Die Leoniden - ein Meteorstrom, der für Überraschungen gut ist
Wer Sterne beobachtet, dem sind sie ein vertrauter Anblick - die Sternschnuppen. Sei es bei nächtlichen Spaziergängen, beim Beobachten mit dem Gerät oder beim gemütlichen Zusammensitzen unter dem Sternenzelt, immer wieder huscht ein kleinerer oder größerer Meteor durch das Blickfeld. Neben diesen sporadischen Meteorerscheinungen häufen sich diese aber zu manchen Zeiten. Diese Meteore sind dann Mitglieder eines sogenannten Meteorstromes, der zu bestimmten Zeiten zu einem häufigeren Auftreten von Sternschnuppen führt. So ist vor allem der August als Sternschnuppenmonat durch die Perseiden bekannt. Ein Blick in Himmelsjahrbücher oder astronomische Zeitschriften zeigt aber, daß das ganze Jahr über derartige Sternschnuppenströme auftreten.
Ein spektakulärer Strom sind die Leoniden, die um den 17. oder 18. November auftreten und für diese wird heuer oder das nächste Jahr ein Maximum erwartet.
Meteorerscheinungen werden meist durch kleine Partikel, oft nicht größer als ein Stecknadelkopf, hervorgerufen, die mit einer Geschwindigkeit von 10 bis 70 km/sec aus dem Weltraum in die Erdatmosphäre eintreten und in Höhen von 120 bis 70 Kilometer verglühen. Größere Brocken können diesen Himmelsritt durch die Atmosphäre überstehen und treffen dann auf der Erdoberfläche auf. Derartige vom Himmel gefallene Steine aber auch Eisenbrocken werden Meteorite genannt und sind nicht nur bei Astronomen begehrte Fundstücke. Wird so ein Partikel noch vor dem Eintritt in die Atmosphäre im Weltraum aufgesammelt, so wird von einem Meteoriden gesprochen, während die Leuchterscheinung, die "Sternschnuppe" mit ihrem leuchtenden Pfad Meteor genannt wird.
Die Hauptquelle von Meteoriden sind die Kometen. Während sie in Sonnennähe auftauen und verdampfen werden auch große Mengen von Staub freigesetzt, der auf der Bahn des Ursprungskometen die Sonne umrundet. Kreuzt die Erde auf ihr Fahrt um die Sonne so eine "verstaubte" Kometenbahn, stürzen diese Partikel in die Atmosphäre und leuchten kurz auf. Daraus erklärt sich auch, daß in der zweiten Nachthälfte in der Regel mehr Sternschnuppen gesehen werden können, da wir dann in Fahrtrichtung schauen und dabei beobachten wie der Erde die Staubpartikel entgegenkommen, während in der ersten Nachthälfte wir noch beim "Rückfenster" hinausschauen. Die Mitglieder eines Sternschnuppenstromes kommen scheinbar aus einem kleinen Bereich eines Sternbildes, nach dem der Strom dann benannt wird. Dies ist ein rein perspektivischer Effekt, vergleichbar mit dem Zusammenlaufen von Eisenbahnschienen in der Ferne. So kommen die Perseiden scheinbar aus dem Sternbild Perseus, während die Leoniden knapp unterhalb des Kopfes des Löwen ihren Ursprung zu haben scheinen. Dieser Ausstrahlungspunkt wird Radiant genannt.
Während die Perseiden im August alle Jahre ziemlich gleichmäßig mit einer Rate von ca. 100 Meteoren pro Stunde auftreten, hat der Leonidenstrom die Eigenart, daß er etwa alle 33 Jahre ein starkes Maximum aufweist. So beobachtete Alexander von Humboldt in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1799 einen außerordentlichen Meteorfall von Venezuela aus. Er berichtete auch, daß 1766 von den Eingeborenen in Südamerika ein "Regen von Sternen" gesehen wurde.
Am 12. November 1832 stieg die Leonidenaktivität wieder an und am 13. November des folgenden Jahres zeigte sich in den Morgenstunden ein Meteorsturm ungeahnten Ausmaßes. Augenzeugen berichteten, daß es schien als würden die Sterne vom Himmel fallen. Schätzungen zufolge gingen damals mehr als 10.000 Meteore pro Stunde nieder.
1837 wurde von Wilhelm Heinrich Olbers vermutet, daß die Leoniden alle 33 Jahre verstärkt auftreten und er prognostizierte für 1866 einen Meteorsturm. In der Nacht vom 13. auf den 14. November wurden bis zu 5.000 Sternschnuppen gezählt.
Giovanni Schiaparelli vermutete, daß die periodisch auftretenden Sternschnuppenströme ihre Ursache in Kometen haben, die ihre Staub- und Trümmerteile entlang ihrer Umlaufbahn um die Sonne verteilen. Kreuzt die Erde eine derartige Trümmerwolke kommt es zum Aufleuchten mehr oder weniger vieler Meteore. Für den Leonidenstrom erkannte er den Kometen 55P/Tempel-Tuttle als Ursprungskometen. Diese Komet hat eine Umlaufzeit von 33 Jahren und die Erde kreuzt seine Bahn Mitte November. Dabei gerät sie alle 33 Jahre in eine dichte Trümmerwolke und es kommt dann zu den starken Sternschnuppenströmen.
Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde daher für 1899 wieder ein starker Meteorfall vorausgesagt. Indes die Sternschnuppenhäufigkeit blieb bescheiden, das angekündigte Ereignis blieb aus, die Enttäuschung war groß und das Vertrauen in die Astronomen, die Himmelsereignisse voraussagten war nachhaltig gestört. - Was war geschehen? Saturn und Jupiter hatten die Leonidentrümmerwolke in den Jahren 1870 und 1898 durch ihre Schwerkraft gestört. Dadurch verspäteten sich die Leoniden um ein bzw. zwei Jahre. So wurden in der Nacht vom 15. auf den 16. November 1.000 Meteore und das Jahr darauf 2.000 Meteore pro Stunde gezählt. Allerdings fanden diese beiden Ereignisse nur wenig Beachtung, da Sie nicht vorausgesagt waren und die Enttäuschung über die Schlappe von 1899 noch anhielt.
1931 und 1932 wurde nur ein geringes Maximum von ca. 200 Sternschnuppen pro Stunde gezählt. Das Interesse an den Leoniden ließ deutlich nach und so war die Überraschung 1966 sehr groß als in den Morgenstunden des 17. Novembers in Amerika wieder ein Meteorsturm mit 140.000 Sternschnuppen in einer Stunde beobachtet wurde.
Das Aktivitätsmaximum der Leoniden ist mit einer Stunde sehr scharf abgegrenzt. Daraus ergibt sich, daß die Trümmerwolke eine Breite von nur 35.000 km hat. Auf ihrem Weg um die Sonne kommen die Leoniden der Erde frontal entgegen, so daß sie mit einer Geschwindigkeit von 70 km/sec in der Atmosphäre zu den schnellsten Meteoren gehören.
Eine Vorhersage von Meteorhäufigkeiten ist mit vielen Unwägbarkeiten verbunden und ähnelt der Wettervorhersage. Überraschungen und Flops sind da schon drinnen, wie die Leoniden bereits vor hundert Jahren gezeigt haben. Aber auch in der heutigen Zeit sind Fehlvoraussagen bei Sternschnuppen möglich, wie dies vor ein paar Jahren bei den Perseiden geschehen ist, als in den Medien ein Perseidensturm vorausgesagt wurde aber viele Beobachter in der Nacht sich mit der "normalen" Häufigkeit begnügen mußten, die zwar einige prachtvolle Sternschnuppen brachte aber in Summe doch enttäuschend war.
Bereits 1994 und 1995 wurde ein deutliches Ansteigen der Leonidenhäufigkeit von durchschnittlich 15 auf rund 100 Meteore pro Stunde beobachtet. Auch 1996 wurde wieder eine erhöhte Häufigkeit mit überdurchschnittlich vielen hellen Meteoren beobachtet. Die Auswertung der Beobachtungsergebnisse ergab auf jeden Fall ein Ansteigen der Aktivität. Letztes Jahr wurde die Beobachtung der Leoniden durch den Vollmond gestört. In Amerika wurden jedoch bereits rund 150 Meteore pro Stunde beobachtet und wieder trat ein hoher Anteil an sehr hellen Sternschnuppen auf. Wie hoch die Aktivitätsrate dieses Jahr sein wird ist zwar noch nicht vorhersagbar, aber Optimismus ist schon angebracht.
Dieses Jahr kreuzt die Erde die Kometenbahn am 17. November um 20.45 Uhr MEZ. Zwar wird zu diesem Zeitpunkt der Mond eine Beobachtung nicht stören, allerdings steht der Löwe noch tief unter dem Osthorizont. Ideale Beobachtungsbedingungen gibt es daher dieses Jahr in Ostasien, wo der Löwe zum Zeitpunkt des Maximums schon hoch am Himmel steht. Trotzdem wird erwartet, daß auch von Europa aus einige der Leoniden zu sehen sein werden und eine deutlich höhere Häufigkeit auftreten wird. Nächstes Jahr ist die Ausgangslage für Europa ideal. Die Erde wird die Kometenbahn um 2.50 Uhr MEZ kreuzen. Der zunehmende Halbmond wird schon untergegangen sein und der Löwe ist schon aufgegangen. Die besten Voraussetzungen um das Maximum zu beobachten, wenn das Wetter uns einen klaren Himmel beschert.
Eine Beobachtung der Leoniden zahlt sich sicher aus. Vielleicht kommt es wieder zu einem Meteorsturm, vielleicht bleibt er auch aus. Mit Überraschungen ist auf jeden Fall zu rechnen, so oder so.
1998/Ralf Greiner
Verein Kuffner-Sternwarte