Unter Verwendung des nun vollständigen Cassini-Datensatzes haben Astronomen der Universität Cornell eine neue globale topografische Karte des Saturnmondes Titan erstellt, die neue Erkenntnisse über die Flüssigkeitsströme und des Geländes gebracht hat. Zwei neue Artikel, die am 2. Dezember 2017 in den Geophysical Review Letters veröffentlicht wurden, beschreiben die Karte und die daraus resultierenden Entdeckungen.
Die Erstellung der Karte dauerte laut Doktorand Paul Corlies, dem ersten Autor von „Titan's Topography and Shape at the End of the Cassini Mission“, etwa ein Jahr. Die Karte kombiniert alle Topographie-Daten aus mehreren Quellen. Da nur etwa 9 Prozent von Titan in relativ hochauflösender Topographie beobachtet wurden und 25-30 Prozent in niedrigerer Auflösung abgebildet wurden, ist der Rest des Mondes unter Verwendung eines Interpolationsalgorithmus und eines globalen Minimierung-Prozesses abgebildet worden, wodurch Fehler reduziert werden konnten, wie solche, die sich aus dem Standort der Raumsonde ergaben.
Die Karte enthüllte einige neue Strukturen auf Titan, einschließlich neuer Berge die nicht höher als 700 Meter sind. Die Karte bietet auch einen globalen Überblick über Höhen und Tiefen der Titan-Topographie, die es den Wissenschaftlern ermöglichte zu bestätigen, dass zwei Orte in der äquatorialen Region Depressionen sind, die entweder uralte trockene Meere oder kryovulkanische Flüsse sein könnten.
Ferner wurde anhand der Karte festgestellt, dass Titan ein wenig abgeflachter ist als zuvor angenommen wurde was darauf hindeutet, dass die Dicke der Titankruste Schwankungen unterliegt, zumindest mehr als man bisher glaubte.
„Der Hauptgrund der Arbeit war es, eine Karte für die wissenschaftliche Gemeinschaft zu erstellen“, sagte Corlies; innerhalb von 30 Minuten nach dem der Datensatz online verfügbar war, erhielt er Anfragen zur Verwendung des Datensatzes. Der Datensatz kann sowohl in Form von beobachteten Daten sowie auch der interpolierten Daten heruntergeladen werden. Die Karte wird für jene Forscher wichtig sein, die das Klima von Titan modellieren, seine Form und Schwerkraft studieren, Modelle des Titan-Innerem testen wollen und oder die morphologischen Landformen auf Titan verstehen wollen.
Cornell Co-Autoren für dieses Paper sind Senior-Autor Alex Hayes, Assistenzprofessor für Astronomie, Doktorand Samuel Birch und wissenschaftlicher Mitarbeiter Valerio Poggiali.
Das zweite Paper, „Topographic Constraints on the Evolution and Connectivity of Titan's Lacustrine Basins“, thematisiert drei wichtige Ergebnisse unter der Verwendung der topographischen Daten der neuen Karte. Das Team bestand aus Hayes, Corlies, Birch, Poggiali und den wissenschaftlichen Mitarbeitern Marco Mastrogiuseppe und Roger Michaelides.
Das erste Ergebnis ist, dass die drei Meere auf Titan eine gemeinsame Äquipotentialfläche haben, was bedeutet, dass sie einen Meeresspiegel bilden, genau wie die Ozeane der Erde. Entweder, weil es einen unterirdischen Fluss gibt, der die Meere verbindet oder weil die Kanäle zwischen den Meeren genügend Flüssigkeit durchlassen, so dass die Ozeane auf Titan alle auf der gleichen Höhe sind.
„Wir maßen auch die Höhe der Flüssigkeitsoberfläche mit einer Genauigkeit von rund 40 Zentimetern, und das auf einem Objekt, das 10 astronomische Einheiten von der Sonne entfernt ist. Da wir eine so erstaunliche Genauigkeit erreichten, konnten wir sehen, dass sich die Höhe zwischen diesen beiden Meeren allmählich um 11 Meter, relativ zum Massenmittelpunkt des Titan änderte, und zwar im Einklang mit der erwarteten Änderung des Gravitationspotentials. Wir maßen auch Titans Geoid, das ist jene Form, welche die Oberfläche allein unter dem Einfluss von Schwerkraft und Rotation annehmen würde, was dieselbe Form ist, welche die Ozeane der Erde dominiert“, sagte Hayes.
Das zweite Ergebnis dieser Arbeit beweist eine Hypothese, die Hayes in seiner ersten Abhandlung in der Graduiertenschule vorbrachte: Dass die Seen auf Titan unterirdisch miteinander in Verbindung stehen. Hayes und sein Team maßen die Höhe der Seen, sowohl die Seen welche mit Flüssigkeit gefüllt sind als auch solche, die nun trocken sind und fanden, dass Seen existieren, die hunderte von Metern über dem Meeresspiegel liegen und dass innerhalb einer Wasserscheide die Böden der ausgetrockneten Seen alle höher liegen als die gefüllten Seen in der Umgebung.
„Wir sehen keine ausgetrockneten See, die tiefer als die gefüllten Seen liegen, denn wenn sie tiefer liegen würden, würden sie sich von selbst füllen. Dies deutet darauf hin, dass es einen unterirdischen Fluss gibt, der diese Seen miteinander verbindet“ sagte Hayes. „Es sagt uns auch, dass im Untergrund von Titan flüssiger Kohlenwasserstoff gespeichert ist.“
Das Endergebnis wirft allerdings ein neues Rätsel für Titan auf. Forscher fanden heraus, dass die große Mehrheit der Seen auf Titan in scharfkantigen Vertiefungen sitzt, “die buchstäblich aussehen, als ob eine Ausstechform Löcher in Titans Oberfläche gestanzt hätte“, sagte Hayes. Die Seen sind von hohen Bergrücken umgeben, die an einige Stellen hunderte Meter hoch sind.
Die Seen scheinen so geformt zu sein wie Karst-Seen auf der Erde, wo sich darunterliegendes Material auflöst und die Oberfläche einbricht und Löcher im Boden bildet. Die Seen auf Titan scheinen wie die Karst-Seen auf der Erde topographisch geschlossen zu sein, ohne Zufluss - oder Abflusskanäle. Aber die Karst-Seen auf der Erde haben keine scharfkantigen, erhöhten Ränder.
Die Form der Seen weist auf einen Prozess hin, der als "uniform scarp retreat" bezeichnet wird, bei dem sich die Grenzen der Seen jedes Mal um einen konstanten Betrag erweitern. Der größte See im Süden zum Beispiel sieht aus wie eine Reihe kleinerer leerer Seen, die sich zu einem einzigen großen Ganzen zusammengefügt haben.
Aber wenn diese Strukturen nach außen wachsen bedeutet dies, dass die Ränder zerstört und weiter außen wieder neu geschaffen werden. Dieses Geschehen aufzuklären, wäre nach Meinung von Hayes der Dreh- und Angelpunkt, um die Entwicklung der Polargebiete auf Titan zu verstehen.
Die Erforschung von Titans Strukturen wurde mit Zuschüssen von der NASA und der italienischen Weltraumagentur unterstützt.