Kein Planet sondern zweiter Stern erklärt
das Phänomen "Winking Star"
Seit der Entdeckung von KH 15D genannt "Winking Star" im Jahr 1998 versuchten Astronomen die langanhaltenden 24-tägigen Verfinsterungen zu erklären. Viele Forscher theoretisierten, dass diese Eklipsen im Zusammenhang stehen mit intervenierenden Klumpen an Material die von einer protoplanetaren Scheibe stammen, die einen jungen, einzelnen, sonnenähnlichen Stern umkreist.
Bei Überprüfung dieser Verfinsterungen und deren zeitliche Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten hat der Astronom Joshua Winn (Smithonian Center für Astrophysik) mit Kollegen diese Hypothese verworfen und eine neue Theorie ausgearbeitet, die nahezu alles über dieses System erklärt.
Sie entdeckten, dass der "Winking Star" in Wirklichkeit ein Doppelstern-System ist, welches vermutlich von einer Staubscheibe umgeben ist. Und dass bei der gegenseitigen Umkreisung von Zeit zu Zeit Klumpen aus dieser Scheibe das Licht von einem oder von beiden Sternen blockiert. Schließlich verschwinden beide Sterne hinter einem Staubvorhang und das "Winking Stern" System wird für einige Zeit komplett unsichtbar.
Diese beiden Sterne spielten sozusagen Verstecken mit uns, meint Joshua Winn; der zweite Stern spähte kurz hervor und verschwand wieder. Bald wird er mit dem ersten Stern verbunden sein und dann bleiben beide für Jahrzehnte unsichtbar.
Archivaufnahmen enthüllen die Wahrheit über das System
Die wichtigsten Anhaltspunkte zum Verstehen des "Winking Star" Systems wurden in den photographischen Archiven des Harvard Observatoriums in Massachusets und des Asiago Observatoriums in Italien gefunden. Die Überprüfung der fotografischen Platten des Harvard Observatoriums ergaben, dass während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine totalen Verfinsterungen - wie sie derzeit beobachtet werden - stattgefunden haben. Auf Fotoplatten des Asiago-Observatoriums aus den Jahren zwischen 1967 und 1982 gibt es Hinweise auf Eklipsen, aber mit einem Unterschied: Das System war damals heller als heute, sowohl während der Verfinsterung als auch vor- und nachher. Dieses Extralicht muss von einem zweiten Stern kommen, der in den 70iger Jahren sichtbar war, aber derzeit komplett verschwunden ist.
Diese Erkenntnis half das Geheimnis von KH 15D zu entschlüsseln. Vor 1960 wurde keiner der Sterne verdunkelt. Dann driftete ein Staubvorhang in Richtung unserer Sichtlinie und blockte einen Teil der Umlaufbahn eines der Sterne ab. Während der 70er Jahre machte der Stern Verfinsterungen durch bis er durch die Umlaufbewegung immer mehr hinter dem Staubvorhang verschwand. Bis 1998 war dieser Staubvorhang weit genug vorgerückt um einen der Sterne komplett und den anderen Stern periodisch zu bedecken. Etwa um das Jahr 2012 werden beide Sterne komplett unsichtbar sein.
Radialgeschwindigkeitsmessungen, die derzeit von John Johnson (UC Berkeley) und Koautoren dieser Studie durchgeführt werden sollen zeigen, wie der sichtbare Stern aufgrund der Schwerkraft seines stellaren Begleiters hin und her wackelt.
Das neue Bild von KH 15D
Wenn man alle bis dato gemachten Beobachtungen über KH 15D auswertet kommt man zu dem Ergebnis, dass beide Sterne nicht älter als 10 Millionen Jahre sind und dass sie einander mit einer Periode von 48 Tagen auf einer sehr elliptischen Bahn umkreisen. Ihr durchschnittlicher Abstand zueinander liegt bei 0,25 AE (46,8 Mio. km). Aufgrund ihrer exzentrischen Bahn kommen sie einander aber bis auf 6,5 Mio. km nahe.
Staubscheiben wurden schon um andere Doppelsterne gefunden meint Matthew Holman (CFA) ein Koautor dieser Studie. Wir glauben aber, dass die Staubscheibe in diesem System relativ zur Umlaufbahn der beiden Sterne geneigt ist. Dies würde die Scheibe zum wobbeln veranlassen, so wie ein Frisbee nach einem schlechten Wurf in der Luft flattert.
Nach Holmans Berechnungen umgibt der Staubring die Sterne in 2,6 AE Entfernung. Das Material in der Scheibe rotiert mit einer Periode von etwa 4 Jahren, aber das "Flattern" der Scheibe hat eine lange Periode von etwa 1000 Jahren. Eine ähnliche Theorie ist unabhängig von dieser Studie von Eugene Chiang und Ruth Murray vorgeschlagen worden.
Viele Fragen über KH 15D bleiben weiterhin offen; z.B. wie ist die Beschaffenheit der Scheibe? Warum ist sie zur Umlaufbahn der Sterne geneigt? Warum hat die Scheibe einen scharf begrenzten Rand? Der "Winking Star" wird die Astronomen noch mit diesen und anderen Rätseln auf Jahre hinaus beschäftigen.
Das genaue Ergebnis der Forschung wird am 1. März 2004 in der Ausgabe vom "Astrophysical Journal Letters" veröffentlicht. Die Autoren dieser Studie sind Joshua Winn (CFA), Matthew Holman (CFA) John Johnson (UC Berkeley), Krzysztof Stanek ( CFA) und Peter Garnavich (Universität Notre Dame).
27. Februar 2004/SP
Verein Kuffner-Sternwarte