Phoebe ist doch kein Kuiper-Gürtel-Objekt
Am 11. Juni passierte die Raumsonde Cassini den 214 km großen Saturnmond Phoebe im Abstand von rund 2000 km. Die Fernerkundungsinstrumente an Bord der Raumsonde haben spektakuläre Bilder und zahlreiche Informationen über den Saturnmond zur Erde gesandt. Aufgrund dieser Daten haben die Medien und auch einige Wissenschafter die Vermutung geäußert, Phoebe wäre ein eingefangenes Kuiper-Gürtel-Objekt (KBO).
Dazu hat jetzt David Jewitt - der Fachmann für KBO`s - auf der Kuiper-Belt-Homepage Stellung genommen. Seiner Meinung nach ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Phoebe kein KBO. Folgende Überlegungen haben Jewitt zu dieser Annahme geführt.
- Obwohl sich sowohl Phoebe als auch die Objekte des Kuiper-Gürtels "weit draußen" befinden, sind sie unglaublich weit voneinander entfernt. Phoebe ist 10 AE von der Sonne weg und der Kuiper-Gürtel befindet sich größtenteils 30 und 50 AE von der Sonne entfernt ist. Es ist viel wahrscheinlicher, dass Phoebe aus einer ursprünglich saturnnahen Umlaufbahn von dem Planeten eingefangen worden ist.
- KBO`s konnten wohl durch Störungen aus dem Kuiper-Gürtel Richtung Sonne geschleudert werden (Centauren sind solche Objekte) und vorübergehend vom Saturn (auch anderen Planeten) eingefangen werden. Im heutigen Sonnensystem gibt es aber keinen Weg, ein Objekt auf eine stabile Bahn, wie die von Phoebe ist, einzufangen. Der Einfang muss sich ereignet haben, als extrem andere Voraussetzungen im Sonnensystem herrschten als dies heute der Fall ist; Bedingungen, wie sie zurzeit der Planetenentstehung geherrscht haben.
- Saturn ist ein großer Gasplanet der größtenteils aus Wasserstoff und Helium besteht, welches er sich aus dem protoplanetaren Nebel einverleibt hat. Aus Studien anderer Sterne ist bekannt, dass solche Gasnebel kurlebig sind; sind typischerweise nur einige Millionen Jahre alt. Deshalb ist anzunehmen, dass Gasriesen sehr schnell entstehen. Sie brauchen max. einige Millionen Jahre um zu wachsen. Die KBO`s andererseits formten sich wesentlich langsamer, da der protoplanetare Nebel in so großer Entfernung vom Zentrum eine wesentlich geringere Dichte hatte. Die Wachstumszeit für große KBO`s wird auf 10 bis 100 Millionen Jahre geschätzt. Wenn man diese Tatsache berücksichtigt, kommt man zu dem Ergebnis, dass nach der "Vollendung" Saturns kein KBO mehr eingefangen worden ist.
Phoebe ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Kleinplanet aus Eis und Gesteinen, der in einer saturnnahen Umlaufbahn um die Sonne kreiste und nach der Entstehung Saturns von diesem eingefangen worden ist. Phoebe war eines von vielen Objekten in der protoplanetaren Scheibe, von denen sich einige zur Bildung von Saturns Kern zusammenballten, während andere wieder in die Oort`sche Wolke oder in das Interstellare Medium hinausgeschleudert wurden, und einige wenige wurden eingefangen und umkreisen als irreguläre Satelliten den Planeten. Es gibt keinen Beweis, dass Phoebe je im Kuiper Gürtel war und mehrere Gründe die dagegen sprechen.
Dass Phoebe nicht aus dem Kuiper-Gürtel stammt, macht sie deswegen nicht weniger interessant. So wie alle irregulären Satelliten stellt auch dieser Mond eine verhältnismäßig direkte Verbindung zu der Zeit her, als die Planeten sich formten und die Voraussetzungen vorhanden waren, den permanenten Einfang eines Objekts zu ermöglichen. Die Entstehung von Phoebe und deren Einfang durch Saturn hat sich ereignet, als das Sonnensystems erst wenige Millionen Jahre alt war: Phoebe ist also ein echtes Fossil.
16. Juli 2004/SP
Verein Kuffner-Sternwarte