Überraschende Entdeckung von Sauerstoff in Kometenatmosphäre
Die bis jetzt größte Überraschung, welche die chemische Analyse von der Atmosphäre des Kometen Churyumov-Gerasimenko brachte, ist der hohe Anteil an Sauerstoffmolekülen. Während solche Moleküle in der Erdatmosphäre normal sind, wurde ihre Präsenz auf Kometen ursprünglich für ausgeschlossen gehalten.
Schon im September letzten Jahres machten die Forscher vom Center for Space und Habitability (CSH) an der Universität Bern bei der Analyse der Kometengase eine unerwartete Entdeckung: Zwischen den erwarteten Spitzenwerten von Schwefel und Methanol wurden auch klare Spuren von Sauerstoffmolekülen (O2) nachgewiesen.
Es stellte sich heraus, dass O2 in der Tat das vierthäufigste Gas, nach Wasser (H2O), Kohlenmonoxid (CO) und Kohlendioxid (CO2), in der Atmosphäre des Kometen ist. Sauerstoff ist chemisch hochreaktiv, weshalb bisher angenommen wurde, dass es sich im frühen Sonnensystem mit dem reichlich vorhandenen Wasserstoff verband um Wasser zu bilden. Trotzdem waren Sauerstoffmoleküle auf dem Kometen vorhanden. „Wir hätten nie gedacht, dass Sauerstoff ohne die Kombination mit anderen Substanzen über Milliarden von Jahren „überleben“ könnte“, sagte Prof. Kathrin Altwegg, Projektleiterin vom Massenspektrometer ROSINA und Co-Autorin der Studie. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Unsichtbar von der Erde aus
Molekularer Sauerstoff ist sehr schwierig mit spektroskopischen Messungen von Teleskopen aus zu erkennen, weshalb dieses Molekül nicht bereits auf anderen Kometen beobachtet wurde. Eine in situ-Messung mit dem Massenspektrometer ROSINA auf der Raumsonde Rosetta war nötig, um diese Entdeckung zu machen. „Ferner ist es auch erstaunlich, dass das Verhältnis von Wasser zu Sauerstoff sich auf verschiedenen Orten auf dem Kometen nicht änderte oder mit der Zeit – es gibt einen stabilen Zusammenhang zwischen Wasser und Sauerstoff“ sagte Co-Autorin Altwegg
Uralte Substanz
Anders als bei Kometen ist bekannt, dass auf den Monden von Jupiter und Saturn Sauerstoff-Moleküle vorkommen. Dies erklärt sich dadurch, dass sie von hochenergetischen Teilchen getroffen werden, die vom jeweiligen Mutterplaneten ausgehen, der im Falle des Kometen Churyumov-Gerasimenko nicht existiert. Der Komet wurde wohl 4,6 Milliarden Jahre lang durch hochenergetische kosmische Strahlungspartikel beschossen, so dass diese Partikel Wasser in seine Bestandteile zerlegten, was zur Bildung von Sauerstoff, Ozon und andere Substanzen führte.
Diese Partikel dringen aber nur wenige Meter in die Oberfläche ein und bei jedem Umlauf um die Sonne verliert der Komet zwischen einem und zehn Metern seines Umfangs. Seit dem letzten Treffen mit Jupiter im Jahr 1959, die den Kometen auf seine aktuelle Umlaufbahn brachte, hat er mehr als 100 Meter von seinem Material verloren.
Die Forscher meinen nun, dass die wahrscheinlichste Erklärung jene ist, dass der Sauerstoff sehr früh, noch vor der Entstehung des Sonnensystems, entstanden ist. Vermutlich schlugen hochenergetische Eispartikel in kalte und dichte Geburtsstätten von Sternen ein, in sogenannte Dunkelnebel und spaltete Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff. Der Sauerstoff wurde dann im frühen Sonnensystem weiter „verarbeitet“. Die Sauerstoff-Messungen zeigen, dass zumindest ein erheblicher Teil des Kometen-Materials älter als unser Sonnensystem ist und eine Zusammensetzung hat, die typisch für einen Dunkelnebel ist, aus welchem ein solarer Urnebel und später Planetensysteme entstehen.
„Der Nachweis von Sauerstoff als eine uralte Substanz wird wahrscheinlich im Widerspruch zu einigen theoretischen Modellen über die Entstehung des Sonnensystems stehen“, sagte Altwegg.
31. Oktober 2015/SP
Verein Kuffner-Sternwarte