Ein riesiger Impakt könnte die Lösung des Geheimnisses sein, wie die Marsmonde entstanden sind
Woher sind die beiden natürlichen Satelliten des Mars, Phobos und Deimos, gekommen? Für eine lange Zeit hat man aufgrund ihrer Form angenommen, dass sie Asteroiden waren, die vom Mars eingefangen wurden. Allerdings widersprechen Form und Verlauf ihrer Bahnen dieser Hypothese. Zwei unabhängige und sich ergänzende Studien liefern eine Antwort auf diese Frage.
Eine dieser Studien, die in The Astrophysical Journal veröffentlicht wurde und überwiegend von Forschern des CNRS und der Aix-Marseille Université durchgeführt wurde, verwirft die Theorie des Einfangs von Asteroiden und zeigt, dass das einzige Szenario das kompatibel mit den Oberflächeneigenschaften von Phobos und Deimos ist, das einer riesigen Kollision. In der zweiten Studie, die ein Team aus französischen, belgischen und japanischen Forschern mit modernsten digitalen Simulationen durchführte, zeigt, wie diese Satelliten in der Lage waren, sich aus den Trümmern einer gigantischen Kollision zwischen dem Mars und einem Protoplaneten zu bilden.
Das Ergebnis ist das Resultat einer Zusammenarbeit zwischen Forschern der Universität Paris- Diderot, dem Königlichen Observatorium von Belgien, dem CNRS, Universität Rennes 1 und dem Japanischen Institut ELSI. Veröffentlicht wurde es am 4. Juli 2016 in der Zeitschrift Nature Geoscience.
Der Ursprung der beiden Marsmonde Phobos und Deimos blieb lange Zeit ein Rätsel. Aufgrund ihrer geringen Größe und unregelmäßigen Form ähnelten sie stark Asteroiden, aber niemand konnte sich erklären, wie Mars sie eingefangen haben könnte und sie zu Satelliten mit fast kreisförmigen und äquatorialen Umlaufbahnen machte. Nach einer anderen Theorie, hätte der Mars gegen Ende seiner Entstehung eine riesige Kollision mit einem Protoplaneten gehabt. Aber warum sind aus den Trümmer eines solchen Impaktes zwei kleine Monde entstanden anstatt eines großen Mondes, wie die Erde ihn hat. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass Phobos und Deimos zur gleichen Zeit entstanden wären wie der Mars, was zur Folge hätte, dass sie die gleiche Zusammensetzung wie ihr Planet hätten. Aber die geringe Dichte scheint dieser Hypothese zu widersprechen. Zwei unabhängige Studien haben nun das Rätsel gelöst: Die Marsmonde müssen aus einer riesigen Kollision entstanden sein.
In einer dieser Studien bietet das Team aus belgischen, französischen und japanischen Forschern zum ersten Mal ein vollständiges und kohärentes Szenario für die Bildung von Phobos und Deimos, die nach einer Kollision zwischen Mars und einem primordialen Objekt entstanden sind, das ein Drittel von der Größe des Mars hatte. Diese Kollision fand vermutlich 100 bis 800 Millionen Jahre nach dem Beginn der Planetenbildung statt. Laut den Forschern bildeten die Trümmer aus dieser Kollision eine sehr breite Scheibe um den Mars, die aus einem dichten inneren Teil, der aus verschmelzender Materie bestand und aus einem sehr dünnen äußeren Teil, der in erster Linie aus Gas bestand. Im inneren Teil dieser Scheibe bildete sich ein Mond, der tausend Mal so groß wie Phobos war, der dann aber verschwunden ist. Die gravitative Wechselwirkung in der äußeren Scheibe wirkte offenbar als Katalysator für das Sammeln von Schutt und bildete andere, kleinere und weiter entfernte Monde.
Nach einigen tausend Jahren war Mars von einer Gruppe von etwa zehn kleinen Monden und einem riesigen Mond umgeben. Einige Millionen Jahre später, haben die Gezeitenkräfte des Mars die meisten dieser Satelliten wieder zurück auf den Planeten gebracht; einschließlich des großen Mondes. Nur die beiden am weitesten entfernten kleinen Monde, Phobos und Deimos, blieben übrig.
Aufgrund der Vielfalt an physikalischen Phänomenen die daran beteiligt waren, ist eine digitale Simulation des gesamten Prozesses nicht in der Lage gewesen dies zu modellieren. Das Team von Pascal Rosenblatt und Sèbastien Charnoz hatten drei aufeinanderfolgende modernste Simulationen kombiniert, um eine Darstellung der Physik zu schaffen, die hinter dieser gigantischen Kollision stand, der Dynamik der Trümmer durch den Impakt, ihre daraus resultierende Akkretion die zu Satelliten-Bildungen führte und die langfristige Entwicklung dieser Satelliten.
In der zweiten Studie, die Forscher vom Laboratoire d`Astrophysique de Marseille (CNRS/Aix-Marseille Universitäé) durchgeführt hatten schließen sie die Möglichkeit eines Einfangs aufgrund der kompositorischen Vielfalt des Asteroidengürtels aus. Sie zeigen darüber hinaus, dass die Lichtsignaturen, die Phobos und Deimos emittieren, mit der primordialen Materie unvereinbar ist, die Mars gebildet hat (Meteoriten, solche wie gewöhnliche Chondriten, Enstatit-Chondriten und/oder Angrite). Daher unterstützen sie das Kollisionsszenario. Aus deren Lichtsignaturen leiteten sie ab, dass die Satelliten aus feinkörnigem Staub (kleiner als ein Mikrometer) bestehen.
Doch die geringe Größe der Körner auf der Oberfläche von Phobos und Deimos kann, nach Ansicht der Forscher, ausschließlich als Folge der Erosion durch Beschuss interplanetaren Staubs erklärt werden. Dies bedeutet, dass die Satelliten von Anfang an aus sehr feinen Körnern gebildet wurden, die nur durch Gaskondensation im äußeren Bereich der Staubscheibe (und nicht in der Magma, die sich im inneren Teil der Scheibe befand) bilden konnten. Beide Studien sind sich in diesem Punkt einig. Darüber hinaus, könnte die Bildung der Marsmonde aus diesen sehr feinen Körnern auch für eine hohe innere Porosität verantwortlich sein, welche ihre überraschend geringe Dichte erklären würde.
Die Theorie einer riesigen Kollision, die durch diese zwei unabhängigen Studien bestätigt wird, könnte erklären, warum die nördliche Hemisphäre des Mars eine geringere Höhe als die südliche Hemisphäre hat: Das Borealis-Becken ist wahrscheinlich der Überreste einer gigantischen Kollision, die letztendlich zur Geburt von Phobos und Deimos geführt hat. Es hilft auch bei der Erklärung, warum Mars zwei Satelliten hat statt eines einzelnen, so wie die Erde unseren Mond, der auch durch eine riesige Kollision entstanden ist. Aber die Forschung legt nahe, dass die Satelliten-Systeme aufgrund der Rotationsgeschwindigkeit des Planeten erstellt wurden, weil zu jenem Zeitpunkt die Erde sehr schnell rotierte (weniger als vier Stunden), während Mars sich sechsmal langsamer drehte.
Neue Beobachtungen werden es in Bälde möglich machen, mehr über das Alter und die Zusammensetzung der Marsmonde in Erfahrung zu bringen. Japans Raumfahrtagentur (JAXA) hat beschlossen, im Jahr 2022 eine Mission mit Namen Mars Moons Exploration (MMX) zu starten, die Proben von Phobos im Jahr 2027 zur Erde zurückbringen soll. Ihre Analyse könnte dieses Szenario bestätigen oder entkräften. Die ESA hat, zusammen mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos eine ähnliche Mission für das Jahr 2024 geplant.
7. Juli 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte