Ist Nemesis die Ursache zahlreicher Kometeneinschläge auf Erden?
Eine neue Studie weist darauf hin, dass sich ein dunkles Objekt nahe unserem Sonnensystem befinden könnte, welches gelegentlich Kometen ins innere Sonnensystem schleudert. Es trägt den Spitznamen "Nemesis" oder "Todesstern". Dieses bis dato unentdeckte Objekt könnte ein roter oder brauner Zwergstern sein, aber auch ein noch lichtschwächeres Objekt mit mehrfacher Jupitermasse.
Warum die Forscher über die Existenz eines solchen Objekts nachdachten hat ihre Ursache darin, dass es eine Erklärung wäre für das immer wiederkehrende Massensterben auf der Erde.
Die Paläontologen David Raup und Jack Sepkoski behaupten, dass in den letzten 250 Millionen Jahren das Leben auf der Erde in einem 26-Millionen-Jahre-Zyklus vom Aussterben bedroht war. Astronomen haben vorgeschlagen, als mögliche Ursache für solche Katastrophen Kometeneinschläge ins Auge zu fassen.
Unser Sonnensystem ist von einer riesigen Ansammlung eisiger Objekte, der Oortschen Wolke, umgeben. Wenn unsere Sonne Teil eines binären Systems wäre, in welchem zwei durch Schwerkraft aneinander gebundene Sterne ein gemeinsames Massenzentrum umkreisen, könnte diese Interaktion eine Störung in der Oortschen Wolke hervorrufen was zur Folge hätte, dass Kometen ins innere Sonnensystem gelangen.
Ein Asteroiden-Einschlag vor 65 Millionen Jahren wird für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich gemacht; aber Impakte von großen Kometen könnten genauso tödlich sein. Ein Komet könnte beispielsweise die Ursache für das Tunguska-Ereignis in Russland im Jahr 1908 gewesen sein. Diese Explosion hatte rund tausend Mal mehr Sprengkraft als die Atombombe, welche auf Hiroshima fiel. Durch diese gewaltige Explosion wurden auf einer Fläche von 830 km² etwa 80 Millionen Bäume umgelegt.
Es gibt zwar kaum Zweifel an der zerstörerischen Kraft kosmischer Einschläge, aber Beweise dafür, dass Kometen in regelmäßigen Abständen ein Massensterben auf unserem Planeten verursacht hätten gibt es auch nicht. Die Theorie vom periodischen Aussterben der Arten auf unserem Planeten wird daher noch diskutiert. Auch wenn der wissenschaftliche Konsens vom vorhersagbaren Kreislauf noch nicht gegeben ist, gibt es auch andere Gründe für den Verdacht, dass die Sonne einen dunklen Begleiter hat.
Der Fußabdruck von Nemesis
Das am 14. November 2003 entdeckte Transneptunische Objekt namens Sedna hat eine extrem lange und elliptische Umlaufbahn um die Sonne. Sedna ist eines der am weitesten entfernten Objekte in unserem Sonnensystem, das bis jetzt beobachtet werden konnte. Die Bahn von Sedna reicht von 76 AE bis auf eine Entfernung von 975 AE. Sie braucht rund 11 000 Jahre für einen Umlauf um die Sonne.
Einer der Entdecker von Sedna, Mike Brown vom California Institute of Technology, hat sich in einem Artikel im Online-Magazin "Discover" dazu folgendermaßen geäußert: "Sedna sollte nicht da sein wo sie ist, das macht keinen Sinn. Es gibt keine Möglichkeit, Sedna dorthin zu befördern wo sie jetzt ist. Sie kommt nie nahe genug, um von der Sonne beeinflusst zu werden und wandert nie weit genug weg, um unter den Einfluss anderer Sterne zu geraten."
Vielleicht ist ein massives, unsichtbares Objekt für Sednas rätselhafte Bahn verantwortlich, dessen gravitativer Einfluss Sedna in diesem weit entfernten Teil des Sonnensystems fest hält. "Meine Suche hat sich immer auf nähere, sich schneller bewegende Objekte konzentriert," sagte Brown zum Astrobiologie-Magazin. "Ein so fern und sich daher sehr langsam bewegendes Objekt wie Nemesis ist leicht zu übersehen."
John Matese, ein emeritierter Profosser für Physik an der Universität von Louisiana/Lafayette vermutet, dass Nemesis aus einem anderen Grund existiert. Die Kometen im inneren Sonnensystem scheinen meistens aus der gleichen Region der Oortschen Wolke zu kommen und Matese ist der Meinung, dass der gravitative Einfluss eines solaren Begleiters diesen Teil der Oortschen Wolke stört, was eine Streuung der Kometen zur Folge hätte. Seine Berechnungen deuten darauf hin, dass Nemesis etwa die 3- bis 5-fache Jupitermasse hat und nicht wie einige Wissenschafter glauben, dass Nemesis 13 Jupitermassen besitzt, was für einen Braunen Zwerg sprechen würde.
Es wird vermutet, dass die Oortsche Wolke sich auf eine Entfernung von etwa 1 Lichtjahr ausdehnt. Matese glaubt nun, dass Nemesis 25 000 AE entfernt ist (oder etwa ein Drittel eines Lichtjahres). Der nächste bekannte Stern nach der Sonne ist Proxima Centauri; er ist 4,2 Lichtjahre entfernt.
Richard Muller von der Universität von Kalifornien in Berkeley war einer der ersten der die Nemesis-Theorie thematisierte. Er schrieb sogar ein populärwissenschaftliches Buch zu diesem Thema. Seiner Ansicht nach ist Nemesis ein roter Zwergstern in 1,5 Lichtjahren Entfernung. Viele Wissenschafter konterten, dass eine so große Umlaufbahn von Natur aus instabil wäre und daher nicht lange Bestand hätte; jedenfalls nicht lange genug, um als Ursache für das Aussterben auf Erden verantwortlich zu sein. Aber Muller ist der Meinung, dass die Bahn-Instabilität dieses postulierten Objektes erst nach Milliarden von Jahren eine Veränderung der Umlaufbahn bewirken würde.
In unserer Galaxis sind Doppelstern-Systeme häufig anzutreffen. Nach Schätzungen sind etwa ein Drittel der Sterne in der Milchstraße entweder Teil eines Doppelstern- oder eines Mehrfachstern-Systems. Rote Zwergsterne sind weit verbreitet. Astronomen sind sogar der Meinung, dass es der am häufigsten vorkommende Sterntyp ist. Auch Braune Zwerge sind vermutlich recht häufig; allerdings sind erst einige hundert entdeckt worden, da sie aufgrund ihrer geringen Leuchtkraft sehr schwierig zu finden sind. Es ist also durchaus möglich, dass die Sonne einen geheimen Begleiter hat, der wegen extrem geringer Leuchtkraft noch nicht entdeckt werden konnte.
NASA's neuestes Teleskop, das Wide-field Infrared Survey Explorer (WISE) ist vielleicht in der Lage, die Frage nach Nemesis ein für alle Mal zu beantworten.
Zwerge im Dunklen finden
WISE observiert unser Universum im Infrarot-Bereich. Wie das Spitzer-Teleskop wird WISE nach Wärmequellen Ausschau halten. Der Unterschied ist, dass WISE ein viel größeres Gesichtsfeld hat und so in der Lage ist, einen größeren Teil des Himmels zu scannen.
WISE begann mit dem Scannen des Himmels am 14. Januar dieses Jahres und hat bereits erste Aufnahmen gemacht. Es ist geplant, mit WISE bis Oktober vom gesamten Himmel eine Karte zu erstellen.
Teil der WISE-Mission ist es, nach Braunen Zwergen zu suchen. Innerhalb von 25 Lichtjahren erhofft die NASA etwa 1000 lichtschwache Objekte zu finden.
Davy Kirkpatrick von NASA's Infrared Processing Analysis Center am Caltech hat mit Daten von Two Micron All Sky Survey (2MASS) bis jetzt keinerlei Hinweise auf Nemesis gefunden. Jetzt ist Kirkpatrick Teil des WISE-Teams und bereit, wieder nach Anzeichen für einen Begleiter unserer Sonne zu suchen.
Kirkpatrick glaubt nicht, dass Nemesis ein roter Zwergstern mit einer riesigen Umlaufbahn ist so wie Muller in beschrieben hat. Seiner Ansicht ist die Beschreibung von Matese plausibler, nämlich dass Nemesis ein Objekt mit nur etwa 3- bis 5-fache Jupitermassen ist.
Auch Ned Wright, Professor für Astronmie und Physik an der Universität von Kalifornien/ Los Angeles (UCLA) und Leiter der WISE-Mission ist der Meinung, dass mit WISE ein Objekt mit mehrfacher Jupitermasse, so wie Matese vorgeschlagen, in 25 000 AE Entfernung gefunden werden könnte, falls es tatsächlich existiert. Auch Jupiter ist selbstleuchtend wie ein Brauner Zwerg. Aber Planeten die weniger Masse als Jupiter haben kann WISE im fernen äußeren Sonnensystem nicht entdecken; dazu ist WISE nicht empfindlich genug.
Weder Kirkpatrick noch Wright denken, dass Nemesis eine Störung in der Oortischen Wolke verursacht und Kometen ins innere Sonnensystem schleudert weil sie der Meinung sind, dass dieses Objekt eine mehr moderate Umlaufbahn hat. Sie bevorzugen den Namen „Tyche“ (die gute Schwester). Unabhängig davon was sie erhoffen zu finden, wird der Fokus von WISE nicht auf eine bestimmte Region des Himmels beschränkt bleiben
Das tolle an WISE wie auch an 2MASS ist, dass mit diesen beiden Instrumenten eine Ganzhimmels-Durchmusterung durchgeführt werden kann. Es wird zwar einige Regionen geben, wie z. B die galaktische Ebene, wo die Beobachtungen weniger gut ansprechen oder Himmelareale, die besonders reich an Objekten sind, aber dennoch werden wird auch in diesen Bereichen gesucht werden. Es wird also keine Region bevorzugt observiert.
Die Forscher werden vielleicht erst Mitte 2013 eine Antwort auf die Frage zu Nemesis bekommen. WISE muss den Himmel zweimal scannen, um Objekte aufgrund von Bewegungen vor dem Hintergrund des Sternenhimmels zu identifizieren. Nur so können die Forscher feststellen, wie weit entfernt von der Sonne sie ihre Bahn ziehen.
Kirkpatrick vermutet, dass die Suche nach "Nemesis-Kandidaten" bis Mittte 2012 abgeschlossen sein wird. Und dann wird es noch bis zu einem Jahr dauern, bis die Folgebeobachtungen beendet sein werden.
Selbst wenn Nemesis nicht gefunden werden sollte wird das WISE-Teleskop helfen, Licht in die dunkelsten und fernsten Ecken unseres Sonnensystems zu bringen. Dieses Teleskop kann genutzt werden um nach Zwergplaneten Ausschau zu halten, welche die Sonne nicht in der Ekliptikebene umkreisen. Objekte, die zur Oortschen Wolke gehören, sind zu klein und zu weit weg um von WISE entdeckt werden zu können. Aber dieses Teleskop wird in der Lage sein, potentiell gefährliche Kometen und Asteroiden in größerer Erdnähe zu verfolgen.
16. März 2010/SP
Verein Kuffner-Sternwarte