Neu analysierte Daten aus den Vorbeiflügen der Raumsonde Galileo an einem der Jupitermonde vor zwei Jahrzehnten liefern neue Erkenntnisse: Das Magnetfeld um den Mond Ganymed ist einzigartig im Sonnensystem.
Weit entfernt von der Sonne, von wo aus die Erde nur mehr wie ein blasser blauer Punkt erscheint, hat die Raumsonde Galileo acht Jahre lang Jupiter umkreist. Während dieser Zeit sendete die robuste Raumsonde – etwas größer als eine ausgewachsene Giraffe – eine Flut von Entdeckungen auf den Monden des Gasriesen zur Erde zurück, einschließlich der Beobachtung einer magnetischen Umgebung um Ganymed, die sich von Jupiters eigenem Magnetfeld unterscheidet. Die Mission endete 2003, aber erst kürzlich wieder ausgegrabene Daten von Galileos erstem Vorbeiflug an Ganymed, liefern neue Einsichten in die Umgebung des Mondes – die im Sonnensystem einzigartig sind.
„Wir kommen jetzt 20 Jahre später zurück, um uns einige Daten anzusehen die nie veröffentlicht wurden, um die Geschichte abzuschließen“, sagte Glyn Collinson, leitender Autor eines kürzlich erschienenen Paper über Ganymeds Magnetosphäre am Goddard Space Flight Center in Greenbelt, Maryland. „Wir fanden heraus, dass es einiges gibt, von dem niemand etwas wusste.“
Die neuen Ergebnisse zeigten eine stürmische Szene: Partikel wurden durch eindringenden Plasma-Regen von der eisigen Oberfläche des Mondes gesprengt und starke Plasma-Ströme zwischen Jupiter und Ganymed verursachen ein explosives magnetisches Ereignis zwischen den magnetischen Umgebungen der beiden Objekte. Wissenschaftler glauben, dass diese Beobachtungen der Schlüssel zur Enträtselung einiger Geheimnisse des Mondes sein könnten, wie zum Beispiel, warum Ganymeds Polarlichter so hell sind.
1996, kurz nach seiner Ankunft bei Jupiter, machte Galileo eine überraschende Entdeckung: Ganymed hatte sein eigenes Magnetfeld. Während die meisten Planeten in unserem Sonnensystem, einschließlich der Erde, magnetische Umgebungen haben, bekannt als Magnetosphären, hat niemand erwartet, dass ein Mond eine Magnetosphäre hat.
Zwischen 1996 und 2000 machte Galileo sechs gezielte Vorbeiflüge an Ganymed und sammelte mit mehreren Instrumenten Daten über die Magnetosphäre des Mondes. Dazu gehörte das Plasma-Subsystem (PLS) der Raumsonde, welches die Dichte, Temperatur und Richtung des elektrisch geladenen Gases maß, das durch die Umgebung von Galileo geflossen ist. Neue Ergebnisse, vor kurzem in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlicht, zeigen interessante Details über die einzigartige Struktur der Magnetosphäre.
Wir wissen, dass die Magnetosphäre der Erde – zusätzlich dazu, dass sie Polarlichter verursacht und hilft, sich mit einem Kompass zu orientieren – der Schlüssel ist zur Erhaltung des Lebens auf unserem Planeten, weil sie die Erde vor der Strahlung aus dem Weltraum schützt. Einige Forscher denken, dass die Magnetosphäre der Erde auch für die anfängliche Entwicklung des Lebens wichtig war, da diese schädliche Strahlung unsere Atmosphäre erodieren kann. Das Studium von Magnetosphären im gesamten Sonnensystem hilft Wissenschaftlern nicht nur, mehr über physikalische Prozesse zu lernen, welche die magnetische Umgebung der Erde beeinflusst, sondern auch die Atmosphären um andere potentiell bewohnbare Welten besser zu verstehen, sowohl in unserem eigenen Sonnensystem als auch darüber hinaus.
Die Magnetosphäre von Ganymed bietet die Möglichkeit, eine einzigartige magnetische Umgebung innerhalb der viel größeren Magnetosphäre Jupiters zu erforschen. Dort ist sie vor dem Sonnenwind geschützt und unterscheidet sich dadurch von anderen Magnetosphären im Sonnensystem. Typischerweise werden Magnetosphären durch den Druck von Überschall-Sonnenwindteilchen geformt, die an den Magnetosphären vorbeifließen. Aber bei Ganymed formt das langsamere Plasma um Jupiter die Magnetosphäre des Mondes zu einer langen hornartigen Form, die sich in Richtung ihrer Umlaufbahn vor dem Mond erstreckt.
Die Raumsonde Galileo wurde, wenn sie an Ganymed vorbeiflog, ständig von hochenergetischen Teilchen getroffen. Plasma-Partikel, die von Jupiters Magnetosphäre beschleunigt werden, regnen kontinuierlich auf die Pole von Ganymed, von wo das Magnetfeld sie zur Oberfläche kanalisiert. Die neue Analyse von den Galileo-PLS-Daten zeigte, dass Plasma aufgrund des einsetzenden Plasma-Regens von der eisigen Oberfläche des Mondes abgestrahlt wird.
„Diese Teilchen, die aus den Polarregionen wegfliegen, können uns etwas über die sehr dünne Atmosphäre Ganymeds erzählen“, sagte Bill Paterson, ein Co-Autor der Studie, der beim Galileo-PLS-Team während der Mission arbeitete. „Die Teilchen können uns auch darüber erzählen, wie Ganymeds Polarlichter aussehen.“
Ganymed hat so wie die Erde Polarlichter. Aber im Gegensatz zu unserem Planeten stammen die Partikel, die Ganymeds Polarlichter verursachen, aus dem Plasma das Jupiter umgibt und nicht vom Sonnenwind. Bei der Analyse der Daten bemerkten die Wissenschaftler, dass Galileo während seines ersten Vorbeiflugs zufälligerweise die Polargebiete überquerte, was durch die auf die Oberfläche der Polarkappen fallenden Ionen bewiesen wurde. Durch den Vergleich des Ortes, an dem die fallenden Ionen beobachtet wurden mit den Daten vom Hubble, konnten die Forscher den genauen Ort der Polarlichtzone bestimmen, was ihnen helfen wird, Rätsel zu lösen wie zum Beispiel, was verursacht die Polarlichter.
Als Galileo im Jupitersystem herumflog, flog die Sonde auch zufällig durch ein explosives Ereignis, das durch das Verheddern und Zerreißen magnetischer Feldlinien verursacht wurde. Dieses Ereignis, genannt magnetische Rekonnexion (Neuverbindung), tritt in Magnetosphären in unserem Sonnensystem auf. Zum ersten Mal beobachtete Galileo starke Ströme von Plasma, die zwischen Jupiter und Ganymed durch eine magnetische Rekonnexion zwischen den beiden Magnetosphären ausgelöst wurden. Es wird vermutet, dass dieses magnetische Pumpen dafür verantwortlich ist, dass Ganymeds Polarlichter so ungewöhnlich hell sind.
Zukünftige Studien der PLS-Daten von den Vorbeiflügen könnten neue Erkenntnisse über unterirdische Ozeane liefern, die zuvor mit Hilfe von Daten der Raumsonde Galileo und dem Hubble innerhalb des Mondes gefunden wurden.