In den letzten Tagen ihrer dreieinhalbjährigen Reise sendete Japans Sample Return-Raumsonde Hayabusa 2 die ersten klaren Bilder des Asteroiden Ryugu zur Erde, einem bisher unerforschtem Objekt, von dem die Wissenschaftler sagen, es ähnelt einem Kreisel, der rund 288 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist. Der fast 900 Meter große Asteroid wird in den kommenden Monaten genau untersucht werden.
Hayabusa 2 wurde am 3. Dezember 2014 an Bord einer japanischen H-2A-Rakete gestartet und ist Japans zweite Weltraummission, die Proben von einem Asteroiden zurück zur Erde bringen soll. Die Vorgänger-Mission Hayabusa brachte 2010 mikroskopische Proben vom Asteroiden Itokawa zur Erde, nachdem eine Reihe von Fehlfunktionen verhinderten, dass die geplanten Menge an Material erfasst werden konnte.
Hayabusa 2 startete mit einigen größeren Verbesserungen und anstatt zu einem S-Typ Asteroiden wie Itokawa zu fliegen, lenkten die Missionsplaner die neue Mission zu Ryugu, einem C-Typ Asteroiden, der reich an Kohlenstoff und anderen Bausteinen besteht, aus denen die Planeten des Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren entstanden sind.
„Hayabusa war ein technologischer Demonstrator, sein Hauptzweck war Technologie zu testen und erst der zweite Zweck war die Wissenschaft“, sagte Makoto Yoshikawa, Missionsleiter von Hayabusa 2 bei einem Telefoninterview vergangene Woche mit Spaceflight Now. „Für Hayabusa 2 ist die Wissenschaft der Hauptzweck“ ergänzte Makoto Yoshikawa.
Am Mittwoch war Hayabusa 2 rund 80 Kilometer von Ryugu entfernt. Sie näherte sich dem Asteroiden mit einer Geschwindigkeit von etwa 0,3 Metern pro Sekunde, dies ist deutlich weniger als ein typisches Schritttempo. Der Asteroid Ryugu, der in einem berühmten japanischen Märchen nach einem Drachenpalast benannt wurde, hat eine Umlaufperiode von 1,3 Jahren und seine Bahn bringt ihn kurzzeitig in die Nähe der Erdumlaufbahn, was Ryugu zu einem potenziell gefährlichen Asteroiden macht. (Perihel 0,963 AE – Aphel 1,415 AE)
Die Raumsonde Hayabusa 2 schaltete am 3. Juni ihren Ionenantrieb zum letzten Mal aus, den sie seit Januar fast ununterbrochen in Betrieb hatte, um ihre Umlaufbahn um die Sonne der Bahn von Ryugu anzugleichen. Die Ionentriebwerke verbrauchen Xenon-Treibstoff und erzeugen nur geringe Schubkräfte, aber die Treibstoffeffizienz erlaubt den Triebwerken, lange Zeit zu arbeiten.
Seit dem Ausschalten des Ionenantriebs haben die konventionellen mit Hydrazin angetriebenen Triebwerke mehrere Zündungen durchgeführt, um eine Feinabstimmung bei der endgültigen Annäherung der Sonde an Ryugu durchzuführen. Die Manöver zur Flugbahnkorrektur haben Hayabusas Endkurs verlangsamt und die Sonde in eine Zick-Zack Bewegung gebracht, die dem Bodenpersonal helfen sollte, die Position des Asteroiden genau zu bestimmen, indem sie seine Bewegung vom dem Hintergrund der Sterne abbildete.
Die optische Navigationskamera der Raumsonde erfasste jeden Tag bessere Ansichten von Ryugu und zeigte den Wissenschaftlern Oberflächenstrukturen, Krater und die Form des Asteroiden. So konnten die Forscher zum ersten Mal Oberflächeneigenschaften und Spinorientierung erkennen.
Es stellte sich heraus, dass Ryugu eine Rotationsperiode von 7,6 Stunden hat, dies passt ungefähr zu jenen bodengestützten Beobachtungen, die Forscher gemacht hatten. Aber Ryugu war zu klein, um vom Boden aus seine Form erkennen zu können. Dies gelang erst mit der Raumsonde aus der Nähe.
„Die Form des Asteroiden erinnert an einen Kreisel (im japanischen „Koma“ genannt), am Äquator ist er breiter als an den Polen“ schrieb Sei-ichiro Watanabe, Projektwissenschaftler von Hayabusa 2 in einem Update auf der JAXA-Webseite. „Diese Form ist bei vielen kleinen Asteroiden zu sehen, die sich mit hoher Geschwindigkeit drehen.“ Wissenschaftler haben Kratern ähnliche vertiefte Landformen auf Ryugu bemerkt und ein helles raues Areal auf dem oberen Teil des Asteroiden, von Hayabusa 2 aus gesehen.
„Als wir uns Ryugu näherten und einzelne Merkmale der Topologie des Asteroiden unterscheiden konnten, wurde klar, dass dieser Asteroid eine kleine Welt mit reichem Gelände ist“, schrieb Seiji Sugita, Hauptforscher der optischen Navigationskamera von Hayabusa 2. „Zahlreiche Gesteinsbrocken rollen über die Oberfläche. Unter diesen ragt eine große felsige Struktur (etwa 150 Meter groß) im oberen Teil von Ryugu aufgrund ihrer helleren Farbe hervor.
„Der gürtelförmige Ring an Erhöhungen, die den Äquator umgeben, ist auch etwas heller als seine Umgebung“, schrieb Sugita. „Dieser Farbunterschied kann einen Unterschied in der Materialzusammensetzung und der Größe der Partikel, die das Gestein bilden, widerspiegeln. Wir können auch viele vertiefte Regionen erkennen, die wie Krater aussehen. Diese Depressionen könnten durch Zusammenstöße mit anderen Himmelskörpern entstanden sein.“
Ryugus „Kreiselgestalt“ ähnelt vermutlich der Form des Asteroiden Bennu, dem Ziel der Raumsonde OSIRIS-REx, die später in diesem Jahr bei Bennu ankommen wird.
Bennu ist ungefähr halb so groß wie Ryugu, aber Forscher hatten bessere Bilder von Bennu, die von eine erdnahen Passage stammen, die es ermöglichte, Radaraufnahmen zu machen. Forscher glauben, dass beide Asteroiden viel Kohlenstoff enthalten, ein essentielles Element organischer Verbindungen, aber Bennu hat eine etwas andere chemische Signatur, was ihn zu einem seltenen B-Typ Asteroiden macht.
„Also haben wir sowohl Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten, die zu sehr ähnlichen Formen führen – warum ist dies so?“ schrieb Yoshikawa auf JAXAs Webseite. „Bisher haben sich Asteroiden, die wir erforscht haben, in ihrer Form unterschieden. Es ist das erste Mal, dass mit Ryugu und Bennu zwei ähnlich geformte Asteroiden untersucht werden. Es wird interessant sein, genau zu klären, was diese Ähnlichkeit wissenschaftlich bedeutet.“
Mitglieder des Hayabusa 2-Teams von JAXA und des OSIRIS-REx-Teams der NASA arbeiten bei ihren Erforschungs-Bemühungen der Asteroiden zusammen. Die Raumfahrtagenturen haben sich darauf geeinigt, Asteroidenproben, die von Hayabusa 2 und OSIRIS-REx zur Erde gebracht werden, zu teilen. Und drei US-Wissenschaftler des OSIRIS-REx-Teams werden als Untersucher für die japanische Mission eingesetzt und im Gegenzug treten drei japanische Forscher offiziell dem OSIRIS-REx-Team bei.
Ryugus Gravitationsfeld ist 60.000 Mal schwächer als das der Erde, aber trotzdem wirkt dessen Gravitation bereits auf die Raumsonde. Die Navigatoren wollen bei Ankunft von Hayabusa 2 am 27. Juni die Sonde bei einem Abstand von 20 Kilometern den Asteroiden umkreisen lassen.
Dann beginnen die wissenschaftlichen Instrumente von Hayabusa 2, welche eine Kamera-Suite, einen Laser zur Messung der Topographie und ein Spektrometer für das Nahe Infrarot zur Untersuchung der Zusammensetzung von Ryugu beinhalten, ihre Erkundung des Asteroiden.
„Zuerst aus einer Entfernung von 20 Kilometern, aber Ende Juli werden wir uns auf weniger als 5 Kilometer der Oberfläche näheren, so dass wir viel detailliertere Oberflächenbilder bekommen werden“, sagte Yoshikawa. „Außerdem werden wir im August die Gravitation von Ryugu messen und zu diesem Zweck bis auf einen Kilometer Abstand an die Oberfläche herangehen.“
Nach den ersten Ergebnissen werden japanische Wissenschaftler im August beschließen, wo Hayabusa 2 landen soll, um die erste von drei Proben zu sammeln. Die erste Touch-and-Go-Landung der Mission auf Ryugu ist für September oder Oktober geplant.
Der Sampling-Mechanismus von Hayabusa 2 funktioniert, indem man nach dem Sinken auf die Oberfläche eine kleine Kugel in den Asteroiden schießt. Das Projektil wird abgefeuert, während der Sampling-Trichter von Hayabusa 2 in Kontakt mit dem Asteroiden ist und Ingenieure durch die von der Kugel übertragene Energie steiniges Geröll durch eine Röhre in eine Sammelkammer zur Aufbewahrung in der Rückkehrkapsel verstaut haben.
Hayabusa 2 trägt vier Lander, darunter einen 10-Kilo-Roboter namens MASCOT, der von einem deutsch-französischen Team gebaut wurde, das auch den Kometenlander Philae, der von ESAs Mission Rosetta für die Landung auf dem Kometen 67P/churyumov-Gerasimenko im Jahr 2014 eingesetzt wurde, bereitstellte. Yoshikawa sagte, dass MASCOT Anfang Oktober auf Ryugu landen soll. Der Roboter ist mit einem eigenen Instrumentensatz und einer Kamera ausgestattet, um auf mehrere Orte auf dem Asteroiden springen zu können. Drei weitere in Japan gebaute Landungseinheiten werden während der Mission ebenfalls zum Asteroiden absteigen.
Eine der drei Proben, die von Hayabusa 2 gesammelt werden, wird aus Material bestehen, das unter der Oberfläche des Asteroiden liegt. Die Raumsonde wird Sprengstoff verwenden, um einen Kupferimpaktor in den Asteroiden zu feuern, um so einen künstlichen Krater zu erzeugen, wodurch unterirdisches, unberührtes Gestein freigelegt wird, welches die Sonde während eines „Touch-and-Go“ Manövers aufnehmen wird. Jede der drei Proben wird in einer separaten Kammer in der Rückkehrkapsel der Raumsonde aufbewahrt.
Hayabusa 2 wird Ryugu Ende 2019 verlassen und im Dezember 2020 soll der Probenbehälter mit einem Fallschirm in Australien landen. Wenn alles nach Plan verläuft, sollte Hayabusa 2 mindestens ein Gramm Asteroidenmaterial zur detaillierten Analyse auf die Erde bringen.
Die Raumsonde OSIRIS-REx soll um den 3. Dezember in der Nähe von Bennu eintreffen, aber das Bodenteam der Mission wird ein Jahr lang den Asteroiden untersuchen, bevor es im Juli 2020 eine Probensammlung beginnt und erst im Jahr 2023 mit den Proben zur Erde zurückkehren.
Quelle: https://spaceflightnow.com/2018/06/20/asteroid-ryugu-revealed-by-approaching-japanese-spacecraft/