Wissenschaftler vermuten, dass Felder mit 15 Meter hohen Eissplittern auf Europas Oberfläche existieren, was eine Bedrohung für zukünftige Landungsmissionen sein könnte.
Ein Standort, der schon oft als potenzielles Habitat für außerirdisches Leben ausgewiesen wurde, könnte sich als schwieriger Ort für die Landung von Raumfahrzeugen erweisen, wie neue Forschungen gezeigt haben.
Ein Team unter der Leitung von Wissenschaftlern der Universität Cardiff hat vorhergesagt, dass bis zu 15 Meter hohe Felder mit scharfkantigem Eis in den äquatorialen Regionen des Jupitermondes Europa vorhanden sein könnten.
Frühere Weltraummissionen haben Europa bereits als eines der wahrscheinlichsten Destinationen für das Leben in unserem Sonnensystem ausgewiesen; vor allem wegen des großen Ozeans mit flüssigem Wasser unter der Oberfläche.
In einer neuen Studie, die vor kurzem in Nature Geoscience veröffentlicht wurde, heißt es, dass jede potentielle Landemission möglicherweise ein gefährliches Hindernis überwinden muss, das als „Zackenfirn“, oder „Büßereis“ bekannt ist, bevor sie auf Europas Oberfläche landen kann. Zackenfirn nennt man große scharfkantige, an Scherben erinnernde Strukturen aus Schnee und Eis, die zur Mittagssonne zeigen. Sie bilden sich durch Sublimation, die helles anhaltendes Sonnenlicht sowie kalte, trockene und ruhige Luft erfordert.
Sublimation ist ein Prozess, bei dem Eis direkt in Wasserdampf umgewandelt wird, ohne zuerst zu einer Flüssigkeit zu schmelzen. Wenn Sublimation auftritt, bleiben diese markanten Formationen zurück.
Zackenfirn ist auch auf der Erde vorhanden. Hier werden diese Strukturen 1 bis 5 Meter hoch, aber sie benötigen tropische und subtropische Bedingungen in großer Höhe, wie sie etwa in den Anden herrschen.
Europa hat jedoch die perfekten Voraussetzungen, um Zackenfirn gleichmäßiger zu gestalten, weil die Oberfläche des Mondes von Eis dominiert wird. Er hat die thermischen Bedingungen, die erforderlich sind, damit Eis ohne zu schmelzen sublimieren kann. Und es gibt sehr wenig Temperaturschwankungen in jenem Winkel, in dem die Sonne gerade auf die Oberfläche scheint.
In ihrer Studie haben die Forscher anhand von Beobachtungsdaten die Sublimationsraten an verschiedenen Punkten der Europa-Oberfläche berechnet und damit Größe und Verteilung von Zackenfirn abgeschätzt.
Sie kamen zu dem Schluss, dass die Eiszacken bis zu 15 Metern hoch werden könnten, mit einem Abstand zwischen den Zacken von etwa 7,5 Metern. Es wurde auch gefolgert, dass diese am Äquator von Europa häufiger vorkommen würden als auf anderen Regionen der Europa-Oberfläche.
Bis jetzt ist noch keine Raumsonde auf Europa gelandet. Die NASA will jedoch mit dem Europa Clipper, der 2022 starten soll, eine Reihe von Vorbeiflügen um den Mond unternehmen. Es wird angenommen, dass bald darauf eine Landemission folgen könnte.
Der Hauptautor der Studie, Dr. Daniel Hobley von der School of Earth and Ocean Sciences der Universität Cardiff, sagte: „Die einzigartigen Bedingungen auf Europa bieten sowohl aufregende Erkundungsmöglichkeiten als auch potentiell tückische Gefahren. Das Vorhandensein scharfer, Klingen ähnlicher Strukturen, die fast 15 Meter hoch sind, würden jede mögliche Landung auf Europa extrem schwierig machen. Wir hoffen, dass Studien wie die unsere, den Ingenieuren helfen werden innovative Wege zu entwickeln, um Lander sicher auf Europas Oberfläche zu bringen, sodass wir mehr über diesen faszinierenden Ort erfahren können.“
Jeff Moore, ein Co-Autor der Studie und Planetengeologe am NASA-Ames-Forschungszentrum in Mountain View, Kalifornien, bemerkte, dass die bevorstehende Europa Clipper Mission, die Anfang des nächsten Jahrzehnts starten wird, den Zackenfirn mit einer hochauflösenden Kamera direkt beobachten kann. Die Raumsonde wird zudem mit einer Reihe von Instrumenten ausgestattet sein um auch andere Eigenschaften dieses interessanten Mondes zu erforschen. Dr. Moore ist auch Projektwissenschaftler bei der Mission Europa Clipper.