Der Erdmond verändert seit Milliarden von Jahren die Lage seiner Achse
In einer neuen Studie, die vor kurzem in der Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, wird berichtet, dass der Mond der Erde sich von seiner ursprünglichen Achse seit etwa 3 Milliarden Jahren langsam weg bewegt. Uraltes Eis auf dem Mond zeigt, dass sich die Achse des Mondes über einen Zeitraum von 1 Milliarde Jahr langsam um 200 km oder 6 Grad verschoben hat. Der Erdmond ist jetzt ein Mitglied von des Sonnensystems exklusivem „Polwanderung-Club“, der nur eine Handvoll anderer planetarer Objekte umfasst.
Planetenforscher Matt Siegler von der Southern Methodist University (SMU) in Dallas und Kollegen machten diese Entdeckung, während sie die NASA-Daten nach Anzeichen von polarem Wasserstoff auf dem Mond durchsuchten. Vom Wasserstoff, entdeckt von Instrumenten aus der Umlaufbahn, wird angenommen, dass er in Form von Eis versteckt vor der Sonne sich in Kratern am Nordpol und Südpol des Mondes befindet. Direkte Sonneneinstrahlung würde dazu führen, dass das Eis in den Weltraum verdampft, so dass dieses versteckte Eis vielleicht Milliarden von Jahren alt ist - ein sehr sensitiver Marker für die einstige Ausrichtung des Mondes.
Eine seltsame Verschiebung des Eises auf dem aktuellen Nord- und Südpol des Mondes war ein verräterischer Indikator für Siegler und es veranlasste ihn, ein Expertenteam zusammen zu stellen, um auf die Daten von den Sonden Lunar Prospector und Lunar Reconnaissance Orbiter einen genaueren Blick zu werfen. Statistische Analysen und Modellierungen zeigten, dass das Eis an jedem Pol um den gleichen Abstand versetzt ist; jedoch in genau den entgegengesetzten Richtungen.
Diese genaue Opposition der Mondachse deutet darauf hin, dass die imaginären Pole, die von Norden nach Süden durch die Mitte verlaufen und um die sich der Mond dreht, wahrscheinlich im Laufe von 1 Milliarde Jahren um mindestens sechs Grad verschoben haben, sagte Siegler.
„Das war eine überraschende Entdeckung, da wir dazu tendieren zu glauben, dass Objekte am Himmel immer so gewesen sind wir wir sie jetzt sehen. Aber in diesem Fall hat sich das uns so vertraute Gesicht des Mondes verändert“ sagte Siegler, der auch ein Forscher am Planetary Science Institute in Tucson, Arizona ist.
„Vor Milliarden von Jahren hat die innere Erwärmung des Mondes das „Mond-Gesicht“ verursacht, dass sich dann, als die Pole ihre Positionen änderten, nach oben verschob. Es wäre so, als ob sich die Erdachse aus der Antarktis nach Australien verlagern würde.
Nur sehr wenige Himmelskörper sind dafür bekannt, dass sie ihre Achse dauerhaft verschieben
Planetenkörper positionieren ihre Achse auf der Grundlage ihrer Masse. Schwerere Massen neigt der Planet in Richtung Äquator, leichtere Massen in Richtung der Pole. Bei den selten vorkommenden Massenverschiebungen versucht ein Planet seine Achse zu verlagern. Bei Wissenschaftlern ist dieses Phänomen als „Polwanderung“ bekannt.
Mit der Entdeckung des Mondes Polwanderung wurde er Mitglied in einem äußerst exklusiven Club. Die einzigen anderen planetaren Körper die die Lage ihrer Achse permanent verschieben sind Erde, Mars, Saturn und Saturnmond Enceladus und Jupitermond Europa.
Was den Mond unterscheidet ist sein polares Eis, welches den Pfad entlang wandert der die Pole bewegt.
Des Mondes Achse begann sich wahrscheinlich vor etwa 3 Milliarden Jahren zu verlagern
Auf der Erde geschieht das Wandern der Pole vermutlich aufgrund der Bewegung der Kontinentalplatten. Auf dem Mars ist die mächtige Tharsisregion die Ursache. Die Änderung der Masse des Mondes war intern – die Verschiebung einer einzigen großen Mantel-Plume. Bei alten vulkanischen Aktivitäten vor rund 3,5 Milliarden Jahren schmolz ein Teil des Mond-Mantels und ein Strom heißen Gesteinsmaterials sprudelte zur Oberfläche. Mantelplumes sind eine Form des Vulkanismus. Sie haben in der Tiefe eine schlauchartige Form und verbreitern sich bei Erreichen der starren Lithosphäre federbuschartig oder pilzförmig aus.
„Der Mond hat eine einzige Region in der Kruste, die eine große basaltische Ebene namens Procellarum hat, wo sich radioaktive Elemente sammelten, als der Mond sich bildete“, sagte Siegler. „Diese radioaktive Kruste agierte wie ein Griller, unter dem der Mantel erhitzt wird. Ein Teil des Materials schmolz und formte die dunklen Flecken, die wir in der Nacht sehen können und die nichts anderes sind als alte Lava.
„Dieser riesige Fleck von heißem Mantel war leichter als der kalte Mantel an anderer Stelle“, sagte Siegler. „Diese Änderung in der Masse führte zur Entstehung des Procellarums und der ganze Mond geriet in Bewegung“.
Im Laufe der Zeit verlagerte sich die Achse um 200 Kilometer, knapp die Entfernung Wien – Linz.
Neutronen können das Vorhandensein von Wasser oder Eis anzeigen
Die Wanderung der Pole erklärt, warum der Mond viel von seinem Eis verloren zu haben scheint.
Siegler vergleicht die Polwanderung mit einem haltenden Glas das mit Wasser gefüllt ist. Die meisten Planeten verhalten sich wie eine ruhige Hand die das volle Glas hält und deren Achse sich nicht verschiebt und daher wird kein Wasser verschüttet. Ein Planet, dessen Masse sich verändert ist wie eine wackelige Hand die Wasser verschüttet. In ähnlicher Weise ging es dem Erdmond, als er seine Achse veränderte. Viel von seinem Eis, das nun der Sonne ausgesetzt war, ging verloren.
Co-Autor Richard Miller kartierte das restliche Eis des Mondes mit Daten von der Lunar Prospector Mission, die den Mond von 1998 bis 1999 umkreiste. Die Anwesenheit von Eis wird durch Neutronenspektroskopie nachgewiesen. Es liegt allerdings nicht frei, sondern ist mit dem Gestein vermischt.
„Die Karte zeigt die vier wichtigsten Strukturen“, sagt Siegler und seine Kollegen. „Erstens ist die größte Menge an Wasserstoff von der aktuellen Drehachse des Mondes um etwa 5,5 Grad versetzt. Zweitens haben die Wasserstoff-Ausdehnungen an beiden Polen eine ähnliche Größenordnung. Drittens korrelieren die asymmetrischen Ausdehnungen nicht mit den Erwartungen aus der aktuellen thermischen oder permanent im Schatten liegenden Umgebung und schließlich, was am wichtigsten ist, die räumliche Verteilung des polaren Wasserstoffs scheint fast antipodal zu sein.“
Lunares Eis ist eine uralte Zeitkapsel; kann Antworten auf tiefe Geheimnisse enthalten
Sieglers Entdeckung öffnet die Tür für weitere Erkenntnisse um eine noch tiefere Frage zu klären, nämlich das Geheimnis, warum es Wasser auf dem Mond und auf der Erde gibt. Die wissenschaftliche Theorie von der Entstehung des Sonnensystems besagt, dass sich das Wasser nicht viel näher an der Sonne gebildet haben kann als Jupiter.
„Wir wissen nicht, woher das Wasser auf der Erde kam. Es scheint aus dem äußeren Sonnensystem zu kommen, nachdem sich Erde und Mond gebildet haben“ sagte Siegler. „Eis auf anderen Objekten, wie Mond oder Merkur, könnten uns einen Hinweis auf seine Herkunft liefern.“
Die Tatsache, dass das Eis auf dem Mond so gut mit der Polwanderung korreliert lässt darauf schließen, dass das Eis sehr alt ist. Es könnte aus der gleichen Quelle stammen, wie das ursprüngliche Wasser auf der Erde. Auf der Erde selbst hat sich das Wasser im Laufe von Millionen Jahren verändert, aber das alte Eis auf dem Mond könnte Antworten auf dieses tiefe Geheimnis geben.
27. März 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte