Ceres: Wassereis in ewiger Polarnacht
Die Kameras der Raumsonde Dawn entdeckten Wassereis in der Polarregion von Ceres. Es kann für Äonen in diesen extremen Kühlfallen überleben, auch wenn es keine Atmosphäre gibt.
Die amerikanische Raumsonde Dawn umkreist seit März 2015 den Zwergplaneten Ceres. Dank der beiden identischen Bord-Kameras des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS), den Framing-Kameras, ist der Zwergplanet fast vollständig kartiert. In einer aktuellen Studie über die nördlichsten Regionen auf Ceres berichtet ein Team von Wissenschaftlern des MPS, wie die Göttinger Kameras eine ganz besondere Leistung vollbracht haben: Sie haben es geschafft, Fotos von Wassereisablagerungen an Orten aufzunehmen, die fast von ewiger Dunkelheit beherrscht werden.
Thomas Platz ist der Hauptautor der Studie, die jetzt in Nature-Astronomie, einer neuen Fachzeitschrift veröffentlicht wurde. „Mit unseren Kameras betrachteten wir die Krater in der Region des Nordpols zwischen 65 und 90 Grad N. Einige dieser Krater sind zumindest teilweise in ewiger Dunkelheit, was bedeutet, dass nie ein Sonnenstrahl auf sie fällt. Die Drehachse von Ceres hat einen Neigungswinkel von nur 4,028 Grad,“ erklärte ein Mitglied des Framing-Camera-Teams am MPS. Die geringe axiale Neigung bedeutet, dass die Sonne in den polaren Regionen von Ceres nie weit über den Horizont steigt. Das bedeutet ferner, dass Hindernisse wie Krater-Wände lange Schatten werfen. Beträchtliche Gebiete des polaren Gebietes befinden sogar in ewiger Dunkelheit.
Obwohl Sonnenlicht nie direkt auf diese Orte fällt, werden dennoch winzige Mengen an gestreutem Licht registriert, das von direkt beleuchteten Krater-Wänden in der Nähe reflektiert wird. Die Kameras können dieses schwache Licht nutzen und die Dunkelheit erforschen. So wurden mehrere helle Ablagerungen – Wassereis gefunden.
Die Jagd nach Eisablagerungen ist harte Arbeit: Von den 634 identifizierten Kratern mit permanent dunklen Arealen wurden in den Bildern, die von den Framing-Cameras aufgenommen wurden, zehn Krater mit auffällig hellen Flecken in ihrem Inneren gefunden. Hierbei spielt ein vergleichsweise junger, noch unbenannter Krater, der vorläufig Nummer 2 genannt wird, eine besondere Rolle. Er befindet sich 69,9 Grad Nord und hat einen Durchmesser von 3,8 km. Seine hellen Ablagerungen erstrecken sich über die permanente Dunkelheit hinaus, bis in jenen Bereich, der manchmal durch direkte Sonneneinstrahlung beleuchtet wird. „Dies bietet die Möglichkeit, das von dort reflektierte Licht mit dem Bord-Instrument VIR (Visible and IR Spectrometer) zu analysieren, das von der italienischen Raumfahrtagentur geliefert wurde“, erklärte Andreas Nathues, der das Framing- Camera-Experiment am MPS leitet. „Wir sehen deutlich die spektrale Signatur von Wassereis, konnten aber keine anderen gefrorenen Gase finden.“ Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass auch die anderen hellen Ablagerungen hauptsächlich aus Wassereis bestehen.
Die Wissenschaftler dachten lange, dass das Innere von Ceres große Mengen Eis enthält, weil seine Dichte so gering ist, nur 2,1621 Gramm pro Kubikzentimeter. Dies ist nun das zweite Mal, dass Wasser direkt auf der Oberfläche gefunden wurde. Die aktuellen Ergebnisse beziehen sich auf Messungen vom ESA-Teleskop Herschel, das im Jahr 2014 Wasserdampf in der Nähe von Ceres gemessen hat. Im Dezember 2015 haben darüber hinaus Max-Planck-Forscher in Göttingen mit Hilfe der Framing-Cameras Nebelfelder nahe dem Äquator aufgezeichnet, was ebenfalls ein Hinweis auf Wasser in Dampfform ist.
Eisablagerungen auf Teilen von Ceres` Oberfläche, die direktem Sonnenlicht ausgesetzt sind, werden über lange geologische Zeiträume instabil. Der Zwergplanet hat keine Atmosphäre und daher sublimiert das Eis in relativ kurzer Zeit sobald es die Oberfläche erreicht hat. Dies bedeutet, dass es direkt in den gasförmigen Zustand übergeht. An Orten, die permanent in Dunkelheit liegen und somit extrem kalt sind, wo die Temperaturen unter -163 Grad Celsius sinken, kann Eis für eine sehr lange Zeit überleben.
„Wir wissen, dass Eisablagerungen in den polaren Regionen unseres Mondes und des Planeten Merkur existieren, die beide auch keine Atmosphäre haben.“ Diese Eisablagerungen lassen sich auf externe Ereignisse, wie die Einschläge von Kometen, zurückführen“, sagte Nathues. „Die Krater in der Nähe der Ceres-Pole enthalten jedoch Eis, das wahrscheinlich auf Ceres heimisch ist, das heißt, dass es hauptsächlich von Ceres selbst stammt“. Wie die Co-Autoren der Studie der Freien Universität Berlin in einer Simulation zeigen konnten, hätte der Einschlag, der einst den Oxo-Krater erzeugte, beispielsweise das unter der Oberfläche existierende eisige Gestein weggesprengt und es dann weit weg geschleudert von der polaren Regionen.
19. Dezember 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte