Zwei chaotisch taumelnde Plutomonde
Wenn man auf den Plutomonden Nix oder Hydra leben müsste, hätte man ein schwieriges Leben zu meistern, weil man nie genau sagen könnte, wann und in welcher Richtung die Sonne aufgeht.
Eine umfassende Analyse aller verfügbaren Hubble-Daten zeigt, dass zwei von Plutos Monden, Nix und Hydra, chaotisch wackeln. Wissenschaftler glauben, dass die beiden anderen kleinen Monde, Kerberos und Styx, vermutlich in einer ähnlichen Situation sind. Bis zur endgültigen Klärung bedarf es allerdings einer weiteren Studie.
„Hubbles neuer Blick auf Pluto und seine Monde enthüllte einen kosmischen Tanz mit einem chaotischen Rhythmus“ sagte John Grundfeld, Associate Administrator der NASA Science Mission Directorate in Washington, DC. Wenn die Raumsonde New Horizons im Juli durch das Pluto-System fliegt, werden wir die Chance haben diese Monde aus der Nähe zu betrachten.“
Wieso dieses Chaos? Da die Monde in ein dynamisches Gravitationsfeld von zwei zentralen Objekten des Systems, Pluto und Charon, eingebettet sind, wirbeln sie umeinander. Das variable Gravitationsfeld induziert Drehmomente, welche die kleineren Monde auf unvorhersehbare Weise taumeln läßt. Dies wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass die Monde nicht kugelförmig sondern oval geformt sind.
Die überraschenden Ergebnisse aus den Analysen der Hubble-Daten, die von Mark Showalter vom SETI-Institut in Mountain View und Doug Hamilton von der Universität in Maryland ausgewertet wurden, erscheinen in der Juni-Ausgabe von Nature.
Die vier kleinen Monde Plutos umkreisen das Doppelsystem Pluto-Charon in einem erstaunlichen Rhythmus. Styx benötigt dreimal so lange für einen Umlauf wie Charon, Nix viermal, Kerberos fünfmal und Hydra sechsmal. Ihre Umlaufzeiten stehen also im Verhältnis 1:3:4:5:6.
Allerdings liefert Hubble auch Beobachtungs-Hinweise, dass die Umlaufbahnen der Satelliten chaotisch sein könnten. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass das System auseinander zu fliegen droht. „Wir müssen noch viel mehr über dieses System in Erfahrung bringen, bevor wir dessen langfristiges Schicksal bestimmen können“ sagte Showalter.
Zur Überraschung der Astronomen wurde mit Hilfe von Hubble auch festgestellt, dass der Mond Kerberos so dunkel wie Kohle-Briketts ist, während die anderen Satelliten so hell wie weißer Sand sind. Es wird vermutet, dass die Verschmutzung durch Staub von Meteoriteneinschlägen weggesprengt wurde.Allerdings sollte dies dann bei allen Monden so sein, so dass ihre Oberflächen eine homogene Optik ergeben, was allerdings nicht der Fall ist. „Dies ist jedenfalls ein erstaunliches Ergebnis“ sagte Showalter.
Die Raumsonde New Horizons, die im Juli 2015 am Pluto-System vorbeifliegen wird, kann helfen die Frage des extrem dunklen Mondes zu klären und auch die anderen von Hubble entdeckten Merkwürdigkeiten vor Ort zu untersuchen. Diese neuen Entdeckungen werden in die Planung für die wissenschaftlichen Beobachtungen der Raumsonde New Horizons mit einbezogen.
Das Chaos im Pluto-Charon-System bietet einen Einblick, wie sich Planeten um einen Doppelstern verhalten könnten. „Wir bemerken, dass das Chaos ein gemeinsames Schicksal von Doppelsystemen ist“ sagte Hamilton. „Es könnte auch Folgen für das Leben auf Planeten in solchen Systemen haben.“ Das Kepler Weltraumobservatorium hat ja mehrere Planeten in solchen Doppelsystemen gefunden.
Hinweise auf das Pluto-Chaos gab es zum ersten Mal, als Astronomen die Schwankungen im reflektierten Licht der beiden Monde Nix und Hydra gemessen haben. Ihre Helligkeit veränderte sich unvorhersehbar. Das Team untersuchte Hubble Bilder von Pluto aus den Jahren zwischen 2005-2012 und verglich die unvorhersehbaren Veränderungen im Reflektionsvermögen der Monde mit dynamischen Modellen rotierender Objekte in komplexen Gravitationsfeldern.
Praktisch alle großen Monde sowie kleine Monde in engen Umlaufbahnen um den Zentralköprer haben gebundene Rotationen. Dies bedeutet, dass eine Drehung des Satelliten perfekt auf die Umlaufzeit abgestimmt ist. Dies ist kein Zufall, sondern die Folge von Gravitations-Gezeiten zwischen Mond und Planet. (Hyperion, der Saturn umkreist, ist das einzige andere Beispiel im Sonnensystem von chaotischer Rotation, die er aufgrund kombinierter Beeinflussung von Planet und dem größten Saturnmond, Titan, hat).
Plutos Monde haben sich laut einer Hypothese gebildet, als eine Kollision zwischem dem Zwergplaneten und einem ähnlich großen Objekt in der Frühgeschichte des Sonnensystems geschah. Das durch den schweren Zusammenstoß weggesprengte Material ist zu den heute beobachtbaren Satelliten zusammengewachsen. Plutos großer Begleiter, der im Jahre 1978 entdeckte Charon, ist fast halb so groß wie Pluto. Mit Hubble wurden 2005 Nix und Hydra entdeckt, Kerberos 2011 und Styx 2012. Diese kleinen Monde wurden im Rahmen einer Hubble-Suche nach potentiellen Gefahren für die Raumsonde entdeckt, damit sie beim Vorbeiflug im Juli nicht einen Zusammenstoß riskiert.
Pluto und Charon werden auch Doppelplanet genannt, weil sie um einen gemeinsamen Schwerpunkt kreisen, der sich im Raum zwischen den beiden Objekten befindet. Einige betrachten auch das System Erde-Mond als Doppelplaneten, obwohl der Schwerpunkt unter der Erdoberfläche liegt. (Unser Mond hat 1/80 Erdmasse, während Charon 1/8 Pluto-Masse hat.)
Die Forscher sind der Meinung, dass eine Kombination aus New Horizons kurzem Nahaufnahmen-Blick, Überwachungsdaten durch das Hubble und Beobachtungen mit dem James Webb Weltraumteleskop helfen können, viele Geheimnisse des Pluto-Systems zu lüften. Kein bodengebundenes Teleskop ist in der Lage, die kleinen Monde zu erkennen.
11. Juni 2015/SP
Verein Kuffner-Sternwarte