Wissenschaftler analysierten den neu entdeckten Sternhaufen Gaia 1
Im Jahr 2013 startete die Europäische Weltraumorganisation (ESA) die Mission Gaia, eine Weltraumsonde zur Messung von Positionen und Bewegungen von Himmelskörpern. In den vergangenen vier Jahren studierte Gaia Planeten, Kometen, Asteroiden, ferne Sterne und Quasare, sowie andere astronomische Objekte. Die Daten, die Gaia erwirbt, werden verwendet, um den größten und präzisesten 3D-Weltraumkatalog zu erstellen der jemals gemacht wurde. Insgesamt werden mit diesem Katalog eine Milliarde Objekte erfasst.
Mit Hilfe von Daten, die von Gaia zur Verfügung gestellt wurden, hat ein Team internationaler Wissenschaftler eine Studie über den kürzlich entdeckten Sternhaufen mit Namen Gaia 1 durchgeführt. Beim rund 15 000 Lichtjahre von der Erde entfernten Haufen wurde ein Radius von etwa 29 Lichtjahren gemessen, aber sonst war über Gaia 1 noch wenig bekannt. Die Studie half dazu beizutragen, eine Reihe von ungelösten Fragen über die Beschaffenheit dieses Sternhaufens zu beantworten, zum Beispiel über Alter, Metallizität und Herkunft von Gaia 1.
Im Lauf ihrer Studie, die vor kurzem in der Zeitschrift Astronomy and Astrophysics unter dem Titel „Detailed Chemical Abundance Analysis of the Thick Disk Star Cluster Gaia 1“ veröffentlicht wurde, führte das Team eine detaillierte chemische Häufigkeitsstudie von Gaia 1 durch, um die bis dahin noch unbekannten Parameter zu bestimmen. Aus dem Ergebnis sind genauere Schätzungen über Alter und Zusammensetzung möglich.
Dieser Sternhaufen wurde erstmals im Mai 2017 identifiziert - dank der ersten Datenfreigabe (DR1) von der ESA. Basierend auf der Photometrie von Gaia, der Two Micron All-Sky Survey (2MASS), dem Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) und dem Panorama Survey Telescope and Rapod Response System (PAN-STARRS1), wurde das Objekt als ein 6,3 Milliarden Jahre altes mäßig metallreiches System charakterisiert.
Diese kombinierte Photometrie zeigt auch, dass der Haufen einen Radius von etwa 29 Lichtjahren hat und bis zu 20 000 Sonnenmassen enthält. Allerdings stellten weitere Studien fest, dass der Haufen weit metallreicher ist als bisher angenommen wurde. Dies zeigte auch, dass Gaia 1 mit einer Schätzung von etwa 3 Milliarden Jahren deutlich jünger ist als bisher angenommen wurde.
Darüber hinaus haben die nachfolgenden Studien auch die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass, basierend auf den Fakten, der Haufen in etwa 5 500 Lichtjahren Entfernung über der Scheibe der Milchstraße kreist und extra-galaktischen Ursprungs sein könnte. Um Unklarheiten darüber zu beseitigen, hat das Team unter der Leitung von Andreas Koch von der Universität Lancaster und dem Zentrum für Astronomie in Heidelberg Gaia-Daten verwendet, um eine detaillierte Studie über die Metallizität von Gaia 1 durchzuführen, um eine bessere Vorstellung vom Alter dieses Haufens zu bekommen.
Wie das Team in seiner Studie angeführt hat, konzentrierte sich ihre Arbeit auf eine detaillierte Häufigkeitsanalyse von vier roten Riesensternen im Gaia1-Haufen, die auf einer hochauflösenden Spektroskopie basiert, die durch eine Untersuchung der Bahneigenschaften dieser Übergangsobjekte ergänzt wird. Diese bestand darin, die Häufigkeiten von 14 Elementen innerhalb dieser roten Riesensterne zu bestimmen, die aus der 2MASS Untersuchung ausgewählt wurden.
Was sie feststellten war, dass Gaia 1 an Metall ärmer ist als bisher angenommen wurde, was darauf hindeutet, dass der Haufen älter ist als die überarbeiteten Altersschätzungen – zwischen 3 Milliarden und 5,3 Milliarden Jahre. Darüber hinaus wurden auch die richtigen Bewegungen und Umlaufbahnen der vier Zielsterne gemessen, wobei Daten aus dem fünften Katalog vom US Naval Observatory CCD Astrograph Catalog (UCAC5) herangezogen wurden.
Diese Information ergab, dass die vier Zielsterne im Laufe ihrer Umlaufbahnen einen maximalen Abstand von 3 262 Lichtjahren über der galaktischen Scheibe erreichen werden, was ein Hinweis darauf war, dass sie nicht extra-galaktischen Ursprungs sein können. Zu guter Letzt haben die Daten ergeben, dass die Struktur von Gaia 1 nicht wirklich mit der eines Kugelhaufens übereinstimmt, wie man ursprünglich annahm.
Abschließend wurde in der Studie festgestellt:
„Dies bestätigt, dass Gaia 1 eher ein massiver und leuchtender offener Haufen ist, als ein Kugelhaufen mit niedriger Masse. Ferner verstärken unsere Bahnberechnungen der Zielsterne und unsere chemischen Erkenntnisse über Gaia 1 ihre derzeitige Zugehörigkeit zur dicken Scheibe, obwohl es noch unklar ist, welche Mechanismen ihn auf diesen Platz beförderten.“
Während diese Studie dazu beigetragen hat, genauere Erkenntnisse über das neu entdeckte Gaia-Objekt zu bekommen, erkennt das Team an, dass es über diesen Sternhaufen noch viel zu entdecken gibt. Sie erkennen auch an, dass es eine Fehlerspanne gibt, wenn es um ihre Studie geht und das weitere Untersuchungen erforderlich sind, ehe Gaia 1 ordnungsgemäß klassifiziert werden kann.
„Allerdings kann der Hinweis auf eine Metallizität, die in verschiedenen Studien verbreitet wird, auf einen komplexeren Ursprung hinweisen, der einen einst massiveren Vorläufer beinhalten könnte“, sagen die Forscher. „So bleibt die Frage nach der genauen Entstehung und Herkunft unklar und benötigt weitere Daten wie zum Beispiel die präzisen und genauen Parallaxen, die Gaia liefern kann.“
Alle Versuche, den neu entdeckten Sternhaufen besser zu verstehen, sind nur die Spitze des Eisberges wenn es darum geht aufzuarbeiten, was die Gaia-Mission bisher offenbart hat. Die zweite Veröffentlichung von Gaia-Daten, Gaia DR2, soll im April 2018 stattfinden. Danach folgt eine dritte Veröffentlichung im Jahr 2020. Es ist keine Erweiterung der Mission geplant. Im Jahr 2022 wird der vollständige Katalog mit allen Daten zur Verfügung stehen.
28. September 2017/SP
Verein Kuffner-Sternwarte