Tritons Ankunft löste ein Chaos unter den Neptun-Monden aus
Die Untersuchungen der vielen Monde im Sonnensystem hat in den letzten Jahrzehnten eine Fülle von Informationen gebracht. Dazu gehören die Monde Jupiters – 69 an der Zahl wurden bis jetzt identifiziert und benannt – Saturn hat 62 Monde und Uranus 27. In allen drei Fällen haben die Satelliten, welche diese Gasriesen umkreisen, prograde Umlaufbahnen mit geringer Bahnneigung. Innerhalb des Neptun-Systems ist die Situation jedoch eine ganz andere, stellten die Astronomen fest.
Im Vergleich zu den anderen Gasriesen hat Neptun weit weniger Satelliten und der größte Teil der Masse in diesem System konzentriert sich auf einen einzigen Satelliten, von dem man glaubt, dass er eingefangen wurde, nämlich Triton. Laut einer neuen Studie von Astronomen des Weizmann Institute of Science in Israel und vom Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder Colorado, könnte Neptun einst ein massiveres System von Satelliten gehabt haben, das bei der Ankunft Tritons zerstört wurde.
Die Studie mit dem Titel „Tritonʼs Evolution with a Primordial Neptunian Satellite System“ erschien kürzlich im Astrophysical Journal. Die Autoren Raluca Rufu und Robin M. Canup thematisierten Modelle eines primitiven Neptun-Systems und wie es sich dank der Ankunft von Triton verändert haben könnte.
Seit vielen Jahren sind Astronomen der Meinung, dass Triton einst ein Zwergplanet war, der aus dem Kuipergürtel gestoßen und von Neptuns Schwerkraft eingefangen wurde. Diese Meinung beruht auf seiner retrograden und stark geneigten Umlaufbahn (156.885° zum Neptun-Äquator), die aber aktuellen Modellen der Entstehung von Gasriesen und ihren Satelliten widerspricht. Diese Modelle deuten darauf hin, dass, wenn Riesenplaneten Gas ansammeln, sich ihre Monde aus der Trümmerscheibe bilden, die den Planeten umgibt.
Im Einklang mit den anderen Gasriesen, hätte der größte dieser Satelliten eine prograde, reguläre Umlaufbahn haben müssen, die relativ zum Äquator des Planeten nur wenig geneigt ist (typischerweise weniger als 1°). Aus diesem Grund wird angenommen, dass Triton einst Teil eines Doppelkörpers war, der aus zwei transneptunischen Objekten (TNOs) bestand. Als sie an Neptun vorbei flogen, wäre Triton von der Schwerkraft des Planeten eingefangen worden und ist allmählich in seine gegenwärtige Umlaufbahn gedriftet.
Wie Dr. Rufu und Dr. Canup in ihrer Studie feststellten, hatte die Ankunft dieses massereichen Satelliten vermutlich viele Störungen im Neptun-System verursacht und dessen Entwicklung beeinflusst. Sie untersuchten, wie Interaktionen – Streuungen oder Kollisionen – zwischen Triton und Neptuns früheren Satelliten Bahn und Masse von Triton sowie das System insgesamt verändert hat.
„Wir bewerteten, ob die Kollisionen zwischen den Ur-Satelliten störend genug waren, um eine Trümmerscheibe zu erzeugen, welche Tritons Zirkularisierung beschleunigen würde, oder ob Triton vorher einen störenden Aufprall erleidete. Wir suchten nach der Masse des ursprünglichen Satellitensystems, welche die aktuelle Architektur des Neptun-Systems ergeben würde.“
Um zu testen, wie sich das Neptun-System entwickelt haben könnte, betrachteten die Forscher verschiedene primordiale Satellitensysteme. Dazu gehörte auch eines, das mit dem derzeitigen System von Uranus übereinstimmte, da es aus prograden Satelliten mit einem ähnlichen Massenverhältnis bestand, wie es die größten Monde von Uranus haben – Ariel, Umbriel, Titania und Oberon –, sowie aus einem, der entweder mehr oder weniger massiv war. Sie führten dann Simulationen durch um zu bestimmen, wie Tritons Ankunft diese Systeme verändert hätte.
Diese Simulationen basierten auf vereinfachten Beschreibungen der Zertrümmerung von Himmelskörpern bei Zusammenstößen. Diese berücksichtigen ob gelegentliche Einschläge auf Triton und anderen Objekten zu einer Umlenkung von Materie im System führen. Zunächst werden 200 Uranusartige Mondsysteme zufällig zusammengestellt. Anschließend werden sie einem Hagel von Himmelskörpern ausgesetzt. In vielen Fällen ergibt sich nach dem Bombardement ein Mondsystem wie jenes des Neptuns. Wahrscheinlich hatte also Neptun ein dem Uranus vergleichbar oder kleineres Mondsystem.
Ferner stellten die Forscher fest, dass die Interaktion von Triton mit einem früheren Satellitensystem auch eine mögliche Erklärung dafür liefert, wie seine anfängliche Umlaufbahn schnell genug gesenkt werden konnte, um die Umlaufbahnen kleiner, unregelmäßiger Satelliten zu erhalten. Diese, dem Neptun-Mond Nereid ähnliche Objekte wären sonst aus ihren Umlaufbahnen geworfen worden, da die Gezeitenkräfte zwischen Neptun und Triton dazu geführt hätten, dass Triton deren aktuelle Umlaufbahn eingenommen hätte.
Letztendlich bietet diese Studie nicht nur eine mögliche Erklärung dafür, warum Neptuns Satelliten-System sich von dem anderer Gasriesen unterscheidet, es zeigt auch, dass Neptuns Nähe zum Kuipergürtel dafür verantwortlich wäre. Dereinst mag Neptun eine System von Monden gehabt haben, das den Systemen von Jupiter, Saturn und Uranus ähnlich war. Aber aufgrund seiner Lage, war es Neptun möglich, ein Objekt von der Größe eines Zwergplaneten aufzusammeln, der aus dem Kuipergürtel geworfen wurde und damit das Neptun-System änderte.
Mit Blick auf die Zukunft weisen Rufu und Canup darauf hin, dass zusätzliche Studien erforderlich sind, um die frühe Entwicklung Tritons als Neptun-Satellit aufzuklären. Im Wesentlichen gibt es noch unbeantwortete Fragen zu den Auswirkungen, die Triton auf die damals bereits vorhandenen Satelliten hatte und wie stabil diese unregelmäßigen prograden Satelliten waren.
Diese Ergebnisse wurden von Dr. Rufu und Dr. Canup auch auf der 48. Lunar- and Planetary Science Conference im März 2017 in The Woodlands, Texas, präsentiert.
16. November 2017/SP
Verein Kuffner-Sternwarte