Bericht von der Rosetta Special Session beim EPSC,
in Cascais
Günther Wuchterl, der am European Planetary Science Congress 2014 in
Cascais (Portugal) teilnimmt, berichtet heute von der Rosetta Special
Session, die um 11h Ortszeit am 8. Sept. begann.
Überblick
Matt Taylor erklärte in der Einleitung, dass die Landung von Philae
nach wie vor für den 11. November geplant ist wenn der Komet
3 AU Sonnenentfernung erreicht. Der Landeplatz wird
am 15. September öffentlich bekanntgegeben. Noch heute soll es
auch eine neue ESA Presseaussendung geben.
OSIRIS Instrument: Kometenbilder
Holger Sierks vom Max Planck Institut für Sonnensystemforschung:
Die HIRES Kamera ermöglicht eine Auflösung bis zu cm Größe.
Es wird ein Bild vom 3. August gezeigt. Oberflächeneinteilung:
Klippen, hohe Aktivitätsregion im Sattel. Das erste Landegbiet ist glatt
aber schlecht beleuchtet. Man erkennt Schichtungen die vermutlich sehr
alt sind in rauhen Gebieten. 330 Blöcke pro Quadratkilometer sind in
den flachen Gebieten zu erkennen. Die Herkunft ist unklar.
Halsregion mit Blöcken. Ein hochaufgelöstes Bild zeigt so was wie
einen Schüttkegel. Die kreisförmigen Depressionen sind keine
Impakt-Krater. Vielleicht Stosswellen - verdichtete Strukturen von
frühen Impakten.
Es wird ein beeindruckendes Movie gezeigt von einem Grat der
sich bewegt. Aus der Nähe sehen die Ränder aus wie Kalkstein Felsgrate;
extrem zerklüftet und felsartig. Deutliche Jets kommen aus der Halsregion.
MRIO Instrument, Samuel Gulkis:
Bisher wurde mit MIRO noch kein CO detektiert, ansonsten aber alle
erwarteten Moleküle. Wasserproduktion: 2500 m
3 in 3 Monaten,
das entspricht der Wassermenge in einem 50 Meter Becken. Die
Wasserdampfabgabe im Juli kam nur von der Sonnenseite 0,5 kg/s. Der
Wasserstoffausstoss variiert um einen Faktor 10 während der Rotation.
Die Gasproduktionsrate ist stark veränderlich.
Die Temperaturkarte zeigt 20-160 K - es ist die erste Karte dieser
Art. Die Messungen bei lokalem Mittag ergab bis zu 160 K. Die höchste
Temperatur liegt damit bei -113 Grad Celsius.
VIRTIS Instrument (Infrarot Spektroskopie):
Spektroskopie zur
Mineralogie mit 22m Auflösung. Auflösung der Schichten an den Klippen
des Kometen ist damit möglich: Stratigraphie weist auf vier Hauptkörper
hin aus denen der Komet bestehen könnte.
Temperaturen: sonnenbeschienene Gebiete 180-200 K; 24h Variation der
Temperatur 210 K am Tag 20 K bei Nacht. Das bedeutet es gibt
kein
Eis auf der Oberfläche! Ermittelt wurde das aus den Erwärmungseigenschaften
der Oberfläche. Erwärmungs- und Abkühlgeschwindigkeit) passen nicht
zu Eis.
Starke Schatten werden als "thermischer Schock" für die Messung genutzt.
Es sind `Schlagschatten' im wahrsten Sinne des Wortes.
Wesentlich stärkere Temperaturschwankungen als durch Sonnen-Auf- und
Untergänge zu erwarten sind wurden gemessen. Das bedeutet stärkere
Spannungen als erwartet. Ihnen ist das Material des Kometen ausgesetzt.
Diese Spannungen könnten für die
schroffen Erosionsmerkmale verantwortlich sein.
Oberflächenzusammensetzung: Der einzige passende Vergleich ist jener
mit kohligem Teer. Es sind keinerlei Merkmale in den Spektren zu sehen
die eine genauere Identifikation zulassen, nur breite undefinierbare
Strukturen fallen auf. Deshalb ist noch keine Analyse der chemischen
Zusammensetzung der Oberfläche verfügbar.
Sicher ist aber kein Eis an der Oberfläche. Etwas
Eis kann nur indirekt aus den Ausströmungen erschlossen werden. Ein
einziges Material - vermutlich organisch (Kohlenstoff) ist überall auf der
Oberfläche. Was das ist, wird sich erst nach Laborexperimenten zeigen.
Temperaturmessungen von der Oberfläche des Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko die aus Daten aufgezeichnet wurden die vom VIRTIS-Instrument stammen. Die Karte, eine orthographische Projektion der Kometen-Oberfläche, auf der der 0° Meridian (links) und der 180° Meridian (rechts) zentriert ist, zeigt die Temperaturen für die lokale Zeit zwischen 12 h und 14 h. Die Daten stammen von Juli und August 2014 als der Komet zwischen 3,6 und 3,45 AE von der Sonne entfernt war. Die Raumsonde war in diesem Zeitraum zwischen 14 000 km bis auf weniger als 100 km vom Kometenkern entfernt.
Die Positionen der fünf Kandidatenlandeplätze für den Lander Philae sind markiert. Bild: ESA/Rosetta/VIRTIS/INAF-IAPS/OBS DE PARIS-LESIA/DLR
Martin Pätzold (Univ. zu Köln) - Kometenmasse
Es ist die erste genaue Massenbestimmung eines Kometen:
GM = 680 +/- 50 m³/s² (3 σ sigma Fehler)
Masse M = 10,2 +/- 0,7 x 10
12 kg
Die Masse entspricht damit einem Zehn-Milliardstel des Mondes und rund
einem Hunderttausendstel der Masse des Asteroiden (21) Lutetia den das
Team um Pätzold zuletzt vermessen hatte.
Die Masse ist ein Drittel kleiner als zuletzt aus erdgebundenen
Messungen vermutet - das liegt an der sehr unerwarteten Form die
zu größeren Korrekturen geführt hat.
Es ergibt sich gemeinsam mit der Vermessung des Volumens des
Kometenkerns während der Annäherung eine sehr geringe Dichte von
nur 430 kg / m³. Der Komet ist ein sehr poröses Objekt mit weniger als
40% der Dichte von Wasser obwohl er offenbar sehr viel Staub enthält.
Vergleichbar ist der Dichtewert mit jenem von Balsaholz oder Isolierschaum.
Kork liegt schon bei 480 kg / m³. Wegen des hohen Mineralanteils ist
vielleicht Steinwolle der beste Vergleich. Kurz: der Komet ist etwas
dichter als Neuschnee, vergleichbar mit trockenem Altschnee (
Welt
der Physik)
Mindestens zu 57% also zu mehr als der Hälfte besteht er aus Vakuum.
Bei 60% Löchern wäre das zur Dichte passende Staub zu Eis Verhältnis
nahe 1:1, bei größerer Porosität könnte der Staub sogar deutlich
überwiegen. Das ist ein große Überraschung. Kometenkerne also vielleicht
eher schneeige Staubflocken statt schmutzige Schneebälle?
Eiskalte "Kalkalpen" im Teermantel
Die ersten Ergebnisse der Rosetta Mission zum Kometen 67P Churyumov
Gerasimenko zeigen eine schroffe Welt mit den eisigen Temperaturen
des tiefen Sonnensystems. Aber an der Oberfläche sind nur teerige
Substanzen zu erkennen, Wasserdampf dringt nur aus Spalten und
weist auf Eisvorräte im Inneren hin.
Am 11. November soll Philae landen, dann ist der Komet nur noch
dreimal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde und sollte
langsam ordentlich aktiv werden. Die Landung wird spannend, denn
wie Hermann Böhnhardt vom MPI für Sonnensystemforschung meinte:
einige spannende Probleme sind zu bewältigen, keine Fläche ist
wirklich groß genug für die vorgesehene Landestrategie und alles
ist voll mit Blöcken völlig unklarer Herkunft.
Es wird spannend, aber die Aufgabe scheint lösbar. Alles klar für einen
der spannendsten Momente der Raumfahrt.
8. September 2014; Aktualisiert 9. Sept. 0:30; 11:00 /GW
Verein Kuffner-Sternwarte