Wie Kometen zusammengebaut wurden
Beim Hauptziel von Rosetta, dem Kometen Churyumov-Gerasimenko, sowie auch bei anderen von Weltraummissionen aus beobachteten Kometen gibt es Hinweise auf einen mehrschichtigen Aufbau und auf eine zweilappige Form. Mit 3D-Computersimulationen war Martin Jutzi, Astrophysiker an der Universität Bern in der Lage, die Bildung dieser Charakteristika als Folge sanfter Kollisionen und Verschmelzungen zu rekonstruieren.
In einer auf Computersimulationen basierenden Videosequenz bewegen sind zwei eisige sphärische Objekte mit einem Durchmesser von etwa einem Kilometer aufeinander zu. Sie kollidieren mit Fahrradgeschwindigkeit und beginnen sich umeinander zu drehen und dann wieder zu trennen, nachdem das kleinere Objekt Spuren von Material auf dem größeren hinterlassen hat. Die zeitliche Abfolge zeigt, dass sich das kleinere Objekt durch die gegenseitige Gravitation verlangsamte. Nach etwa 14 Stunden nähern sich die beiden Objekte wieder und prallen einen Tag nach der ersten Kollision aufeinander. Schließlich verschmelzen sie zu einem Körper. Die zweilappige Form ähnelt der Gestalt des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, der von der Raumsonde Rosetta abgebildet worden ist.
100 Simulationen durchgeführt
Die Simulation ist Teil einer Studie, die vom Berner Astrophysiker Martin Jutzi und seinem US-Kollegen Erik Asphaug (Arizona State University) im Science Express veröffentlicht wurde. Mit ihren dreidimensionalen Computermodellen rekonstruierten die Forscher, was im frühen Sonnensystem geschehen ist. Kometen und deren Vorläufer bildeten sich im äußeren Sonnensystem; vielleicht Millionen Jahre vor der Entstehung von Planeten. Die Rekonstruktion des Bildungsprozesses von Kometen könnte entscheidende Informationen über die erste Phase der Planetenentstehung liefern, z. B die Anfangsgrößen der Planetenbausteine, der sogenannten Planetesimale oder im äußeren Sonnensystem der Kometesimale. Etwa 100 Simulationen wurden durchgeführt, wobei jede von ihnen eine bis mehrere Wochen in Anspruch nahm, abhängig vom Kollisionstyp. Die Arbeit wurde durch den Schweizer Nationalfonds unterstützt, sowie durch das Ambizione-Programm und zum Teil auch durch das Schweizer Nationale Kompetenzzentren, Abteilung Planeten.
67P/Churyumov-Gerasimenko ist nicht der einzige Komet, der eine zweilappige Form und eine Schichtstruktur hat. Auch 9P/Tempel 1, auf dem im Jahr 2005 ein Impaktor der Raumsonde Deep Impact einschlug, hat ähnliche Schichten aufzuweisen und eine ähnliche Gestalt. Die Hälfte der Kometenkerne welche von Raumsonden bisher beobachtet worden sind – darunter 103P/Hartley 2 und 1P/Borelly – haben eine zweilappige Form. Wie und wann diese Formen entstanden sind wird viel diskutiert, vor allem was deren Auswirkungen auf die Bildung, Dynamik und Geologie bei der Entstehung des Sonnensystems betrifft.
Primordiale Reste einer ruhigen Phase
In ihrer Studie wendeten die Forscher 3D Kollisionsmodelle an, die sich auf eine solche Form und auf die topographischen Daten beschränkte, um den grundlegenden Akkretions-Mechanismus und seine Auswirkungen auf die interne Struktur zu verstehen. Wie die dreidimensionalen Computersimulationen zeigen, können die wichtigsten Strukturmerkmale die auf den Kometenkernen beobachtet werden, durch die paarweise geringe Geschwindigkeits-Akkretion der energiearmen Kometesimale erklärt werden. Das Modell ist auch mit den beobachteten geringen Materialdichten bei Kometen, die eine Folge der Kollisionen sind, kompatibel.
Diese sanfte Vereinigung zweier relativ kleiner Objekte könnte die Ruhe in der frühen Phase der Planetenentstehung vor rund 4,5 Mrd. Jahren wiedergeben, bis die großen Objekte das System in Aufregung versetzten und die moderaten Geschwindigkeiten störten. Dies unterstützt auch die Idee, dass Kometenkerne primordiale Überreste der frühen Agglomeration kleiner Körper sind. Alternativ könnten die gleichen Verfahren der Koagulation (Zusammenballung kleinster Partikel) auch unter Trümmern, die von wesentlich größeren Mutterkörpern stammen, aufgetreten sein.
Zusammen mit zukünftigen Weltraummissionen, die mittels Radarmessungen die innere Struktur direkt abbilden könnten, sind 3D-Computersimulationen ein wichtiger Schritt um die Frage zu klären, wie die Kometenkerne entstanden sind.
7. Juni 2015/SP
Verein Kuffner-Sternwarte