Überlebenskünstler Bärtierchen
Mikroskopisch kleine Tardigraden, auch als „Bärtierchen“ und „Wasserbären“ bekannt, sind die widerstandsfähigsten Tiere auf unserem Planeten. Sie sind in der Lage, intensiver Strahlung, extremen Temperaturen und sogar dem Vakuum des Weltraums zu widerstehen. In einer faszinierenden neuen Studie haben Forscher gezeigt, dass Tardigraden auch globale Naturkatastrophen überleben können. Vielleicht ist diese Art die heute lebt, die letzte die zugrunde gehen wird wenn die Sonne in Milliarden von Jahren alles Leben auf der Erde vernichtet.
Der Punkt ist, dass in dieser Studie, vor kurzem in Scientific Reports veröffentlicht, die Bedingungen zu bestimmen waren, unter denen alles Leben auf der Erde ausgelöscht werden könnte und auch jene Phänomene zu erkennen, welche zu einer vorzeitigen Sterilisation der Erde führen würden. Das Wort vorzeitig ist der Schlüssel. Die Sonne könnte die Erde in ferner Zukunft sterilisieren, wenn sie sich zu einem roten Riesen aufbläht. Aber das war es nicht, was dieses Forscherteam interessierte. Sie wollten wissen, ob etwas anderes in der Lage wäre, das ganze Leben auf unserem Planeten zu vernichten.
Die Antwort auf diese Frage könnte uns über die Anpassungsfähigkeit des Lebens und die extremen Bedingungen, unter denen es ein Überleben oder ein nicht Überleben geben kann Aufschluss geben – auf der Erde, dem Mars, den kalten unterirdischen Gewässern des Jupitermondes Europa oder in einer dunklen Ecke der Milchstraße.
Avi Loeb, ein Astronom am Harvard-Smithsonian-Center für Astrophysik und Co-Autor der neuen Studie, sagte: „Ich war neugierig zu erforschen, welche astrophysikalischen Phänomene das Leben auslöschen können und in welchen Umgebungen wir nicht nach Leben suchen sollten.“
Zuerst mussten Loeb und seine Kollegen eine grundlegende Frage beantworten: Welches Tier auf der Erde ist am schwersten zu töten? Diese Tiere, was praktisch niemanden überraschte, sind die sonderbaren und widerstandsfähigen Tardigraden. Die achtbeinigen winzigen Bärtierchen (sie können durch ein Mikroskop betrachtet werden) können Bedingungen aushalten, die unsere Vorstellungen übersteigen. Tardigraden können 30 Jahre ohne Nahrung und Wasser überleben und kurzzeitige Extremtemperaturen von 150 Grad Celsius bis – 272 Grad Celsius aushalten. Ferner widerstehen sie gefährlicher Strahlung, kompletter Austrocknung, Einfrierung, dem Vakuum des Weltraums und können sogar, trotz des intensiven Drucks, am unteren Rand des Marianen-Grabens gefunden werden.
Es sollte also wenig überraschen, dass diese Tiere, die vor rund 520 Millionen Jahren während des Kambriums entstanden sind, es geschafft haben, nicht weniger als fünf Massenaussterben zu überleben.
Mit den ausgewählten Tardigraden erforschte Loebs Team die verschiedenen Wege, auf welchen diese Kreatur vollständig vom Planeten gefegt werden könnte. Unglaublich, aber sie entdeckten, dass diese alten Extremophile wahrscheinlich alle natürlichen Katastrophen überleben – von Asteroiden-Einschlägen, über Supernovae bis hin zu Gamma-Ray-Bursts und wandernden Sternen – weil keiner dieser Ereignisse das einzige auslösen wird, was wirklich alle Tardigraden zerstören kann: verdampfende Ozeane. Nur wenn die Ozeane verdampfen und der Planet knochentrocken ist, wird auch die Familie der Tardigraden untergehen.
Loeb und seine Kollegen, Rafael Batista und David Sloan, beide von der Universität Oxford, sagen, dass die Tardigraden in der Lage wären, die Zerstörung der Erdatmosphäre oder einen extremen Treibhauseffekt zu überleben, wenn sie Schutz im Ozean suchten. Auch astrophysikalische Ereignisse die stark genug wären, um das Wasser des Planeten zu dezimieren, wie Asteroiden-Einschläge, Supernovae und Gamma-Ray-Bursts, scheinen nicht mächtig genug zu sein, um sie auszurotten.
Es gibt nur etwa ein Dutzend bekannte Asteroiden und Zwergplaneten die groß genug wären, damit deren Einschlag bei der darauf folgenden Hitze die Ozeane zum Kochen bringen würde. Dazu gehören Vesta und Ceres, aber keines dieser Objekte wird je die Erdbahn kreuzen.
Eine Supernova, die stärkste bekannte Sternexplosion, müsste näher als 0,14 Lichtjahre oder 8.900 AE (1 AE Entfernung Erde-Sonne) stattfinden, um die Ozeane zum Kochen zu bringen. Der nächstliegende Stern Proxima Centauri ist mehr als vier Lichtjahre entfernt, so dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein massiver Stern das ganze Leben auf der Erde auslöscht, praktisch vernachlässigbar ist.
Interessanterweise kam vor rund 70.000 Jahren ein Stern unserem Sonnensystem bis auf 0,8 Lichtjahre nahe. Aber solche Ereignisse sind außergewöhnlich selten, und die Chancen, dass ein Stern gerade zu einem solchen Zeitpunkt zur Supernova wird, ist gleich null.
Es könnte auch ein wandernder Stern beim Vorübergehen das Sonnensystem durcheinander bringen, so dass die Planeten aneinander geraten und eventuell die Erde aus dem Sonnensystem geworfen wird. Auch theoretisch möglich, aber höchst unwahrscheinlich.
Zu guter Letzt gibt es die Möglichkeit eines Gammastrahlen-Ausbruchs. Solche Ereignisse werden durch Supernovae oder Hypernovae (etwa 10 mal heller als normale Supernovae) verursacht. Diese energiereichen Explosionen erzeugen radioaktiven Niederschlag, der in der Lage ist, einen ganzen Planeten zu sterilisieren. Aber wie Supernovae sind Gammastrahlen-Ausbrüche in unserer unmittelbaren Nähe unwahrscheinlich.
Insgesamt schätzen die Forscher, dass die Wahrscheinlichkeit für die komplette Sterilisation der Erde und damit die Auslöschung der Bärtierchen durch ein kosmisches Ereignis, bei eins zu einer Million liegt. Vermutlich wird also das Leben auf der Erde erst mit dem Tod der Sonne enden.
Dies führt tatsächlich zu einer ziemlich optimistischen Schlussfolgerung.
„Wir verstehen nicht vollständig die Mechanismen, durch die das Leben begann. Aber sobald es auf einem erdähnlichen Planeten existiert, ist die vollständige Beseitigung des ganzen Lebens (außer durch die Evolution des Wirts-Sterns) ein sehr unwahrscheinliches Ereignis“, schließen die Autoren aus ihrer Studie.
Loeb sagte, dass diese Erkenntnisse die Reichweite für Umgebungen vergrößern, die als bewohnbar gelten könnten. „Tardigraden könnten unter der Oberfläche einiger Planeten im Sonnensystem überleben. Sobald sie dort ankommen (zum Beispiel durch Meteoriten von der Erde), wird es schwierig sein, sie zu töten.“
Loeb räumt jedoch ein, dass die Analyse seines Teams auf der Annahme beruht, dass das Leben an anderer Stelle so ist wie auf der Erde. Aber im Universum kann es andere Lebensformen geben mit Kreaturen, die noch mehr aushalten als die Tardigraden. Andererseits könnten noch andere, bisher unbekannte astrophysikalische Risiken existieren. Weitere Untersuchungen in diesen Bereichen könnte die Dinge klären.
16. Juli 2017/SP
Verein Kuffner-Sternwarte