Obwohl Helium auf der Erde ein seltenes Element ist, ist es im Universum allgegenwärtig. Es ist nach Wasserstoff der Hauptbestandteil von gasförmigen Riesenplaneten. Trotz seiner Häufigkeit wurde Helium erst kürzlich in der Atmosphäre eines Gasriesen nachgewiesen, und zwar von einem internationalen Team dem auch Astronomen der Universität Genf (UNIGE) in der Schweiz angehören. Das Team, welches diesmal von Genfer Forschern geleitet wurde, hat im Detail zum ersten Mal beobachtet, wie dieses Gas aus der überhitzten Atmosphäre eines Exoplaneten entweicht, der buchstäblich mit Helium aufgeblasen wurde. Die Ergebnisse wurden im Journal Science veröffentlicht.
Helium ist das zweithäufigste Element im Universum. Seit 2000 wird es als einer der bestmöglichen Indikatoren für die Atmosphären von Exoplaneten vorhergesagt, die andere Sterne als die Sonne umkreisen. Astronomen brauchten 18 Jahre, um solche Atmosphären tatsächlich zu entdecken. Aufgrund der besonderen Beobachtungssignatur von Helium, das sich im Infrarotbereich außerhalb der Reichweite der meisten bisher verwendeten Instrumente befindet, war es schwer zu erkennen. Die Entdeckung erfolgte heuer dank der Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop, ließ sich aber nur schwer interpretieren. Teammitglieder von UNIGE und vom Nationalen Zentrum für Kompetenz in der Forschung PlanetS hatten die Idee, ein anderes Teleskop mit einem brandneuen Instrument auf das Ziel auszurichten – einen Spektrographen mit Namen Carmenes.
Mit Carmenes die Farben von Planeten erkennen
Ein Spektrograph zerlegt das Licht eines Sterns in seine Farbkomponenten wie ein Regenbogen. Die „Auflösung“ eines Spektrographen ist das Maß für die Anzahl an Farben, die aufgedeckt werden können. Während das menschliche Auge ohne eine adaptierte Kamera keine Farbe über Rot hinaus unterscheiden kann, kann das Infrarotauge vom Hubble Hunderte von Farben erkennen. Dies erwies sich als ausreichend, um die Farbsignatur von Helium zu identifizieren. Das Instrument Carmenes, welches auf dem 4-Meter-Teleskop des Observatoriums Calar Alto in Andalusien (Spanien) installiert ist, kann im Infraroten mehr als 100.000 Farben erkennen.
Dank dieser hohen spektralen Auflösung konnte das Team die Position und Geschwindigkeit von Heliumatomen in der oberen Atmosphäre eines gasförmigen Exoplaneten von der Größe Neptuns beobachten. HAT-P-11b befindet sich im Sternbild Cygnus, ist 124 Lichtjahre von der Erde entfernt und ist ein sogenannter „warmer Neptun“ (respektable 550° C), der 20-mal näher an seinem Stern ist als die Erde an der Sonne.
„Wir hatten den Verdacht, dass diese Nähe zum Stern die Atmosphäre dieses Exoplaneten beeinflussen könnte“ sagte Romain Allart, Doktorand bei UNIGE und Erstautor der Studie. Die neuen Beobachtungen sind so präzise, dass die Atmosphäre des Exoplaneten zweifellos durch stellare Winde aufgeblasen wird und in den Weltraum entweicht“, fügte er hinzu.
Ein mit Helium aufgeblähter Planet
Diese Beobachtungen wurden durch numerische Simulationen unter der Leitung von Vincent Bourrier, Co-Autor der Studie und Mitglied des europäischen Projekts FOUR ACES* unterstützt. Dank der Simulation war es möglich, die Flugbahn von Heliumatomen zu verfolgen: „Helium wird mit über 10.000 km/h von der Tagseite des Planeten auf die Nachtseite geblasen“, erklärte Vincent Bourrier. „Da es sich um ein leichtes Gas handelt, entweicht es mühelos der Anziehungskraft des Planeten und bildet ringsum eine ausgedehnte Wolke. Dies gibt HAT-P-11b die Form eines mit Helium aufgeblasenen Ballons“ fügte Bourrier hinzu.
Dieses Ergebnis öffnet ein neues Fenster, um die extremen atmosphärischen Bedingungen in den heißesten Exoplaneten zu beobachten. Die Beobachtungen von Carmenes zeigen, dass solche Untersuchungen, die lange Zeit nur vom Weltraum aus durchführbar waren, mit Bodenteleskopen, die mit den richtigen Instrumenten ausgestattet sind, mit größerer Präzision erreicht werden können.
„Dies sind aufregende Zeiten für die Suche nach atmosphärischen Signaturen in Exoplaneten“, sagte Christoph Lovis, Dozent bei UNIGE und Mitautor der Studie. Tatsächlich sind UNIGE-Astronomen auch stark an der Entwicklung und Nutzung von zwei neuen hochauflösenden Infrarot-Spektrographen beteiligt, ähnlich wie bei Carmenes.
Einer dieser Spektrographen, SPIRou, hat gerade eine Beobachtungskampagne auf Hawaii gestartet, während die UNIGE-Abteilung für Astronomie die ersten Tests des Near Infrared Planet Searcher (NIRPS) beherbergt, der Ende 2019 in Chile installiert werden wird. „Das Ergebnis wird das Interesse der wissenschaftlichen Gemeinschaft an diesen Instrumenten verstärken. Ihre Anzahl und ihre geographische Verteilung werden es uns ermöglichen, den gesamten Himmel auf der Suche nach verdampfenden Exoplaneten abzudecken“, fügte Lovis hinzu.
*FOUR ACES (Future of Upper Atmospheric Characterisation of Exoplanets with Spectroscopy) ist ein Projekt, das durch einen Consolidator-Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms 2020 der Europäischen Union finanziert wird. (Finanzhilfevereinbarung Nr. 724427)