Doppelte Kuiper-Gürtel-Objekte
Pluto und sein Mond Charon waren das erste bekannte Doppel-System in dieser fernen Himmelsregion. Aufgrund dieser Tatsache hat sich eine Reihe von Forschern die Frage gestellt, ob es weitere doppelte Objekte jenseits von Neptun gibt.
Der erste definitive Beweis für die Existenz weiterer Doppel-Körper am Rande des Planetensystems wurde im Dezember 2000 erbracht. Christian Veillet und Kollegen entdeckten mit dem 3,6 m CFH-Teleskop auf Hawaii die Doppelnatur von 1998 WW31.
In den letzten Jahren kam es zur Entdeckung weiterer doppelter TNO`s. Allerdings sind bei dem einen oder anderen Objekt noch zusätzliche Beobachtungen zur genauen Bahnbestimmung nötig.
Bei acht TNO`s wurden bis Juli 2002 Satelliten entdeckt; und das bei bis dato 500 gefundenen Trans-Neptun-Objekten. Selbst mit einer gewissen Skepsis gegenüber der einen oder anderen Entdeckung (z.B. extrem geringe Distanz der Komponenten oder zu grosse Helligkeitsdifferenz) kann man davon ausgehen, dass die Anzahl der KBO`s mit Doppelnatur mit mehr als 1% überraschend hoch ist.
Entstehung von Doppel-Objekten:
Die Entstehung von Doppel-KBO`s ist derzeit noch Gegenstand von Spekulationen. Der gravitative Einfang eines KBO`s durch einen anderen ist fast nicht möglich ohne irgendeinen Prozess der die kinetische Energie neutralisiert, die in der ursprünglichen Bewegung beider Körper vorhanden war.
Die meisten Spekulationen über die Entstehung von Doppel-Objekten basieren auf der Grundlage von Kollisionen, die eine natürliche Quelle von Reibung und Spannung erzeugen.
Das am besten bekannte Beispiel eines Doppelplaneten ist das System Erde- Mond, welches nach derzeitigem Verständnis in der Frühgeschichte des Sonnensystems durch den Einschlag eines jungen, etwa marsgrossen Planeten auf der Proto-Erde entstand. Die Kollision riss die äusseren, leichteren Schichten beider Planeten auf und ein Teil des weggerissenen Materials sammelte sich daraufhin zur Gestalt unseres Mondes. Das schwerere Material des fremden Planeten sank dagegen zum Erdkern und vereinigte sich mit diesem. Vielleicht entstand Charon auf ähnliche Weise: Ein grosser Impakt auf Pluto schleuderte genug Material in den Weltraum und der Pluto-Mond Charon bildete sich aus dem Auswurfmaterial.
Die wesentlich kleineren KBO`s besitzen jedoch nicht genug Masse und Anziehungskraft um durch einen solchen Mechanismus zu Doppel-Systemen zu werden.
Die Doppelobjekte im Kuiper-Gürtel (aber auch Asteroiden im Asteroidengürtel und im erdnahen Raum)entstanden vermutlich durch eher moderate Kollisionen zwischen zwei Objekten. Wenn die relative Geschwindigkeit gering ist oder vergleichbar mit der Entweichgeschwindigkeit der kollidierenden Objekte, dann können sich Kollisions-Fragmente zusammenfügen: Das Ergebnis sind dann unregelmässig geformte Objekte, sogenannte "Contact Binaries".
Ansonsten wird das Objekt abprallen und mit ihm die ausgestossene Masse (und Energie), die eventuell in eine Umlaufbahn einschwenkt: Ein neuer Doppelkörper ist geboren.
Eine weitere M&oumLglichkeit besteht darin, dass zwei Objekte zwar miteinander kollidieren aber der Energieverlust so gering ist, dass sie nicht voneinander abprallen. Das ist das Szenario, bei dem die Doppel-TNO`s vermutlich entstanden sind: Kollisionen mit geringen Geschwindigkeiten von etwa 100 m/s.
Ein Problem besteht darin, dass Zusammenstösse zwischen 100 km grossen TNO`s sehr selten sind; zu selten um die relativ grosse Anzahl von Doppel-TNO`s zu erklären. Daher vermuten einige Forscher, dass sich die Kollisionen in der Frühgeschichte des Sonnensystems ereigneten, als die Population im Kuiper-Gürtel hundertmal höher war als heute. Zumindest ist diese Theorie nicht ganz von der Hand zu weisen.
Ein interessantes Detail könnte durch diese Theorie erklärt werden: Eine unerwartet grosse Anzahl der KBO`s sind unregelmässig geformt und haben kurze Rotationsperioden. Die plausibelste Erklärung wäre, dass diese Objekte keine sehr feste Struktur besitzen und daher durch die zentripetalen Kräfte verformt wurden. Einige Forscher sehen sie als Mitglieder eines Kontinuums von Objekten mit gleichen Rotations- und Formeigenschaften, die sie durch Zusammenstösse in einer sehr frühen, dichter besiedelten Phase erhielten. Die extremen Mitglieder dieses Kontinuums sind die Doppel-KBO`s, während unregelmässig geformte Objekte mit geringerem Drehimpuls "Contact-Binaries" sind und stark verformte Objekte mit höherem Drehimpuls vermutlich keine feste Struktur besitzen, weil diese durch wiederholte Kollisionen in der Frühgeschichte des Sonnensystems zerstört wurde.
Doppelte Kuiper-Gürtel Objekte
Stand: Juli 2002
Objekt
|
Halbachse
(km)
|
Exzentrizität
(Grad)
|
Bahnneigung
(Grad)
|
Typ
|
Trennung (Bogensek)
|
Umlaufperiode
(Tage)
|
Helligkeitsdifferenz
der Komponenten (mag)
|
Pluto
|
19,600
|
0;00
|
96
|
PKBO
|
0,9
|
6,4
|
3,2
|
1998 WW31
|
22,300
|
0,8
|
42
|
CKBO
|
1,2
|
574
|
0,4
|
2001 QT297
|
----
|
----
|
----
|
CKBO
|
0,6
|
----
|
0,5
|
2001 QW322
|
120 000km*
|
----
|
----
|
CKBO
|
4,0
|
4 Jahre!!!*
|
0,4
|
1999 TC36
|
8000 km*
|
----
|
----
|
PKBO
|
0,4
|
11*
|
2,2
|
1998 SM165
|
6000 km*
|
----
|
----
|
SKBO
|
0,2
|
15*
|
1,2
|
1997 CQ29
|
5200 km*
|
----
|
----
|
CKBO
|
0,2
|
----
|
----
|
2000 CF105
|
23 000 km*
|
----
|
----
|
CKBO
|
0,8
|
----
|
0,9
|
* Daten nicht gesichert
Typ: PKBO = Plutino CKBO
= Klassisches Kuiper-Gürtel-Objekt SKBO
= Zerstreutes Objekt
Quelle:
http://ifa.hawaii.edu/faculty/jewitt/kb/binaries.html
3. August 2002/SP
Verein Kuffner-Sternwarte