Pluto und dann nichts
Eines der Highlights von 2015 ist sicherlich der Vorbeiflug an Pluto und seinen Monden mit der Raumsonde New Horizons. Der Erfolg des Juli-Vorbeifluges war die Rechtfertigung für ein Vierteljahrhundert an Bemühungen, eine Raumsonde zu dieser fernen Welt zu entsenden, die damals noch als neunter Planet galt. Jetzt wird Pluto von der Internationalen Astronomischen Union – aber nicht von allen Wissenschaftlern – als Zwergplanet eingestuft. New Horizons zeigt nun, dass Pluto eine weitaus dynamischere Welt ist, als man erwartet hatte.
Bei der Konferenz der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft, Abteilung für Planetenwissenschaften (DPS), präsentierten Wissenschaftler eine detaillierte Analyse der neuesten Bilder und Daten, die während des Vorbeiflugs gesammelt wurden. Obwohl noch immer sehr vorläufig, weil bis jetzt erst weniger als ein Viertel der erhobenen Daten zur Erde übertragen worden sind, wird die Analyse unsere Kenntnisse über diese ferne Welt revolutionieren.
Aber auf der gleichen Konferenz wurden die Forscher daran erinnert, dass Missionen zur Erforschung des äußeren Sonnensystems aus finanzpolitischen Gründen in absehbarer Zukunft selten sein werden.
Ferner wurde auf der Konferenz diskutiert, dass Plutos Gelände vielfältiger und viel aktiver ist als die Forscher bisher angenommen hatten. Vor allem die Entdeckung von zwei Bergen mit zentralen Einsenkungen, vorläufig Wright Mons und Piccard Mons genannt, sorgten für Diskussionen, da die Forscher glauben, dass es Kryovulkane sind, aus denen geschmolzenes Eis statt Lava ausbricht. Wenn sich dies bestätigen sollte, wäre es eine der phänomenalen Entdeckungen von New Horizons und Pluto wäre ein noch faszinierenderer Ort.
Ein weiteres interessantes Oberflächen-Detail ist Sputnik Planum, ein Becken, welches durch das Fehlen jeglicher Krater aller Wahrscheinlichkeit nach geologisch sehr jung ist. Während andere Regionen mit Kratern übersät sind und vermutlich ein Alter von 4 Milliarden Jahre haben, dürfte Sputnik Planum nicht älter als 10 Millionen Jahre sein.
Die Kryovulkane und das junge Alter von Sputnik Planum legen nahe, dass Pluto geologisch aktiv ist. Was angesichts der geringen Größe Plutos eine Überraschung darstellt, weil die meisten Wissenschaftler der Meinung waren, dass Pluto seine innere Wärme inzwischen verloren hat. Das meiste der inneren Wärmequelle könnte verloren gegangen sein im Laufe seiner viereinhalb Milliarden Jahre dauernden Existenz, aber leicht volatiles Eis auf Plutos Oberfläche würde nicht so viel Wärme benötigen, um mobilisiert zu werden und sich seinen Weg auf die Oberfläche zu bahnen. Dieser Meinung sind einige Forscher.
Andere Diskussionen auf der Konferenz konzentrierten sich auf Plutos dünne Atmosphäre. Beobachtungen der Atmosphäre zeigten einen Oberflächendruck von 10 Mikrobar, die im Einklang mit früheren, durch Sternbedeckungen erhaltenen Ergebnissen stehen, wenn man die von New Horizons gesehene Dunstschicht berücksichtigt.
Eine der Überraschungen war für die Forscher, wie wenig Stickstoff es ab einer bestimmten Höhe gibt. Dies bedeutet, dass die Atmosphäre viel kälter und kompakter ist, als bisher angenommen wurde. Modelle, die dieses atmosphärische Profil erklären, ergeben Fluchtraten die tausendmal kleiner sind als bisher erwartet wurde. Die Meinung über die langfristige Entwicklung Plutos, seiner Atmosphäre und seines Eises gehört daher überdacht.
Die Wissenschaftler betonten allerdings auf der Konferenz, dass ihre Analyse noch sehr vorläufig sei: New Horizons ist noch immer dabei, vom Vorbeiflug Daten zu senden. Eine Aufgabe, die vermutlich bis zum nächsten November dauern wird.
Kurz gab es Aufregung am Beginn des ersten Tages der Konferenz, weil den Teilnehmern gesagt wurde, dass es eine Nachrichtensperre über die Ergebnisse gegenüber Außenstehenden gäbe, einschließlich Sozialer Medien, bis zur Pressekonferenz zu Mittag. Das Embargo stellte sich dann als eine Art Missverständnis heraus. Dies sagte zumindest Curt Niebur, ein Programm-Wissenschaflter in der Abteilung für Planetenwissenschaften am NASA-Hauptquartier.
Einige Wissenschaftler sind noch zu vorsichtig, um aus den Daten die ihnen zur Verfügung stehen Rückschlüsse zu ziehen. John Spencer vom Southwest Reserach Institute sagte in einem Vortrag über die Suche nach kleinen Monden und Staub um Pluto, alle Implikationen der Befunde noch nicht zu diskutieren. „Wir haben keine Ahnung, was das alles bedeutet,“ sagte er.
Die trübe Zukunft der Erforschung des äußeren Sonnensystems
Während New Horizons dabei ist, Daten vom Vorbeiflug an Pluto zur Erde zu übertragen, blickt die Mission in die Zukunft für eine weitere Begegnung. Die Raumsonde absolvierte zu Beginn des Monats eine Reihe von Triebwerkszündungen, um die Sonde auf Kurs Richtung Kuiper-Gürtel-Objekt 2014 MU69 am Neujahrstag 2019 zu fliegen.
Neben der Möglichkeit, erstmals einen nahen Blick auf ein kleines Kuiper-Gürtel-Objekt zu werfen, könnte es auch neue Erkenntnisse über die Entstehung des Sonnensystems bringen. „Wenn die erweiterte Mission genehmigt wird und wir tatsächlich zu diesem Objekt fliegen um es zu erforschen, wird es das erste Objekt dieser Klasse sein, das wir je gesehen haben“, sagte Alex Parker vom SwRI. Es ist möglich, dass dieses Objekt ein überlebendes Relikt eines Planetesimales ist, aus denen die großen Objekte unseres Sonnensystems entstanden sind.
Die Aufregung über den hoffentlich in drei Jahren stattfindenden Vorbeiflug kann über die Sorge nicht hinweg täuschen, wie es um die langfristige Zukunft der Erforschung des äußeren Sonnensystems bestellt ist. Die Cassini-Mission, die das Saturnsystem erforscht, endet im Jahr 2017 und die Juno-Mission zum Jupiter wird nach derzeitiger Planung im Jahr 2018 enden; weniger als zwei Jahre nach dem Eintritt in die Umlaufbahn. Der Vorbeiflug von New Horizons an 2014 MU69 im Jahr 2019 könnte der letzte Erkundungsflug ins äußere Sonnensystem für die nächsten zehn Jahre gewesen sein.
Es stellt eine Herausforderung dar, unsere Gemeinschaft in Abwesenheit einer aktuellen Mission zusammen zu halten, sagte Candy Hansen, Vorsitzende der Outer Planets Assessment Group (OPAG), einem von der NASA gecharterten Ausschuss für Planetenwissenschaften für das äußere Sonnensystem, der eine Bürgerversammlung an der DPS-Konferenz abhielt.
Es sind zwar zukünftige Missionen geplant, wie die NASA Europa-Clipper-Mission und eine ähnliche europäische Mission, der Jupiter Icy Moons Explorer (JUICE). Jede dieser Missionen wird Jupiter erst in den späten 2020er Jahren erreichen. Im Grunde genommen gibt es eine lange Strecke, etwa ein Jahrzehnt, ohne eine Mission ins äußere Sonnensystem.
Es hängt von den NASA-Budgets der kommenden Jahre ab, ob weitere Missionen genehmigt werden. Gesichert sind nur die beiden Starts von Mars Lander InSight und OSIRIS-Rex, einer Asteroid-Sample-Return Mission, die 2016 starten sollen. Die nächste NASA-Planetenmission wird nicht vor 2020 starten.
25. November 2015/SP
Verein Kuffner-Sternwarte