Kleine Einschläge bearbeiten den Mondboden nachhaltiger als Wissenschaftler dachten
Die Oberfläche des Mondes wird durch kleine Einschläge „umgegraben“, mehr als 100-mal schneller als Wissenschaftler bisher angenommen hatten. Dies bedeutet, dass Oberflächenmerkmale von man denen glaubte sie wären jung, vielleicht sogar noch jünger sind. Es bedeutet auch, dass alle Strukturen auf dem Mond als Teil menschlicher Expeditionen besser geschützt werden müssen.
Diese neue Entdeckung stammt von einem Team von Wissenschaftlern von der Arizona State University (ASU) und der Cornell University, die in mehr als sieben Jahren hoch aufgelöste Mondbilder studierten. Das Team steht unter der Leitung von Emerson Speyerer (ASU) dem Hauptautor der wissenschaftlichen Arbeit, die am 13. Oktober 2016 im Journal Nature veröffentlicht wurde.
„Bevor der Lunar Reconnaissance Orbiter im Jahr 2009 startete, dachten wir, dass Hunderttausende bis Millionen von Jahren vergehen, bis sich die Schichten der Mondoberfläche wesentlich verändern“, sagte Speyerer. „Aber wir haben festgestellt, dass sich die Oberflächenschicht des Mondes in etwa 80 000 Jahren vollständig umwälzt.“
Die Bilder die für diese Entdeckung verwendet wurden, stammen aus der Lunar Reconnaissance Orbiter Camera (LROC) vom Orbiter Lunar Reconnaissance. Die LROC wird vom Science Operations Center auf ASUs Tempe Campus betreut; Projektleiter des Imstruments ist Mark Robinson, Professor in der ASU School of Earth and Space Exploration (SESE). Robinson ist Co-Autor der wissenschaftlichen Arbeit zusammen mit Reinhold Povilaitis und Robert Wagner, beide SESE Research-Spezialisten und Peter Thomas von der Cornell Unversity.
Vorher und nachher
„Wir verwendeten zum Vergleich frühere und spätere Aufnahmen der LROC Schmalwinkelkamera“, sagte Speyerer. “In den sieben Jahren hat das Team 222 neue Einschlagkrater identifiziert, die sich während der Mission gebildet haben. Diese haben Größen von mehreren Metern bis zu 43 Metern.“
Die Zahl der neuen Krater die von Speyerer und Kollegen gefunden wurden, ist größer als jene, die durch die „Standard-Kraterzählung“ erwartet wird. Diese Entdeckung bedeutet, dass die Strukturen auf der Mondoberfläche jüngeren Alters sind.
„Eine höhere Einschlagrate auf die geologische Strukturen, auch in der Vergangenheit, würde bedeuten, dass in der Tat die Oberfläche jünger ist als bisher angenommen wurde“ sagte Speyerer. Um jedoch ganz sicher zu gehen, benötigen wir weitere Aufnahmen von der LROC, um die Entdeckung zu überprüfen und die tatsächliche Einschlagrate festzumachen.
„Die Messungen der jüngsten Impaktraten war eine der wichtigsten Aufgaben, welche die NASA mit dem Lunar Reconnaisance Orbiter durchführte“, sagte Robinson. Neben dem Wert, der die Bestimmung des Oberflächenalters hat, gibt es auch praktische Aspekte.
Jede zukünftige bemannte Mission zur Erforschung des Mondes wird auch Versorgungsstrukturen, Raketen und andere Geräte auf der Oberfläche des Mondes für längere Zeiträume parken. Auch wenn Wohnräume unterirdisch angelegt werden, wird bei der Planung die derzeitige Impaktrate berücksichtigt werden müssen, da die Ausrüstungen die an der Oberfläche bleiben geschützt werden müssen.
Zonen der Störung
Als das Team die neuen Krater, die mit Hilfe von LROC gefunden wurden, untersuchte, bemerkten sie, dass die Krater von Starburst-Mustern umgeben sind, die sich offensichtlich während des Aufpralls gebildet hatten.
Während die Musterdetails komplex sind, fanden die Forscher heraus, dass ein Aufprall mehrere Arten von Schutt auswirft und ein Teil davon landet in der Nähe des Einschlags. Aber beim Aufprall werden auch kleinere Mengen von Ablagerungen mit Geschwindigkeiten von 16 km pro Sekunde ausgeworfen. Dieses Material – verdampfendes und geschmolzenes Gestein – schießt über die Oberfläche was zur Folge hat, dass die obere Schicht des Mondbodens zerstört und seine Helligkeit verändert wird.
„Zusätzlich zu den neuen Einschlagkratern und Starburst-Trümmern beobachteten wir eine überraschend große Anzahl von kleinen Oberflächenveränderungen, die wir Kleckse nennen“, sagte Speyerer.
Da die Kleckse im nachweisbaren Auswurfmaterial der Krater fehlen, vermutet das Team, dass die Kleckse am ehesten von kleinen Einschlägen verursacht werden, die vom Material stammen, das bei größeren Impakten ausgeworfen wurde.
„Wir sehen dichte Haufen von Klecksen um neue Einschlagstellen“, sagte er. „Dies deutet darauf hin ,dass viele Kleckse durch Sekundäreffekte entstehen, das vom Material stammen, das bei einem primären Impaktereignis ausgeworfen wurde.“
Bei 14 000 Paaren von vor-und-nach LROC-Bilder identifizierten die Wissenschaftler über 47 000 Kleckse.
„Wir schätzten ihre Akkumulation im Laufe der Zeit und maßen ihre Größen“, sagte Speyerer. „Daraus leiteten wir ab, wie tief jeder Klecks sich in die Oberfläche eingegraben hat. Das gab uns eine Schätzung, wie lange es dauert, bis die oberen paar Zoll des Mondbodens „umgegraben“ sind.
„Die „Gartenarbeits-Zeit“ ist nur ein geologisches Augenzwinkern: Nicht Millionen von Jahren und auch nicht Hunderttausende von Jahren. Wie Speyerer erklärt, „Wir fanden heraus, dass 99 Prozent der Oberfläche durch die Bildung von Flecken schon nach etwa 81 000 Jahren umgekrempelt ist.
Warum ist die Umwälzung soviel schneller?
„Frühere Schätzungen berücksichtigten nur direkte Treffer von Mikrometeoriten und ignorierten die Rolle der kleinen sekundären Impakte“, sagte Robinson.
Zwei weitere Ergebnisse stammen aus der Überarbeitung der Impaktrate. Erstens müssen bei Fernerkundungs-Beobachtungen der Oberfläche viel höhere Umsatzraten einkalkuliert werden, wenn Daten für die Mineral-Erkennung vom Röntgenstrahlen- und Gammastrahlen-Spektrometer der Sonde verwendet werden.
Zweitens wird die Umwandlungsrate eine wichtige Information für die zukünftige Planung von Mondbasen sein. Oberflächenanlagen werden so konzipiert werden müssen, dass sie den Einschlägen kleiner Partikel, die mit 500 Metern pro Sekunde oder 1760 Kilometern pro Stunde unterwegs sind, widerstehen können.
Mit Blick auf die Zukunft, hat die NASA vor kurzem die Mission des Lunar Reconnaissance Orbiter um zwei Jahr verlängert, so dass mit der LROC auch weiterhin wertvolle Krater-Beobachtungen durchgeführt werden können.
„Da die Mission fortgesetzt wird, erhöhen sich die Chancen auch größere Einschläge zu finden, die seltener vorkommen“ sagte Robinson. Solche Entdeckungen werden uns helfen, die lunare Impaktrate besser zu verstehen und damit auch den häufigsten Prozess, der die planetaren Körper des Sonnensystem gestaltet.
Einschlag! Ein neuer Mondkrater entstand zwischen dem 25. Oktober 2012 und 21. April 2013, der etwa 12 Meter groß ist. Der Krater ist nicht schwer zu erkennen, aber das Starburst-Muster des ausgestoßenen Schutts ist schwer zu verfolgen.
Bild: NASA/GSFC/Arizona State University
14. Oktober 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte