Kometen, die aus zwei Teilen bestehen wie Chury, können sich nach einer katastrophalen Kollision aus einem größeren Körper bilden. Solche Kollisionen könnten in einer späteren Phase unseres Sonnensystems stattgefunden haben, was darauf hindeutet, dass Chury viel jünger ist als bisher angenommen wurde. Dies zeigen Computersimulationen einer internationalen Forschungsgruppe unter Beteiligung der Universität Bern.
In den Computersimulationen untersuchte das Forscherteam was passiert ist, nachdem zwei große Kometenkerne heftig zusammenstoßen sind. „Die Berechnungen haben gezeigt, dass ein Großteil des Materials in viele kleinere Stücke zerfällt“, erklärte Martin Jutzi vom Zentrum für Weltraum und Habitabilität (CSH) der Universität Bern und Mitglied des NCCR PlanetS.
Die neu entstandenen Objekte haben unterschiedliche Formen und Größen, darunter sind auch viele längliche Körper, von denen einige aus zwei Teilen bestehen, so wie der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko, den die Universität Bern im Detail mit dem Berner Massenspektrometer ROSINA auf der Raumsonde Rosetta studierte.
„Wir waren überrascht, dass bei solchen katastrophalen Kollisionen nur ein kleiner Teil des Materials erheblich komprimiert und erhitzt wird,“ sagte Martin Jutzi. Auf der dem Auftreffpunkt gegenüberliegenden Seite des Kometen können flüchtige Substanzen selbst heftigen Kollisionen standhalten. Deshalb hat die neue Generation von Kometen noch eine geringe Dichte und ist reich an flüchtigen Substanzen – Eigenschaften, welche auch auf dem Kometen Chury gefunden wurden.
Daher könnte der ungewöhnlich geformte Komet nach einer späteren Kollision entstanden sein und nicht notwendigerweise aus der frühen Entstehungsphase des Sonnensystems stammen, wie wiederholt behauptet wurde. Über diese Entdeckung wurde im Journal Nature Astronomy von der Forschungsgruppe um Stephen Schwartz von der Universität Côte d 'Azur und der Universität von Arizona berichtet.
Aufprall mit einer Geschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Sekunde
In früheren Studien waren Martin Jutzi und Willy Benz, Astrophysiker am CSH der Universität Bern und Direktor von PlanetS, bereits zu dem Schluss gekommen, dass Chury seine Zwei-Komponenten-Struktur nicht bekam, als unser Sonnensystem vor 4,5 Milliarden Jahren entstand. Die Forscher zeigten, dass die schmale Stelle zwischen den beiden Teilen des Kometen nicht mehrere Milliarden Jahr überdauert haben konnte und dass Chury möglicherweise durch einen vergleichsweise sanften Einschlag entstanden ist. „Wir haben jetzt katastrophale Kollisionen mit viel Energie untersucht“, erklärte Martin Jutzi. Die neuen Berechnungen bestätigen die bisherigen Ergebnisse und erweitern die möglichen Entstehungs-Szenarien.
Das Forscherteam untersuchte was passiert, wenn unterschiedlich große Objekte in verschiedenen Winkeln und Geschwindigkeiten zwischen 20 und 3,000 Metern pro Sekunde miteinander kollidieren. Die Simulationen zeigen, dass kleine Fragmente in den Stunden und Tagen nach der Kollision in viele transiente Aggregate übergehen. Die endgültige Form ist oft das Ergebnis von zwei oder mehr großen Objekten, die bei sehr niedrigen Geschwindigkeiten miteinander kollidieren, um eine Zwei-Komponenten-Struktur zu bilden.
Mögliche Erklärung für Churys mysteriöse Strukturen
Den Simulationen zufolge sammelten sich in den Tagen und Wochen, in denen der Komet seine Form erhielt, kleine Aggregate in seiner Nähe weiter an. In der Realität könnte dieses Material beim Auftreffen auf die Oberfläche abgeflacht sein und so zu einer Schichtstruktur geführt haben. Wenn sich in diesem Stadium große Blöcke ansammeln, können außerdem Hohlräume entstehen, die sich zu großen Vertiefungen entwickeln können. Solche geologischen Strukturen wurden auf Chury von der Rosetta-Mission entdeckt – diese Beobachtungen galten früher als mysteriös. „Unsere Ergebnisse bestätigen nicht nur, dass Komet Chury viel jünger ist als bisher angenommen wurde, sondern bietet auch eine mögliche Erklärung für seine markanten Strukturen“, sagte Jutzi.