Es gibt Hinweise auf einen neunten Planeten
Caltech-Forscher haben Hinweise auf einen riesigen Planeten gefunden, der auf einer bizarren, sehr langgestreckten Umlaufbahn im äußeren Sonnensystem dahin wandert. Das Objekt, dem die Forscher den Spitznamen „Neun“ gaben, hat etwa die 10-fache Erdmasse und umkreist die Sonne im Durchschnitt 20 Mal weiter entfernt als Neptun. In der Tat wird ein Umlauf dieses neuentdeckten Planeten um die Sonne zwischen 10 000 und 20 000 Jahre dauern.
Die Forscher Konstantin Batygin und Mike Brown entdeckten die Existenz dieses Planeten durch mathematische Modellierung und Computersimulationen; direkt beobachtet haben sie das Objekt nicht.
„Dies könnte ein echter neunter Planet sein“ sagte Brown, der Richard und Barbara Rosenberg Professor für Planeten-Astronomie ist. „Seit der Antike wurden erst zwei Planeten entdeckt, und dies wäre ein Dritter.
Brown stellte fest, dass der mutmaßliche neunte Planet etwa die 5000-fache Masse von Pluto hat, und damit ausreichend groß genug ist, damit es keine Debatte geben wird, ob es ein echter Planet ist oder nicht. Im Gegensatz zu der Klasse kleinerer Objekte die nun Zwergplaneten genannt werden, dominiert die Schwerkraft von Planet „Neun“ seine Nachbarschaft. In der Tat dominiert er eine Region, die größer ist als die aller anderen bekannten Planeten im ganzen Sonnensystem.
Batygin und Brown beschreiben ihre Arbeit in der aktuellen Ausgabe des Astronomical Journals und zeigen, wie mit Hilfe von Planet „Neun“ eine Reihe von geheimnisvollen Eigenschaften dieser eisigen Objekte in der Zone jenseits von Neptun, bekannt als Kuiper-Gürtel, erklärt werden könnten.
„Anfangs waren wir sehr skeptisch, ob dieser Planet wirklich existiert. Aber als wir weiterhin seine Bahn untersuchten, waren wir immer mehr davon überzeugt, dass er da draußen ist“, sagte Batygin. „Zum ersten Mals seit mehr als 150 Jahren gibt es handfeste Beweise, dass die Anzahl der Planeten des Sonnensystems unvollständig ist.
Der Weg zur theoretischen Entdeckung war nicht einfach. Im Jahr 2014 hat ein ehemaliger Post doc von Brown, Chad Trujillo und sein Kollege Scott Sheppard eine Arbeit veröffentlicht in der sie feststellten, dass 13 der am weitesten entfernten Objekte im Kuiper-Gürtel sich in Bezug auf ihre obskure Umlaufbahn ähnlich verhalten. Um diese Ähnlichkeit zu erklären, schlugen sie das mögliche Vorhandensein eines kleinen Planeten vor. Brown hielt dies für unwahrscheinlich, aber sein Interesse war erwacht.
Er ging mit seinem Problem zu Batygin und gemeinsam begannen sie vor 1½ weit entfernte Objekte zu untersuchen. Als Beobachter und Theoretiker näherten sich die Wissenschaftler aus sehr unterschiedlichen Perspektiven dem Problem an. Brown als jemand, der den Himmel beobachtete und versuchte alles festzuhalten, was zu sehen war und Batygin als jemand, der versuchte, im Rahmen der Dynamik und vom Standpunkt der Physik aus die Dinge in Angriff zu nehmen. Mit dieser unterschiedlichen Sichtweise konnten die Forscher sich gegenseitig ergänzen und neue Möglichkeiten prüfen.
Ziemlich schnell haben Batygin und Brown erkannt, dass die sechs am weitesten entfernten Objekte, die aus Trujillos und Sheppards ursprünglicher Sammlung stammen, elliptischen Bahnen folgen, die in die gleiche Richtung im physikalischen Raum weisen. Das ist überraschend, weil die äußersten Punkte ihrer Bahnen sich um das Sonnensystem bewegen und dies mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas geschieht steht etwa 1 zu 100. Aber obendrein sind die Umlaufbahnen dieser sechs Objekte in der gleichen Weise geneigt; etwa um 30 Grad nach unten und zwar in der gleichen Richtung relativ zur Ebene der acht bekannten Planeten. Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert ist etwa 0,007 Prozent. „Im Grunde sollte so etwas nicht zufällig passieren“, sagte Brown. „Also dachten wir, es muss etwas anderes die Gestaltung dieser Bahnen beeinflussen.“
Die erste Möglichkeit die untersucht wurde war, dass es vielleicht genug entfernte Kuiper-Gürtel-Objekte gibt die noch nicht entdeckt worden sind, die aber genug Schwerkraft ausüben, um diese Subpopulation zusammen zu halten. Die Forscher verwarfen dies schnell als sich herausstellte, dass ein solches Szenario verlangen würde, dass der Kuiper-Gürtel etwa die 100-fache Masse hätte als er heute hat.
Das brachte sie auf die Idee mit einem Planeten. Ihr erster Gedanke war, Simulationen mit einem fernen Planeten laufen zu lassen, der die Bahnen von sechs Kuiper-Gürtel-Objekten umkreist. Dies wirkt wie ein riesiges Lasso mit sie in eine bestimmte Richtung gezwungen werden können. Batygin sagte, dass es fast funktioniert aber nicht die beobachteten Exzentrizitäten wiedergibt. „Knapp vorbei ist auch daneben“ sagte er.
Dann bemerkten Batygin und Brown durch Zufall, dass, wenn sie die Simulationen mit einem massiven Planten in der entgegen gesetzten Umlaufbahn laufen lassen, sich im Perihel um 180 Grad gegenüber dem Perihel aller anderen Objekte und bekannten Planeten verändern und das die fernen Kuiper-Gürtel-Objekte in der Simulation die Ausrichtung haben, die tatsächlich beobachtet worden ist.
„Die natürliche Reaktion war, dass diese Bahngeometrie nicht richtig sein kann. Dies kann nicht langfristig stabil sein, denn schließlich würde es bewirken, dass die Planeten und diese Objekte einander treffen und schließlich miteinander kollidieren“ sagte Batygin. Aber durch einen Mechanismus, der als Resonanz der mittleren Bewegungen bekannt ist, wird verhindert, dass durch die entgegengesetzt ausgerichtete Umlaufbahn des Planeten „Neun“ Kuiper-Gürtel-Objekte kollidieren. Wenn die Objekte sich einander annähern tauschen sie Energie aus. Also zum Beispiel so, wie wenn Planet „Neun“ vier Umläufe machen würde, während ein entferntes Kuiper-Gürtel-Objekt neun Umläufe vollendet. Sie kollidieren nie. Stattdessen, wie wenn ein Elternteil ein Kind auf einer Schaukel mit periodischen Stößen in Schwung hält, so stupst Planet „Neun“ die Umlaufbahnen der fernen Kuiper-Gürtel-Objekte an, so dass ihre Konfiguration in Bezug auf den Planeten erhalten bleibt.
„Dennoch bleiben wir skeptisch“ sagte Batygin „ich hatte so etwas noch nie in der Himmelsmechanik gesehen.“
Aber nach und nach, nachdem die Forscher weitere zusätzliche Untersuchungen des Modells anstellten wurden sie überzeugt. „Eine gute Theorie sollte nicht nur Dinge erklären, sie sollte hoffentlich auch über Dinge, die derzeit nicht erklärbar und überprüfbar sind eine Vorhersage machen können“, sagte Batygin.
Und in der Tat hilft die Existenz des Planeten „Neun“ mehr als nur die Ausrichtung der entfernten Kuiper-Gürtel-Objekte zu erklären. Es bietet auch eine Erklärung für die geheimnisvollen Bahnen zweier anderer Objekte. Das erste Objekt, genannt Sedna, wurde 2003 von Brown entdeckt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kuiper-Gürtel-Objekten, die durch Neptuns Schwerkraft rausgeschmissen wurden und dann wieder zurückkehrten, war Sedna nie in die Nähe Neptuns. Ein zweites Objekt mit ähnlicher Bahn wie Sedna, bekannt als 2012 VP113, wurde von Trujillo und Sheppard entdeckt und Brown stellte fest, dass die postulierte Anwesenheit von Planet „Neun“ die Umlaufbahnen von ähnlicher Objekte wie Sedna beeinflusst.
Aber der eigentliche Kick für die Forscher war die Tatsache, dass ihre Simulationen vorhersagten, dass es Objekte im Kuiper-Gürtel gibt, deren Bahnen senkrecht zur Ebene der Planeten geneigt sind. In den letzten drei Jahren haben Beobachter vier Objekte entdeckt, deren Bahnen in etwa entlang einer senkrechten Linie von Neptun und ein Objekt entlang einer anderen Linie identifiziert wurde.
„Wir haben die Positionen dieser Objekte und ihre Umlaufbahnen aufgezeichnet und sie stimmten mit den Simulationen genau überein“ sagte Brown“. „Als wir das feststellten, fiel mir die Kinnlade runter.“
Wo Planet Neun herkam und wie er am Ende ins äußere Sonnensystem gelangte ist ungeklärt. Wissenschaftler haben lange geglaubt, dass das frühe Sonnensystem mit vier Planetenkernen begann, die das gesamte Gas um sie herum aufsammelten und sich zu den vier Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun formten. Im Laufe der Zeit haben Kollisionen und Hinauswürfe sie auf die gegenwärtigen Positionen gebracht. „Es gibt aber keinen Grund, warum es nicht fünf anstatt vier Planetenkerne gegeben haben sollte“, sagte Brown. Planet „Neun“ könnte dieser fünfte Kern sein und wenn er Jupiter oder Saturn zu nahe kam, ist er auf seine ferne exzentrische Bahn gestoßen worden.
Batygin und Brown werden weiterhin ihre Simulationen verfeinern um mehr über die Umlaufbahn des postulierten Planeten und seinen Einfluss auf das ferne Sonnensystem in Erfahrung zu bringen. In der Zwischenzeit haben Brown und andere Kollegen begonnen, den Himmel nach Planet „Neun“ abzusuchen. Seine Umlaufbahn und die genaue Lage auf seiner elliptischen Bahn sind nur vage bekannt. Wenn der Planet nahe seinem Perihel wäre, sollten die Astronomen in der Lage sein, ein Bild von ihm auf früheren Aufnahmen zu finden. Wenn er nahe dem Aphel seiner Umlaufbahn ist, könnten nur die weltweit größten Teleskope ihn aufspüren. Wenn sich jedoch Planet Neun irgendwo dazwischen befindet, haben viele Teleskope die Möglichkeit ihn zu finden.
In Bezug auf das Verständnis unseres Sonnensystems in Kontext mit dem Rest des Universums sagte Batygin, dass dieser neunte Planet unseres Sonnensystem unser Planetensystem den fremden Planetensystemen um andere Sterne ähnlicher macht. Erstens können die meisten Planeten um andere sonnenähnliche Sterne in jedem Bereich vorkommen. Einige haben ihre Umlaufbahnen extrem nahe bei ihrem Zentralstern, während andere außerordentlich entfernte Umlaufbahnen haben. Zweitens haben die meisten Planeten um andere Sterne Massen zwischen 1 und 10 Erdmassen.
Brown, der eine signifikante Rolle bei der Degradierung von Pluto zu einem Zwergplaneten inne hatte, meinte:“Alle diejenigen, die nicht begeistert waren, dass Pluto kein Planet mehr ist können sich freuen, dass es vielleicht einen echten Planeten gibt, der noch zu finden ist. „Nun können wir uns auf die Suche machen und wenn wir ihn gefunden haben, hat das Sonnensystem wieder neun Planeten.“
Eine vorhergesagte Folge von Planet „Neun“ ist, dass eine Subpopulation von Objekten vorhanden sein sollte. Diese Objekte befinden sich in rechtwinkeliger Position zu Planet „Neun“ und haben Umlaufbahnen, die senkrecht zur Ebene des Sonnensystems sind. Fünf bekannte Objekte (violett) passen genau zur Vorhersage.
Link: Evidence for a Distant Giant Planet in the Solar System, Batygin and Brown (The Astronomical Journal, pdf)
23. Jänner 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte