Warmer Pol könnte bedeuten, dass sich auf Enceladus das flüssige Wasser nahe der Oberfläche befindet
Eine der größten Überraschungen der Cassini-Mission war die Entdeckung der aktiven Geysire am Südpol des Mondes Enceladus. Bei nur etwa 500 km im Durchmesser sollte der helle und eisbedeckte Mond zu klein und zu weit von der Sonne entfernt sein, um aktiv zu sein. Stattdessen ist dieser kleine Mond einer der geothermisch aktivsten Orte im Sonnensystem.
Nun zeigt eine neue Studie anhand der Cassini-Daten, dass die Südpolregion von Enceladus noch wärmer ist als man erwartet hatte. Während frühere Studien einen Ozean von flüssigem Wasser unter der Oberfläche bestätigten, der auch die Geysire speist, zeigt die neue Studie, dass der Ozean wahrscheinlich näher an der Oberfläche liegt als bisher gedacht. Darüber hinaus – und das ist bestechend – muss es eine Wärmequelle im Inneren des Mondes geben, die bisher nicht vollständig verstanden ist.
"Diese Beobachtungen bieten einen einzigartigen Einblick in das, was unter der Oberfläche vor sich geht", sagte Alice Le Gall, die ein Mitglied des Cassini RADAR Instrumententeams von Laboratoire Atmosphères, Milieux, Observations Spatiales (LATMOS) und Université Versailles Saint-Quentin ist (UVSQ), Frankreich. "Sie zeigen, dass die ersten Meter unterhalb der Oberfläche des Gebietes, das wir untersucht haben, viel wärmer sind ist als wir erwartet hatten; wahrscheinlich an einigen Stellen bis zu 20 K wärmer. Dies lässt sich nicht nur durch Sonneneinstrahlung erklären oder in geringerem Maße auch durch die Erwärmung durch den Saturn, es muss noch eine zusätzliche Wärmequelle geben."
Mikrowellen-Daten, die während eines nahen Vorbeiflugs im Jahr 2011 aufgezeichnet wurden, zeigen bei drei Frakturen in der Oberfläche überschüssige Wärme auf Enceladus. In ähnlicher Weise wie die sogenannten "Tiger-Streifen-Strukturen“ auf diesem Mond aktiv Eis- und Wassermoleküle in den Weltraum schleudern, scheinen diese drei Frakturen nicht aktiv zu sein, zumindest waren sie es nicht im Jahr 2011.
Die Wissenschaftler meinen, dass die scheinbar ruhenden Frakturen die über dem warmen, unterirdischen Meer des Mondes liegen, auf den dynamischen Charakter der Enceladus-Geologie hindeuten. Es scheint, dass der Mond mehrere Episoden der Aktivität an verschiedenen Orten auf seiner Oberfläche erlebt haben könnte.
Der Vorbeiflug im Jahr 2011 lieferte die ersten, und leider auch die einzigen hochauflösenden Aufnahmen von Enceladus` Südpol im Mikrowellen-Bereich. Nur ein schmales, etwa 25 km breites bogenförmiges Band in der südlichen Polarregion, rund 30 bis 50 km nördlich der Tiger-Streifen-Frakturen, wurden abgelichtet.
Die entdeckte Wärme scheint unter einer viel kälteren Frostschicht zu liegen.
Wegen der operativen Einschränkungen beim Vorbeiflug 2011 war es nicht möglich, Beobachtungen der aktiven Frakturen im Mikrowellen-Bereich zu bekommen. Aber es ermöglichte es den Wissenschaftlern zu erkennen, dass die thermisch anomalen Terrains auf Enceladus sich weit über die Tiger-Streifen hinaus erstrecken.
Die Ergebnisse zeigen, dass wahrscheinlich die gesamte Südpolregion unterhalb warm ist, was bedeutet, dass der Enceladus-Ozean in diesem Bereich nur 2 km unter der eisigen Oberfläche des Mondes liegen könnte. Der Befund stimmt mit jener Studie von 2016 überein, die vom Cassini-Teammitglied Ondrej Cadek geleitet wurde, in der die Dicke der Kruste auf dem Südpol von Enceladus als weniger dick geschätzt wurde, als auf dem Rest des Mondes. Diese Studie schätzte die Tiefe der Eisschale am Südpol auf weniger als 5 km, während die durchschnittliche Tiefe auf den anderen Gebieten von Enceladus zwischen 18 – 22 km liegt.
Was erzeugt nun die innere Wärme auf Enceladus? Die Hauptquelle bleibt ein Rätsel, aber die Wissenschaftler denken, dass Gravitationskräfte zwischen Enceladus, Saturn und einem anderen Mond, Dione, das Innere von Enceladus durchkneten. Die Gezeitenkräfte verursachen ein Zerren, im Inneren des Mondes kommt es zu Reibungen die Wärme erzeugt. In der Kruste kommt es dadurch zu Kompressionen und Deformationen, was zur Bildung von Frakturen und Verwerfungen führt. Diese wiederum erzeugen mehr Wärme in den unteren Schichten. In diesem Szenario ist die dünnere eisige Kruste im Südpolbereich einer größeren Verformung durch Gezeitenkräften ausgesetzt. Das bedeutet, dass mehr Wärme erzeugt wird, was das unterirdische Wasser wärmer macht.
Da die Geysire bis zur Ankunft von Cassini beim Saturn nicht bekannt waren, hatte die Raumsonde keine spezifische Nutzlast an Bord, um diese zu studieren, aber die Wissenschaftler nutzten die Instrumente, um die besten Beobachtungen zu machen die sie konnten, indem die Raumsonde innerhalb von 49 km über der Oberfläche des Mondes dahin flog. Um die Erwärmung durch die Gezeitenreibung gut zu studieren - oder um festzustellen, ob es eine andere Wärmequelle gibt – werden die Wissenschaftler weiterhin die bereits von den verschiedenen Cassini-Instrumenten aufgenommen Daten studieren. Aber da die Mission im September 2017 enden wird, wäre eine weitere Mission zu diesem faszinierenden Mond erforderlich, um dieses Geheimnis vollständig zu lüften.
„Diese Entdeckung eröffnet neue Perspektiven, um die Entstehung von bewohnbaren Bedingungen auf den eisigen Monden der Gas-Riesen-Planeten zu untersuchen“, sagte Nicolas Altobelli, ESA-Projektwissenschaftler für Cassini-Huygens. „Wenn das unterirdische Meer auf Enceladus wirklich so nahe an der Oberfläche ist, wie diese Studie zeigt, dann könnte eine zukünftige Mission auf Enceladus mit einem das Eis-durchdringenden Radar in der Lage sein, dieses Meer zu erkennen.
Cassinis Blick nach unten in einen aktiven „Tiger-Streifen“. Aufnahme vom August 2010.
17. März 2017/SP
Verein Kuffner-Sternwarte