Rhea hat sauerstoffreiche Atmosphäre
Die Raumsonde Cassini entdeckte Rheas Atmosphäre während eines nahen Vorbeiflugs am Eismond im März 2010. Es war dies das erste Mal, dass eine sauerstoffreiche Atmosphäre bei einem Satelliten Saturns gefunden wurde. Es ist bekannt, dass es Sauerstoff-Atmosphären bei anderen natürlichen Planetensatelliten in unserem Sonnensystem gibt. Zum Beispiel sind Europa und Ganymed - zwei Eismonde Jupiters - ebenfalls reich an Sauerstoff.
Aber die Entdeckung bei Rhea deutet darauf hin, dass es auch bei anderen großen eisbedeckten Objekten im Sonnensystem dünne Hüllen aus sauerstoffreicher Atmosphäre geben könnte; vielleicht sogar eine komplexe Chemie.
Auf der Suche nach einer Atmosphäre
Das Hubble Space Telescope entdeckte in den 1990-ziger Jahren dünne Sauerstoff-Atmosphären um Europa und Ganymed. Bei beiden Jupitermonden kommt der Sauerstoff vom dem auf der Oberfläche befindlichen Wassereis, welches sich unter dem schwerem Beschuss geladener Teilchen die vom Jupiter stammen, in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet. Das Forscherteam vermutete, dass ähnliches auch im Saturn-System geschieht, welches voll von großen, eisigen Monden ist.
Rhea ist ein natürlicher Kandidat. Er besteht großteils aus Wassereis und sollte mit einem Durchmesser von 1529 km genug Schwerkraft besitzen um eine Atmosphäre halten zu können. Die Raumsonde Cassini suchte daher bei zwei früheren Vorbeiflügen in den Jahren 2005 und 2007 nach einer Sauerstoff-Atmosphäre um Rhea. Die Raumsonde fand zwar einige interessante Hinweise aber nichts Konkretes. Bei diesen Begegnungen kam Cassini bis auf 5 736 km bzw. 502 km an Rheas Oberfläche heran.
Im vergangenen März flog die Raumsonde viel näher an diesen Saturnsatelliten heran. Sie flog über Rheas Nordpol hinweg, passierte den Mond im Abstand von nur 97 km und durchflog die Atmosphäre des Mondes. Cassinis Massenspektrometer registrierte die Anwesenheit von Sauerstoff und Kohlendioxid.
Sauerstoff macht etwa 70 Prozent von Rheas Atmosphäre aus und die restlichen 30 Prozent sind Kohlendioxid. Dort wo Cassini die Probe nahm ist die Atmosphäre rund 100-mal dünner als die, welche Europa und Ganymed einhüllt. Dies ist auch der Grund, warum Cassini die Atmosphäre aus größerer Entfernung nicht genau analysieren konnte.
Rhea ist zwar nicht der einzige Saturnmnd mit einer, wenn auch sehr dünnen, Atmosphäre, weil ja Saturns größter Mond, Titan eine dicke, stickstoffreiche Atmosphäre hat. Aber die neue Studie bestätigt, dass zum ersten Mal ausserhalb des Jupiter-Systems eine sauerstoffreiche Atmosphäre bei einem Planetensatelliten gefunden wurde.
Über die neuen Ergebnisse wird in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Science vom 25. November berichtet.
Rheas mysteriöses Kohlendioxid
Die Forscher glauben, dass Rheas atmosphärischer Sauerstoff dadurch entsteht, dass geladene Teilchen aus Saturns Magnetosphäre Moleküle aus dem Wassereis sprengen. Die Quelle des Kohlendioxids ist allerdings noch ungeklärt.
Es wäre möglich, dass Rhea, so wie viele andere Körper im Sonnensystem, kohlenstoffreiche organische Moleküle auf oder nahe der Oberfläche hat, die von den geladene Teilchen gespalten werden so wie Rheas Eis. Frei gewordener Kohlenstoff und Sauerstoff könnten sich zu Kohlendioxid verbinden.
Auch ein Bombardement von Mikrometeoriten könnte Kohlenstoff für solche Reaktionen freisetzen, meinen die Forscher. Es ist auch möglich, dass im Inneren Rheas entstandenes Kohlendioxid entweicht. Das Gas könnte primordialen Ursprungs sein, also aus der Entstehungszeit des Mondes vor 4,5 Mrd. Jahren stammen.
Jedenfalls ist den Forschern bis jetzt nicht bekannt, welcher Mechanismus für das Vorhandensein von Kohlendioxid verantwortlich ist.
Aber bald bekommen die Forscher Gelegenheit dies aufzuklären. Im Januar 2011 wird es einen weiteren sehr engen Vorbeiflug der Raumsonde Cassini an Rhea geben. Die Sonde wird in nur 75 km Höhe über die Südpolregion Rheas hinweg fliegen
Komplizierte Chemie auf Eiswelten?
Die neue Studie deutet darauf hin, dass Sauerstoffatmosphären - entstanden durch die Aufspaltung von Oberflächeneis - möglicherweise eine Gemeinsamkeit von großen Eiswelten ist; und das nicht nur in unserem Sonnensystem.
Dies sieht wie ein Muster aus, meint Ben Teolis vom Southwest Research Institute in San Antonio. Die Auswirkungen solcher Muster sind faszinierend, so die Forscher, da Sauerstoff extrem reaktiv ist. Auf so großen Eismonden könnte an oder nahe ihrer Oberflächen eine komplexere Chemie vorhanden sein, als bisher angenommen wurde.
Diese Chemie wird noch interessanter, wenn der Sauerstoff unter die Oberfläche einer solchen Eiswelt gelangt und sich mit flüssigen Wasser vermischt. Rhea scheint zwar keinen unterirdischen Ozean zu haben, aber vermutlich andere Eiswelten wie z. B. Europa und Enceladus.
27. November 2010/SP
Verein Kuffner-Sternwarte