Am 31. Dezember schwenkte die Raumsonde OSIRIS-REx in eine Umlaufbahn um den Asteroiden 101955 Bennu ein. Als Teil einer Asteroiden-Sample-Return-Mission hoffte die NASA, dass das Material dieses erdnahen Asteroiden (NEA) die Geschichte des Sonnensystems, die Entstehung seiner Planeten und den Ursprung des Lebens auf der Erde enthüllen wird.
Seit sich die Raumsonde in der Umlaufbahn befindet, hat sie einige interessante Phänomene festgestellt. Diese beinhalten die ersten nahen Beobachtungen von Partikel-Fontainen, die von der Oberfläche eines Asteroiden ausbrechen. Seit dieser Entdeckung am 6. Jänner hat das Mission-Team nach solchen Eruptionen Ausschau gehalten, so dass seit der Ankunft der Raumsonde insgesamt elf „Auswurf-Ereignisse“ beobachtet werden konnten.
Wie alle NEAs besteht Bennu aus Material, das von der Entstehung des Sonnensystems übrig geblieben ist. Das Studieren dieses Asteroiden wird daher voraussichtlich viel über diesen Prozess klären und Einblicke in die Verteilung von Wasser und organischen Molekülen im Sonnensystem vor Milliarden von Jahren geben.
Seit die Raumsonde vor drei Monaten bei dem Asteroiden eingetroffen ist, hat das Wissenschaftsteam eine Reihe von Überraschungen erlebt. Am Anfang stellte das Team fest, dass die Oberfläche des Asteroiden viel zerklüfteter ist als ursprünglich angenommen wurde, was das Team gezwungen hat, ihren Plan für die Landung auf dem Asteroiden und das Sammeln von Proben zu ändern.
Auch das erste Auswurf-Ereignis war unerwartet, ganz zu schweigen von den darauf folgenden zehn Ausbrüchen. Dante Lauretta, der Projektleiter der OSIRIS-REx-Mission an der Universität von Arizona, sagte in einer vor kurzem veröffentlichten Pressemitteilung: „Die Entdeckung von Partikelströmen ist eine der größten Überraschungen meiner wissenschaftlichen Karriere. Und das raue Gelände widerspricht all unseren Vorhersagen. Bennu sorgt immer wieder für Überraschungen, und unsere Erkundung hat gerade erst begonnen.“
Das erste Auswurf-Ereignis wurde entdeckt, als das OSIRIS-REx-Team Partikel auf einem der Bilder entdeckte, die der Nav-Cam 1-Imager aufgenommen hatte, während die Raumsonde Bennu in einer Entfernung von ungefähr 1,6 km umkreiste. Nach der Begutachtung dieses Ereignisses kam das Team zu dem Schluss, dass die Partikel kein Risiko für die Raumsonde darstellen und beschloss, die Auswurf-Ereignisse weiter zu überwachen.
Obwohl ein großer Teil des ausgestoßenen Materials von Bennu weggeschleudert wurde, fiel dem Team auf, dass einige der Teilchen als Satelliten in der Umlaufbahn landeten, bevor sie zur Oberfläche des Asteroiden zurückkehrten. Dies könnte bedeuten, dass ein Teil des Materials (das aus dem Inneren ausgestoßen wird) wiedergefunden werden kann, sobald die Raumsonde Proben von der Oberfläche sammelt.
Lori Glaze, der amtierende Direktor der Planetary Science Division am NASA-Hauptquartier in Washington, fasst diese Entwicklungen folgendermaßen zusammen:
„Die ersten drei Monate von OSIRIS-REX` gründlicher Untersuchung von Bennu haben uns daran erinnert, worum es bei einer Entdeckung geht - Überraschungen, schnelles Denken und Flexibilität. Wir studieren Asteroiden wie Bennu, um den Ursprung des Sonnensystems kennenzulernen. Die Proben von OSIRIS-REx werden uns helfen, einige der größten Fragen zu beantworten, nämlich zu wissen woher wir kommen.“
Trotzdem ist die größte Überraschung bei Bennu seine raue und mit Felsbrocken übersäte Oberfläche. Aufgrund von Beobachtungen von der Erde aus erwartete das Team eine relativ glatte Oberfläche mit einigen wenigen großen Felsbrocken. Dies beruhte auf Beobachtungen von Bennus thermischer Trägheit (seiner Fähigkeit, Wärme zu leiten und zu speichern) und von Radarmessungen seiner Oberfläche.
Als die Raumsonde beim Asteroiden ankam, stellte das Team fest, dass die Oberfläche eine wesentlich höhere Dichte an Felsbrocken aufweist als erwartet wurde. Die Tatsache, dass sich die ersten Ergebnisse als falsch herausstellten, veranlasste das Team zu einer Überarbeitung der Modelle, die zur Interpretation von Asteroiden-Daten verwendet wurden, da diese eindeutig versagen, wenn es darum geht, die Beschaffenheit der Oberflächen kleiner, steiniger Asteroiden vorherzusagen.
Bennus steinige Oberfläche bedeutete auch, dass der Plan des Teams für die Probenentnahme – ein Touch- and -Go-Verfahren (TAG) – angepasst werden musste. Ursprünglich war geplant, an einer freien Stelle mit einem Durchmesser von etwa 50 Metern zu landen. Aufgrund der Gerölldichte konnte das Team jedoch keine so große freie Stelle finden und hat stattdessen nach einer kleineren freien Stelle gesucht.
Dies erfordert eine wesentlich höhere Genauigkeit der Raumsonde während des Abstiegs auf die Oberfläche, weshalb das Team einen neuen Ansatz entwickelt (genannt Bullseye TAG). Rich Burns, der Projektmanager von OSIRIS-REx im Goddard Space Flight Center der NASA erklärte, das alles hat das Team auf Herz und Nieren geprüft:
„Während der gesamten Betriebsabläufe von OSIRIS-REx in der Nähe von Bennu hat unser Raumfahrzeug- und Betriebsteam gezeigt, dass wir eine Systemleistung erreichen können, welche die Konstruktionsanforderungen übertrifft. Bennu hat uns mit seinem rauen Gelände vor eine Herausforderung und wir sind zuversichtlich dass OSIRIS- REx der Aufgabe gewachsen ist.“
Andere bemerkenswerte Entdeckungen beinhalten die Tatsache, dass Bennus Spin-Rate sich allmählich zu verlangsamen scheint. Dies ist das Ergebnis des Yarkovsky-O`Keefe-Radzievskii-Paddack (YORP) – Effekts, bei dem es durch ungleichmäßiges Erwärmen und Abkühlen des Objekts zu einer Beschleunigung oder Abbremsung der Rotationsgeschwindigkeit kommen kann. Bei Bennu verlangsamt sich die Rotationsperiode um etwa eine Sekunde pro Jahrhundert.
Ein weitere interessante Entdeckung war das Vorhandensein von Magnetit auf Bennus Oberfläche, das vom MapCam-Farb-Imager und dem Thermal Emission Spektrometer (OTES) auf der Raumsonde aufgenommen wurde. Das Vorhandensein dieses Minerals unterstützt frühere Erkenntnisse die darauf schließen lassen, das auf Bennus Mutterkörper einst Wechselwirkungen zwischen Gesteinsmaterial und flüssigem Wasser auftraten.
Diese und weitere Erkenntnisse wurden auf der 50. Lunar and Planetary Conference präsentiert, die vom 18. bis 23. März in Houston, Texas, stattgefunden hat. Die Ergebnisse wurden auch im Rahmen einer speziellen Sammlung von Artikeln in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.