Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko: Mögliche Landeplätze für Philae ausgewählt
An Hand detaillierter Informationen, welche die ESA-Raumsonde Rosetta in den ersten beiden Wochen beim
➤ Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko gesammelt hat, wurden für die Landung im November fünf mögliche Landeplätze für den Lander Philae ausgewählt.
Vor der Ankunft der Raumsonde konnte noch nie eine Nahaufnahme des Kometen gemacht werden, so dass das Rennen um einen geeigneten Landesplatz für den 100 kg schweren Lander erst beginnen konnte, als das Rendezvous mit dem Kometen am 6. August stattfand.
Die Landung wird voraussichtlich Mitte November stattfinden, wenn der Komet rund 450 Mio. km von der Sonne entfernt ist und damit noch bevor seine Aktivität einen Level erreicht, der den sicheren und genauen Einsatz von Philae auf der Kometenoberfläche gefährden könnte und auch noch bevor sich das Oberflächenmaterial durch die Aktivität verändert.
Der Komet hat eine Umlaufperiode von 6,5 Jahren und ist derzeit 522 Mio. km von der Sonne entfernt. Bei seiner größten Annäherung am 13. August 2015 – in knapp einem Jahr – werden der Komet und die Raumsonde Rosetta 185 Mio. km von der Sonne entfernt sein was bedeutet, dass der Komet dann die achtfache Menge an Sonnenlicht empfangen wird.
Während die wissenschaftlichen Instrumente auf Rosetta den Kometen beobachten, wird sich der Komet durch die steigende Erwärmung verändern und eine Koma entwickeln. Zusätzlich werden die Instrumente des Landers Philae ergänzende Messungen auf der Kometenoberfläche durchführen. Ferner werden Lander und Orbiter gemeinsam mit dem CONSERT-Experiment die elektromagnetische Wellenausbreitung durch den Kern messen, um daraus Rückschlüsse auf die innere Struktur und Zusammensetzung des Kometenkerns ziehen zu können.
Die Wahl des richtigen Landesplatzes ist ein komplexer Prozess. Dieser Ort muss den technischen Anforderungen von Orbiter und Lander in allen Phasen wie Trennung, Abstieg und Landung auch während der Operationen an der Oberfläche entsprechen und auch allen wissenschaftlichen Anforderungen der zehn Instrumente an Bord des Landers.
Eine zentrale Frage ist, dass Unsicherheiten bei der Navigation des Orbiters in der Nähe des Kometen bedeuten, dass es nur möglich ist eine bestimmte Landezone in Form einer Ellipse anzugeben, die bis zu einem Quadratkilometer groß ist auf der Philae niedergehen kann.
Für jede mögliche Zone müssen wichtige Fragen gestellt werden: Wird das Landesgerät in der Lage sein, regelmäßige Kommunikation mit Rosetta zu unterhalten? Wie viel Gefahren gibt es auf der Oberfläche z. B. große Felsbrocken, tiefe Gletscherspalten oder steile Hänge? Gibt es ausreichende Beleuchtung für wissenschaftliche Operationen? Und ist genug Sonnenlicht vorhanden, die Batterien des Landers über seine 64-Stunden dauernde Lebenszeit hinaus aufzuladen? Und auch wieder nicht zu viel davon, damit keine Überhitzung stattfindet?
Um alle diese Fragen zu beantworten, muss Rosetta die aus etwa 100 km Entfernung gesammelten Daten, einschließlich hoch aufgelöster Bilder von der Oberfläche, verwenden um Messungen von der Oberflächentemperatur sowie Druck und Dichte des Gases um den Kern zu machen. Zusätzlich müssen Messungen von der Orientierung des Kometen in Bezug auf die Sonne, sowie Rotation, Masse und Schwerkraft der Oberfläche bestimmt werden. Alle diese Faktoren beeinflussen die technische Machbarkeit der Landung auf einem bestimmten Ort auf der Oberfläche des Kometen.
Vergangenes Wochenende ist die Landing Site Selection Group (bestehend aus Ingenieuren und Wissenschaftlern vom Philae Science, Operations und Navigation Zentrum am CNES, das Lander Kontrollzentrum beim DLR, sowie Wissenschaftler, von den Instrumenten der Landeeinheit Philae I und das ESA-Team Rosetta) bei CNES in Toulouse zusammengetroffen um die verfügbaren Daten zu prüfen und fünf Kandidaten für einen zukünftigen Landeplatz in die engere Wahl zu nehmen.
Dies ist das erste Mal, dass eine Landestelle auf einem Kometen ausgewählt wird, sagte Stephan Ulamec, Manager des Lander-Teams am DLR. Basierend auf der besonderen Form und globalen Topographie von Komet 67/P Churyumov-Gerasimenko, ist es wohl kein Wunder, dass viele Orte ausgeschlossen werden mussten. Weitere Analysen der Kandidaten-Plätze werden folgen.
Aufgrund der vorläufigen Analysen bieten alle Kandidaten-Plätze mindestens sechs Stunden Tageslicht pro Rotation des Kometen und haben teilweise ebenes Gelände. Und natürlich hat jeder Kandidat das Potenzial für einzigartige wissenschaftliche Erkenntnisse.
Die fünf Kandidaten wurden aus einer Vorauswahl von 10 möglichen Orten ausgewählt, wobei keine Rangfolge vorgenommen wurde. Drei Landestellen (B, I und J) sind auf dem kleineren Teil, den „Kopf“ des Kometen und zwei Landestellen (A und C) sind auf dem größeren Teil, dem „Körper“ des Kometen.
Dies sind die fünf ausgewählten Standorte für den Lander Philae. Aus diesen wird bis 14. Oktober der endgültige Landeplatz für den Lander ausgewählt werden.
Die fünf Kandidaten-Plätze
Landeplatz A
Landeplatz A wäre eine interessante Region auf dem größeren Körper, der einen guten Blick auf den kleineren „Kopf“ hat. Das Gelände zwischen den beiden Objekten dürfte die Quelle von einigen Ausgasungen sein. Da ist höhere Auflösung von Aufnahmen erforderlich, um potenzielle Gefahren, wie Vertiefungen in der Oberfläche und Unebenheiten studieren zu können. Auch die Beleuchtungsbedingungen müssen zusätzlich berücksichtigt werden.
Landeplatz B
Landeplatz B auf dem kleineren „Kopf“ hat innerhalb einer kraterartigen Struktur ein flaches Gelände, was für eine relativ sichere Landung spricht, aber die Beleuchtungsbedingungen könnten bei einer längerfristigen Planung von Philaes wissenschaftlichen Aktivitäten ein Problem darstellen. Höhere bildgebende Auflösung wäre auch erforderlich, um Gefahren durch Felsbrocken besser bewerten zu können. Darüber hinaus wird vermutet, dass die Felsbrocken aus jüngerem Material bestehen und diese Stelle daher nicht so ursprünglich ist wie andere Orte.
Landeplatz C
Landeplatz C ist auf dem größeren Körper und beherbergt einen Reihe von Oberflächenmerkmalen, einschließlich von einigem helleren Material. Es gibt Depressionen, Felsen, Hügel und glatte Ebenen. Auch hier ist höhere bildgebende Auflösung erforderlich, um das Risiko einiger Oberflächen-Details besser beurteilen zu können. Die Beleuchtung ist gut, wovon eine langfristige wissenschaftliche Planung für Philae profitieren würde.
Landeplatz I
Landeplatz I ist eine relativ ebene Fläche auf dem kleineren „Kopf“, auf der auch etwas frischeres Material vorhanden sein könnte. Höhere bildgebende Auflösung ist auch hier erforderlich, um das Gelände besser bewerten zu können. Die Beleuchtungsbedingungen sollten auch für eine längerfristige wissenschaftliche Planung ausreichen.
Landeplatz J
Landeplatz J ähnelt dem Landeplatz I und bietet interessante Oberflächenmerkmale und eine gute Beleuchtung. Auch für das CONSERT-Experiment ist er besser geeignet als der Landeplatz I. Aber auch hier ist eine höhere bildgebende Auflösung nötig, um Details des Geländes wie z. B. Felsbrocken und Terrassierung zu bestimmen.
Der nächste Schritt ist eine umfassende Analyse von jedem einzelnen Landeplatz-Kandidaten, um mögliche Betriebsstrategien für Rosetta und den Lander auszuarbeiten. Zur gleichen Zeit wird sich Rosetta innerhalb von 50 km Entfernung vom Kometen bewegen, damit eine genauere Untersuchung der vorgeschlagenen Landeplätze möglich ist.
Nach dem 14. September werden die fünf Kandidaten bewertet und eine Reihung wird für die Wahl des besten Landeplatzes vorgenommen, für die dann detaillierte Strategien für die Landeverfahren entwickelt werden, zusammen mit einem Backup.
Während dieser Phase wird sich Rosetta innerhalb von 20 – 30 km Entfernung vom Kometen bewegen, so dass noch detailliertere Karten der Verteilung der Felsbrocken gemacht werden können. Diese Informationen könnten bei der endgültigen Entscheidung für den Landeplatz wichtig sein.
Das Team der Rosetta-Mission arbeitet mit dem Ziel, eine Landung am 11. November zu starten. Die Bestätigung des primären Landesplatzes wird wahrscheinlich am 12. Oktober feststehen. Dann wird ein formales Go/No Go von der ESA in Einvernehmen mit dem Lander-Team stattfinden und nach einer allgemeinen Zustimmung wird der 14. Oktober für die Landung fixiert.
Der Prozess der Auswahl eines Landesplatzes ist äußerst komplex und dynamisch. Aber die Forscher mussten die vorläufige Analyse der möglichen Standorte sehr schnell nach Ankunft am Kometen bestimmen, denn sie haben nur noch einige Wochen um den endgültigen Standort festlegen zu können.
Quelle: ➤ ESA
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Slideshow mit vergrößerten Bildern der Landeplätze (ESA)
26. August 2014/SP
Verein Kuffner-Sternwarte