Doppelasteroid 90 Antiope besteht aus zwei Trümmerhaufen
Durch Beobachtungen mit den weltweit größten Teleskopen und mit einem Amateurteleskop konnten die bis jetzt genauesten Informationen über ein Asteroidenpaar gewonnen werden.
Ursprünglich war Antiope nur einer von vielen Hauptgürtelasteroiden wie sie zu Tausenden zwischen Mars und Jupiter die Sonne umkreisen. Im Sommer 2000 wurde mit dem 10-m Keck II Teleskop und mit Hilfe adaptiver Optik die Doppelnatur von Antiope entdeckt. Die Forscher konnten damals aber weder die genaue Form noch die Struktur der beiden Komponenten näher bestimmen; nur deren ungefähre Größe und Umlaufzeit um das gemeinsame Massenzentrum.
Mehr Kenntnisse über den Doppelasteroiden wurden erst durch eine Aktion gewonnen, die im Jahr 2003 startete. Mit Aufnahmen, die mit dem 8-Meter Very Large Teleskop in Chile und dem Keck II Teleskop gemacht wurden, gelang Franck Marchis vom Berkeley Institut und Kollegen die Größe der beiden Komponenten mit 86 km zu bestimmen und deren Distanz zueinander mit 171 km.
Da aber einiges noch immer ungeklärt geblieben geblieben war, hat das Team im Jahr 2005 weltweit Beobachter eingeladen, ihre Teleskope auf den Asteroiden zu richten um gegenseitige Verfinsterungen oder Bedeckungen zu beobachten. Bei einer Verfinsterung wirft einer der beiden Objekte einen Schatten auf den anderen. Bei einer Bedeckung wandert von der Erde aus gesehen ein Objekt genau vor dem anderen vorbei und blockt das Licht des sich dahinter befindlichen Körpers ab. Aus den Schwankungen der Gesamthelligkeit von Antiope können Forscher die genaue Größe und Form der beiden Komponenten bestimmen.
Ein halbes Jahr lang wurden Bedeckungen und Verfinsterungen bei Antiope von Professionisten und Amateuren auf der ganzen Welt beobachtet. Unter ihnen auch Peter Dunckel, ein 75jähriger Amateurastronom, der in Grass Valley/Kalifornien mit seinem 7-Zoll Teleskop Messungen an Antiope durchführte. Dunckel ist hocherfreut, dass in einem Fachjournal seine Messungen mit dem kleinen Teleskop Seite an Seite mit den Ergebnissen der Großteleskope veröffentlicht wurden.
Dunckel beobachtete den Doppelasteroiden rund 35 Stunden über einen Zeitraum von sechs Wochen mit seinem Maksutov-Reflektor und einer CCD-Kamera.
Amateure können einen wichtige Beitrag bei den professionellen Forschungen leisten. Dies ist die Meinung von Franck Marchis, da häufigere Beobachtungen die geringere Größe ihrer Teleskope wettmachen können. Mehr Beobachtungen erlauben eine präzisere Bestimmung der Umlaufbahn und der eintretenden Bedeckungen und Verfinsterungen. Daraus wiederum kann Größe, Form, Oberflächendetails und Beschaffenheit der beiden Komponenten abgeleitet werden.
Die intensiven Beobachtungen des Asteroidenpaares haben ergeben, dass beide Teile nicht kugelförmig sind sondern elliptisch. Jede Komponente weicht um 7 % von der Kugelform ab. Sie umkreisen einander in 16,5 Tagen mit gebundener
Rotation, das heißt sie wenden einander immer die gleich Seite zu.
Durch die gegenseitige Anziehung haben beide Komponenten fast die Form eines Roche- Ellipsoiden angenommen, als ob der Asteroid aus Flüssigkeit bestehen würde. Das deutet darauf hin, dass die Komponenten eine sehr geringe Dichte haben müssen. Die Berechnungen ergaben, eine Dichte nur 1,25 g/cm³; dies ist nur wenig mehr als die Dichte von Wasser (1 g/cm³). Wenn man annimmt, dass der Asteroid ein kohlenstoffhältiger Chondrit ist bedeutet dies, dass er zu 30 % aus leerem Raum besteht.
Das Asteroidenpaar 90 Antiope ist Teil eines einstigen Ursprungskörpers, von dem auch 24 Themis abstammt, der heute der Hauptvertreter der Themis-Familie ist. Alle Mitglieder dieser Familie sind kohlenstoffhältige Chondriten gleichen Typs und umkreisen die Sonne am äußeren Rand des Asteroidengürtels. "Protothemis" wurde vor rund 2,5 Millionen Jahren durch Kollision mit einem anderen Asteroiden zerstört. Aller Wahrscheinlichkeit wurde Antiope durch weitere Kollisionen nicht nur in zwei Teile gespalten sondern auch deren innere Struktur zerstört.
4. April 2007/SP
Verein Kuffner-Sternwarte