault bei weiteren Staubereignissen beobachten zu können.