Große Verschiebung gab Mars ein neues Gesicht
Die Oberfläche des Planeten Mars kippte vor 3 bis 3,5 Milliarden Jahren von 20 auf 25 Grad. Dies wurde durch eine massive vulkanische Struktur, dem Tharsis-Rücken, verursacht. Es ist dies die größte vulkanische Struktur im Sonnensystem. Wegen seiner außergewöhnlich großen Masse begannen sich die äußeren Schichten des Mars (Kruste und Mantel) um den Kern des Planeten zu drehen. Die Entdeckung dieser großen Verschiebung veränderte unsere Vision des Mars während der ersten Milliarde Jahren seiner Geschichte, zu einer Zeit, als das Leben möglicherweise hätte entstehen können.
Es bietet auch eine Lösung an für drei Rätsel: Die Forscher wissen jetzt, warum Flüsse sich dort bildeten, wo sie heute zu beobachten sind; warum sich unterirdische Reservoirs aus Wassereis weit von den Polen des Mars entfernt befinden; und warum der Tharsis-Rücken sich heute am Äquator befindet.
Die Ergebnisse wurden am 2. März 2016 in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. Und zwar von einem überwiegend aus französischen Forschern bestehendem Team.
Mars sah nicht immer so aus wie wir ihn heute kennen, denn vor 3 bis 3,5 Milliarden Jahren kippte der Planet. Dank der gemeinsamen Arbeit von Geomorphologen, Geophysikern und Klimatologen konnte dies festgestellt werden. Es war nicht die Rotationsachse des Mars, die verschoben wurde (ein Prozess, der als Variation der Schiefe bezeichnet wird) sondern es haben sich die äußeren Schichten (Mantel und Kruste) in Bezug zum inneren Kern gedreht, so wie wenn man das Fruchtfleisch einer Marille um den Kern drehen würde. Dieses Phänomen wurde zwar theoretisch vorausgesagt, ist aber bis jetzt nicht bewiesen worden. Die Kippung wurde vom gigantischen vulkanischen Tharsis-Rücken verursacht, der zunächst auf einer Breite von etwa 20° N vor über 3,7 Milliarden Jahren mit vulkanischer Tätigkeit begann. Die vulkanische Tätigkeit dauert mehrere hundert Millionen Jahre und bildete ein Plateau von mehr als 5 000 km Durchmesser, einer Dicke von etwa 12 km und einer Masse von einer Milliarde Milliarden Tonnen (1/70stel der Masse des Mondes). Diese Masse war so groß, dass es die Kruste und den Mantel des Mars in Bewegung setzte mit dem Ergebnis, dass sich der Tharsis-Rücken zum Äquator hin verschob, was der neuen Gleichgewichtslage entspricht.
Bevor diese Verschiebung erfolgte, waren die Pole des Mars nicht an der gleichen Stelle wo sie heute sind. Im Jahr 2010 hatte Isamu Matsuyama von der Universität von Arizona ein geophysikalisches Modell angewendet um zu zeigen, wenn die Tharsis-Kuppel vom Mars entfernt wird, der Planet eine andere Orientierung in Bezug auf seine Achse ein nimmt. In dieser neuen Studie zeigten die Geomorphologen Sylvian Bouley von der Universität Paris-Sud und David Baratoux von der Universität Toulouse III – Paul Sabatier zum ersten Mal, dass die Flüsse ursprünglich entlang eines südlichen tropischen Bands verteilt waren, bevor sich die Pole des Mars um etwa 20 Grad auf ihre aktuelle Position verschoben haben. Die jetzigen Positionen der Pole stehen im Einklang mit den Berechnungen von Matsuyama. Die bemerkenswerte Korrelation wird durch Beobachtungen von anderen wissenschaftlichen Teams unterstützt, die bereits Spuren von Gletscherschmelze und deren Rückzug beobachtet haben und auch Hinweise auf Eis im Untergrund der ehemaligen Polarregionen fanden.
Eine derartige Verschiebung hätte eine erhebliche Auswirkung auf das Aussehen des frühen Planeten und seiner Topographie, die von Matsuyama neu berechnet wurde. Diese Studie ändert radikal das allgemein bekannte Szenario, wonach sich der Tharsis-Rücken in erster Linie vor 3,7 Milliarden Jahren gebildet hat und entstand vor den Flüssen, deren Strömungsrichtung sie kontrollierte. Auf der Grundlage der berechneten Topographie, haben Bouley, Antoine Séjourné (Universität Paris-Sud) und Francois Costard (CNRS) gezeigt, dass in beiden Fällen, mit oder ohne Tharsis, die meisten Flüsse aus den mit Kratern übersätem Hochland geflossen wären, und zwar von der südlichen Hemisphäre zu den niedrig gelegenen Ebenen der nördlichen Hemisphäre. Diese Beobachtung zeigt, dass sich die Flussläufe unabhängig von der Entstehung der Tharsis Kuppel entwickelten.
Die Topographie des frühen Mars kann auch zum Studieren des frühen Klimas verwendet werden werden. Klimamodelle von Francois Forget (CNRS) und Martin Turbet (UPMC) zeigen, dass mit einem kalten Klima und einer dichteren Atmosphäre sich Eis bis auf eine Breite von 25° Süd anhäufte, und zwar in Regionen, die den heutigen trockenen Flussbetten entsprechen.
Diese Studie verändert radikal unsere Wahrnehmung von der Oberfläche des Mars wie sie vor 4 Milliarden Jahren war und sie verändert auch erheblich die Chronologie der Ereignisse. Nach diesem neuen Szenario war die Periode von flüssigem Wasser stabil und erlaubte gleichzeitig die Entstehung von Flusstälern, die höchstwahrscheinlich durch die vulkanischen Aktivitäten der Tharsis Kuppel entstanden sind. Die große Verschiebung, die durch den Tharsis-Rücken ausgelöst wurde, endete nach fluvialer Aktivität vor 3,5 Milliarden Jahren, so dass der Mars sein heutiges Aussehen bekam. Von nun an muss diese neue Geographie berücksichtigt werden, wenn wir beim Studium des frühen Mars zum Beispiel nach Spuren von Leben oder nach einem Ozean suchen.
8. März 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte