Spektrale Fingerabdrücke von Phobos` Oberfläche unterstützen die Idee, dass ein Einschlag auf dem Mars vor sehr langer Zeit zur Entstehung des Marsmondes geführt hat.
Phobos, der größere der beiden kleinen Satelliten des Mars, ist der dunkelste Mond im Sonnensystem. Dies führte zur Hypothese, dass der nahe beim Mars umlaufende Mond ein eingefangener Asteroid ist, aber seine orbitale Dynamik scheint nicht zu stimmen.
Eine neue Studie, durchgeführt von der Amerikanisch Geophysikalischen Union, deutet darauf hin, dass die Zusammensetzung von Phobos eher der vulkanischen Kruste des Roten Planeten entspricht, so dass es möglich scheint, dass der Ursprung des Mondes in einem uralten, heftigen Einschlag auf dem Mars zu finden ist.
Die seltsamen Formen und Farben der kleinen Marsmonde Phobos und Deimos haben immer wieder lange Debatten über ihre Ursprünge ausgelöst.
Die dunklen Erscheinungen der Monde ähneln den primitiven Asteroiden des äußeren Sonnensystems, was darauf hindeutet, dass es sich bei den Monden um Asteroiden handeln könnte, die vor langer Zeit von der Gravitationskraft des Mars eingefangen wurden. Aber die Formen und Winkel von den Umlaufbahnen der Monde passen nicht zu einem solchen Einfangs-Szenario.
Ein neuer Blick auf die 20 Jahre alten Daten von der Mars Global Surveyor Mission scheint die Theorie zu stützen, dass sich die Monde des Mars aus jenem Material gebildet haben, das nach einem großen Einschlag auf den Planeten in die Umlaufbahn geschleudert wurde. Die Ergebnisse der Studie wurden unter dem Titel „MGS-TES spectra suggest a basaltic component in the regolith of Phobos“ im Journal of Geophysical Research veröffentlicht.
Der Datensatz enthält einige Hinweise auf das Material aus dem Phobos besteht. Und dieses sei der Kruste des Roten Planeten ähnlicher als es den Anschein hat, meinen die Autoren der Studie.
Marc Fries, ein Planetenforscher und Kuratur für kosmischen Staub am Johnson Space Center der NASA, der an der neuen Studie nicht beteiligt war, sagte, das Unvermögen, die Entstehung zweier Monde um einen benachbarten Planeten zu erklären, sei ein eklatanter Mangel an wissenschaftlichem Verständnis über die Entstehung der Monde. Die Klärung wird helfen zu interpretieren, wie andere Monde und Planeten in unserem Sonnensystem und darüber hinaus entstanden sind. Die neue Studie bestätigt nicht das Geheimnis, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung, sagte er. „Die Frage nach den Ursprüngen von Phobos und Deimos ist ein Rätsel. Wir haben zwei konkurrierende Hypothesen, die nicht beide wahr sein können“, sagte Fries. „Ich würde dies nicht als endgültige Lösung für das Rätsel der Herkunft der Monde betrachten, aber es wird dazu beitragen, die Diskussion voranzutreiben.“
Die Debatte über den Ursprung der Marsmonde hat die Wissenschaftler seit den Anfängen der Planetenforschung gespalten. Im sichtbarem Licht sehen Phobos und Deimos viel dunkler aus als der Mars, was der Asteroiden-Hypothese Gewicht verleiht.
Wissenschaftler untersuchen die Mineralzusammensetzung von Objekten, indem sie das reflektierte Licht mit einem Spektrometer in Komponenten-Farben aufspalten und so unverwechselbare visuelle „Fingerabdrücke“ erhalten. Durch Vergleich der spektralen Fingerabdrücke von planetaren Oberflächen mit einer Bibliothek von Spektren für bekannte Materialien, können sie auf die Zusammensetzung dieser entfernten Objekte schließen. Die meisten Untersuchungen über die Zusammensetzung von Asteroiden wurden im sichtbaren Licht und im Nahen Infrarotbereich gemacht, was knapp jenseits der menschlichen Sicht auf der roten Seite des sichtbaren Spektrums liegt. Im sichtbaren und nahen Infrarotlicht sehen Phobos und D-Typ-Asteroiden sehr ähnlich aus. Solche Asteroiden haben eine sehr niedrige Albedo und ein konturloses rötliches Spektrum. Sie bestehen vor allem aus Silikaten und Kohlenstoff-Anteilen. Dieser dunkle Aspekt von Phobos führte zu der Hypothese, dass der Mond ein eingefangener Asteroid ist, der einst zu nahe am Mars vorbei flog.
Aber Wissenschaftler betrachteten die Umlaufbahnen der Marsmonde und argumentierten, dass sie nicht eingefangen worden sein können. Diese Wissenschaftler glauben, dass sich die Monde zur gleichen Zeit wie der Mars gebildet haben müssen oder durch einen massiven Einschlag auf den Planeten während seiner frühen Entwicklungsjahre entstanden sind.
„Wenn man mit Menschen spricht, die wirklich viel von Bahndynamik verstehen, sagen diese, dass es angesichts der Neigung und anderer Details von Phobos` Umlaufbahn fast unmöglich ist, dass er eingefangen wurde. Die Spektroskopiker sagen das eine und die Dynamiker etwas anderes“, sagte Geowissenschaftler Tim Glotch.
Glotch entschied sich, das Problem in einem anderen Licht zu betrachten; im mittleren Infrarot, der im Bereich der Körpertemperatur liegt. Er betrachtete die Wärmesignatur von Phobos, aufgenommen 1998 von einem Instrument der Raumsonde Mars Global Surveyor. Die Raumsonde verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens damit, auf den Mars hinunter zuschauen, aber sie warf auch einen kurzen Blick auf Phobos, als die Raumsonde nahe am Mond vorbei kam, bevor sie sich auf eine engere Umlaufbahn um den Planeten begab.
Wärmeenergie kann wie sichtbares Licht in ein Spektrum von „Farben“ aufgeteilt werden. Selbst Objekte, die im sichtbaren Licht schwarz aussehen, können in einem Infrarotspektrum leuchten. Obwohl Phobos sehr kalt ist, hat sein Wärmespektrum eine erkennbare Signatur.
Gotch und seine Studenten verglichen die Spektren im mittleren Infrarot von Phobos, die vom Mars Global Explorer aufgenommen wurden, mit Proben eines Meteoriten, der in der Nähe des Tagish-Lake in British Columbia zur Erde fiel. Einige Wissenschaftler vermuten, dass es ein Fragment eines Asteroiden der D-Klasse ist. Im Labor unterzogen sie ihre Proben Phobos-ähnlichen Bedingungen des kalten Vakuums und erwärmten die Proben von oben und unten, um die extremen Temperaturänderungen von den sonnigen zu den schattigen Seiten eines Objekts im Weltraum zu simulieren.
„Wir fanden heraus, dass der Tagish-Lake-Meteorit in diesem Wellenlängenbereich nicht wie Phobos aussieht. Was Phobos am nächsten kommt, oder zumindest einem der Merkmale im Spektrum, ist zermahlener Basalt, also gewöhnliches Vulkangestein, aus dem der größte Teil der Marskruste besteht, sagte Glotch. „Das lässt uns glauben, dass Phobos vielleicht ein Überbleibsel eines Einschlags ist, der sich in der Frühgeschichte des Mars ereignet hat.“
Die neue Studie behauptet nicht, dass Phobos vollständig aus Marsmaterial besteht, aber die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Mond einen Teil der Planetenkruste enthält, vielleicht als Verschmelzung von Trümmern des Planeten mit den Resten eines aufgeprallten Objekts.
Fries, jener Wissenschaftler der nicht an der neuen Studie beteiligt war, sagte jedoch, dass der Tagish-Lake-Meteorit ungewöhnlich sei, und dieser daher vielleicht nicht das beste Beispiel für einen Vergleich von Phobos mit einem D-Klasse-Asteroiden ist. Fries fügte hinzu, dass die neue Studie wahrscheinlich keine definitive Antwort liefern könne, auch weil Phobos der Weltraumverwitterung ausgesetzt ist, die sein Reflexionsspektrum beeinflusst. Und das lässt sich im Labor nur schwer replizieren.
Interessant findet Fries, dass eine Mischung aus Basalt und kohlenstoffreichem Material zu Phobos passt. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich kohlenstoffreicher Weltraumstaub in der Nähe des Mars auf den nahe umlaufenden Monden angesammelt hat und so ihre Oberflächen verdunkelte, sagte er.
Wissenschaftler könnten ihre Antwort auf die Herkunft von Phobos in den nächsten Jahren erhalten, wenn die Raumsonde „Martian Moon eXploration“ (MMX) und die beiden Asteroiden-Missionen Hayabusa 2 und OSIRIS-Rex ihre gesammelten Proben zur Erde zurückbringen. Die beiden Asteroiden-Missionen haben allerdings ihre Zielasteroiden schon erreicht, während die Marsmonde-Mission voraussichtlich erst im Jahr 2024 starten wird.